Der FC St. Pauli verpasst beim 2:2 durch ein Gegentor in letzter Minute den Auswärtssieg in Hoffenheim, kann aber auf die Leistung aufbauen.

Sinsheim. Es hatte etwas von Franz Beckenbauer, wie St. Paulis Trainer Holger Stanislawski gestern Abend einsam durch die Rhein-Neckar-Arena streifte und ins weite Rund blickte. Anders als der "Kaiser" einst im WM-Finale von Rom 1990 hatte St. Paulis Coach aber keinen triumphalen Sieg gefeiert, sondern mit ansehen müssen, wie sein Team beim 2:2 gegen 1899 Hoffenheim in letzter Minute noch um den verdienten Lohn gebracht wurde. Seinen Frust darüber ließ Stanislawski auf seinem Weg über das Spielfeld an einer orangefarbenen Plastiktrinkflasche aus, die nach einem Tritt des Trainers in drei Teile zerbrechend über das Grün flog.

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Nach einer deutlichen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit hatte St. Pauli Hoffenheims von Compper erzielte Führung (29.) durch Max Kruses ersten Bundesligatreffer (51.) und ein Tor von Gerald Asamoah (82.) gedreht. Vier Spiele in Folge hatte St. Pauli zuvor auswärts verloren, 0:11 Tore kassiert, doch nun schien es für einen wichtigen Sieg im Kampf um den Klassenerhalt zu reichen - allerdings nur bis zur 90 Minute, denn da fälschte St. Paulis Ralph Gunesch einen Schuss von Alaba ins eigene Tor ab. Stanislawski, der zuvor noch bei jeder gefährlichen Offensivaktion seines Teams wie ein Flummi an der Seite herumgesprungen war und am liebsten wohl selbst mitgespielt hätte, konnte es nicht glauben, schloss frustriert eine zu diesem Zeitpunkt noch intakte Trinkflasche und wendete sich ab.

Später ärgerte er sich vor allem darüber, dass das Zustandekommen beider Gegentreffer zumindest höchst umstritten war. "Es ist bitter, dass beiden Gegentoren klare Foulspiele vorausgegangen sind", sagte der Coach. Beim ersten Hoffenheimer Treffer hatte Vorsah Fabian Boll niedergestreckt, dem zweiten Tor ging ein Foul von Mlapa an Markus Thorandt voraus. Sportchef Helmut Schulte hatte bereits in der Halbzeit erklärt, dass er sich in solchen strittigen Situationen auch mal einen Zuruf der Schiedsrichter-Assistenten wünsche. Irgendeiner müsse die Situation doch wohl richtig erkannt haben. Letztlich musste sich jedoch auch Schulte eingestehen, dass alles Hadern nichts am Ergebnis und der Tatsache änderte, dass St. Pauli einmal mehr mögliche Punkte nicht für sich verbucht hatte.

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"Der Ausgleich zum Ende ist bitter", erklärte Torschütze Asamoah. "Aber wir sind selbst schuld, weil wir hinten nicht dicht gemacht haben." Stanislawski hatte nach dem Ausfall von Torjäger Marius Ebbers auf den ehemaligen Nationalstürmer als einzige Spitze gesetzt. Der 32-Jährige trug auch die Kapitänsbinde, weil neben seinem an einem Muskelfaserriss im Bauchmuskelbereich leidenden Stürmerkollegen auch der etatmäßige Kapitän Fabio Morena (Ermüdungsbruch im Fuß) und Carsten Rothenbach (Probleme mit der Patellasehne) verletzungsbedingt passen mussten. Für Rechtsverteidiger Rothenbach lief nach Rotsperre und krankheitsbedingtem Trainingsrückstand Markus Thorandt auf der für ihn ungewohnten Außenposition auf. In der Abwehrzentrale verteidigten wie beim 2:2 in der Woche zuvor gegen Freiburg Carlos Zambrano und Ralph Gunesch.

St. Pauli versuchte zunächst mit einer eng gestaffelten Verteidigung und Kontern zum Erfolg zu kommen, bekam jedoch wenig Zugriff zum Spiel. In der Halbzeitpause habe er dann seiner Mannschaft erklärt, dass man im Fußball nur gewinne, wenn man aktiv agiert, berichtete Stanislawski, und kaum zurück auf dem Platz lief es dann tatsächlich erheblich besser. "Wenn wir das Positive mitnehmen wollen, können wir sagen, dass wir gegen eine Mannschaft mit hoher Einzelqualität vor allem in der zweiten Halbzeit gut gespielt haben", sagte Fabian Boll. "Wir müssen keine Angst haben in der Bundesliga - vor keinem Gegner."

In der Tat hatte St. Pauli dafür gesorgt, dass Hoffenheims Fans in der 70. Minute anfingen, ihr eigenes Team auszupfeifen. Die Fans der Kiezkicker dagegen waren obenauf. Nach den ausgeprägten Protesten gegen die Vereinsführung beim Heimspiel gegen den SC Freiburg wurden auch in Sinsheim wieder als Zeichen des Unmuts über die zunehmende Kommerzialisierung des Kiezklubs Fahnen mit dem schwarz-roten Totenkopf-Banner geschwenkt. In der Rhein-Neckar-Arena konnten die Fans allerdings auch beobachten, wie weit St. Pauli noch vom Treiben anderer Klubs entfernt ist, bei denen ein Maskottchen namens "Hoffi" zu "Put your hands up in the air" zum Klatschen animiert, LED-Werbebanden durch das Stadion flimmern und das Vereinslied an einen Après-Ski-Hit erinnert.

Wie St. Paulis Fans beim nächsten Heimspiel gegen Köln agieren werden, bleibt abzuwarten. Sportlich kann der Kiezklub gestärkt in das Kellerduell gehen. "Der Auftritt stimmt mich positiv", sagte Stanislawski. "Wenn wir so gegen Köln auftreten, ist mir nicht Bange." Hoffenheim lässt hoffen.