Nationalspieler Lukas Podolski hat sich gewandelt. Als Chef führt er den 1. FC Köln am Sonnabend ins Keller-Duell beim FC St. Pauli.

Hamburg/Köln. Es war eine der anrührendsten Szenen des vergangenen Spieltages. Runde zehn Sekunden nahm Lukas Podolski, 25, seinen Teamgefährten Christian Clemens, 19, an die Hand, sprach leise und beruhigend auf ihn ein. Beinah väterlich wirkte in diesem Moment beim Spiel des 1. FC Köln gegen Werder Bremen (3:0) die Aura des Mannes, der doch eigentlich in Fußball-Deutschland noch immer als Berufsjugendlicher gilt. Ein kölscher Prinz, den sie alle nur Poldi nennen.

Am Sonnabend wird Lukas Podolski sein Team zu den Klängen von "Hells Bells" auf den Rasen des Millertorstadions zum Spiel gegen den FC St. Pauli führen. Die Spielführer-Binde wird den rechten Arm fest umspannen. Kölns neuer Trainer Frank Schaefer, 47, auch so ein Ur-Kölner und schon zu A-Jugend-Zeiten Podolskis Trainer, hat ihn in den Kapitäns-Stand erhoben.

Lukas Podolski ist kein Prinz mehr. Er ist Chef. Der König von Köln.

Viele verbinden den unverkennbaren Aufschwung Podolskis - gegen Bremen war er mit seinen Saisontoren sechs und sieben wieder einmal der beste Mann auf dem Platz - mit genau diesem Vertrauensbeweis seines Trainers. Wahr ist daran auf jeden Fall, dass Podolski wie kaum ein anderer Spitzenfußballer nach Wohlfühlatmosphäre giert. In der Nationalmannschaft fand er sie regelmäßig, was seine Bilanz auf für einen 25-Jährigen sagenhafte 81 Länderspiele trieb. Bei seinen Vereinen dagegen waren die Zeiten eher mau - sowohl bei den großen Bayern mit kümmerlichen 16 Toren in drei Jahren als auch nach seiner Rückkehr nach Köln im Sommer 2009, wo er in einem Team mit lauter "Ich-AGs" fast isoliert wirkte. Podolski schluckte seinen Frust herunter, sagte in Interviews nur: "Ich habe mir manches anders vorgestellt."

Inzwischen jedoch ist in Köln ein Team nach Podolskis Vorstellungen gewachsen. Mit den Neuzugängen Michael Rensing und Christian Eichner versteht er sich blendend, für junge Spieler wie Clemens ist Podolski ohnehin der uneingeschränkte Chef.

Und doch greift die Poldi-will-immer-kuscheln-Theorie zu kurz. Dass das Bild vom fröhlichen kölschen Jong, der doch nur spielen will, mit der Realität nicht so ganz übereinstimmt, war schon im April 2009 zu beobachten, als er Michael Ballack im Länderspiel gegen Wales nach einem Wortgefecht ohrfeigte. Und im Herbst 2010 nahm Podolski in einem "Sport-Bild"-Interview die gesamte Personalpolitik des FC auseinander. Beides hätte man allenfalls einem Stefan Effenberg zu dessen Sturm-und-Drang-Zeit zugetraut.

"Der Lukas ist immer schon unterschätzt worden", sagt sein langjähriger Berater Kon Schramm. Viele hätten nicht mitbekommen, welchen Weg Lukas Podolski in nunmehr sieben Profijahren gegangen sei. Schramm ist überzeugt, dass nicht so stabile Naturen an dem großen Druck zerbrochen wären.

In der Tat hat Lukas Podolski mit Mitte 20 mehr erlebt als die meisten seiner Kollegen in einer ganzen Karriere. Hochgejazzt mit 18 zum deutschen Fußball-Hoffnungsträger, mit 19 Abstieg in die Zweite Liga, mit 20 triumphale Rückkehr, mit 21 einer der Hauptdarsteller des Sommermärchens der WM 2006 nebst Wechsel zu den Bayern, wo er dann zeitweise nur auf der Ersatzbank saß. Ein Wechselbad im Jahrestakt - inklusive Ernennung zum "kölschen Messias" bei der Rückkehr 2009, als der "Express" ihn mit einer 22-seitigen Sonderbeilage und der Schlagzeile "Hä es widder do" begrüßte. Dass er dann nur zwei Tore in einer ganzen Saison schoss, passt zur Achterbahn-Karriere des Lukas Podolski.

"Gerade diese schweren Zeiten haben ihn gestählt", erklärt Schramm. Podolski ist überzeugt, dass ihm die Vaterrolle einfach gut tut. "Wenn ich mal niedergeschlagen bin, weil ich schlecht gespielt habe, kommt er angelaufen, und dann ist alles wieder gut", sagt Podolski über seinen zweijährigen Sohn Louis.

Podolski, so scheint es, ist bei seinem langen Weg bei sich selbst angekommen. Die Authentizität hat er sich sowieso immer bewahrt. Während sein einstiger Sommermärchen-Partner Bastian Schweinsteiger nicht mehr "Schweini" genannt werden möchte, steht Lukas Podolski weiterhin zu seinem "Poldi"-Spitznamen: "Soll ich sagen, wenn mich einer Poldi nennt, stopp, ich heiße Lukas Podolski?" Das, sagt er, wäre doch albern.

Auch als König wird Podolski also der Poldi bleiben. Zu besichtigen am Sonnabend. Am Millerntor.