Nach drei Niederlagen in Folge in der Bundesliga schwört sich der FC St. Pauli auf eine neue - alte - Strategie ein: mehr Kampf im Spiel.

Hamburg. Dreimal habe er das Trainingsgelände umrundet und nachgeschaut, ob sie nicht doch irgendwo sei. Er habe sie aber nicht gefunden, die Krise beim FC St. Pauli. Was Sportdirektor Helmut Schulte scherzhaft in diesem Bild umschreibt, ist bei Spielern und Trainern spürbar. Natürlich mischt sich nach drei Niederlagen in Folge und einigen leichtfertig hergeschenkten Punkten auch viel Enttäuschung in die komplizierte Stimmungslage, von einer echten Krise spricht aber niemand. "Wir wussten, dass diese Phase irgendwann kommen würde", sagt Trainer Holger Stanislawski. "Aber wir sind nach unserem sehr guten Start nicht euphorisch herumgehüpft, und jetzt werden wir auch nicht unruhig."

Insbesondere nach dem ernüchternden Auftritt in der zweiten Halbzeit bei Schalke 04 gibt es aber sehr wohl Grund zur Sorge. Denn einige Kritikpunkte, die Trainer Holger Stanislawski seinen Spielern schon seit einigen Wochen gebetsmühlenartig wiederholt, ziehen sich wie ein roter Faden durch die letzten Spiele des FC St. Pauli: die fehlende Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, die fehlende Konzentration bei Standardsituationen des Gegners und die fehlende Kompromisslosigkeit in entscheidenden Zweikämpfen.

Kaltschnäuzigkeit, Konzentration, Kompromisslosigkeit - alles Eigenschaften, die nicht unbedingt trainierbar sind. Trotzdem hat der Coach bis zum Spiel gegen Bayer Leverkusen (Sa., 15.30 Uhr, Millerntor-Stadion) acht Trainingseinheiten angesetzt. Das Ziel: durch häufige Wiederholungen die Sicherheit zurückgewinnen.

Auffällig ist aber auch, dass sich das Vokabular, vielleicht sogar die Strategie bei Trainer und Spielern geändert hat. "Wir benötigen mehr Killerinstinkt", sagt Stanislawski zum Beispiel. Und seine Mannschaft müsse "ekliger spielen". Auch Fabian Boll hatte nach dem Spiel auf Schalke gesagt, dass es jetzt mal Zeit für einen "dreckigen Sieg" sei.

Es wird schmutzig auf St. Pauli.

Die unerfahrene Mannschaft befindet sich in einer Phase, in der sie viel lernen kann, in der sie "gnadenlose" Bestrafungen von Fehlern und "schmerzhafte Niederlagen" wegsteckt. Wie man Offensivspieler zu Killern macht, darauf weiß allerdings selbst der mit dem Instinkt ausgestattete Stürmer Marius Ebbers keine Antwort, versucht die Ansage seines Trainer dennoch einzuordnen. "Vielleicht fehlt uns manchmal die Überzeugung. Wir müssen einfach konsequenter die Abschlüsse suchen." Er selbst wäre derjenige, der Torchancen am ehesten zu nutzen weiß, das hat er oft genug bewiesen. Momentan wird der 32-Jährige aber zu selten in Szene gesetzt. Auch dieses Problem hat Stanislawski erkannt: "Diejenigen, die den Ball haben, schießen nicht. Und diejenigen, die schießen würden, haben den Ball nicht." Davon ebenfalls betroffen ist Matthias Lehmann. In der vergangenen Zweitligasaison erzielte er als defensiver Mittelfeldspieler acht Tore, und er ist beim FC St. Pauli wohl der Spieler mit dem präzisesten Abschluss. Doch dazu kommt er momentan viel zu selten. "Wir müssen unsere Chancen auch mal eiskalt nutzen", fordert Lehmann und ergänzt: "Wenn wir das nicht tun, kriegen wir Probleme." Natürlich würde er auch gerne Akzente in der Offensive setzen, "aber meine Aufgabe besteht in erster Linie darin, Gegentore zu verhindern", sagt er und bemüht ebenfalls St. Paulis neue Wortwahl: "Ich will Bälle abfressen."

Von seiner offensiven Spielweise und von der Philosophie des gepflegten Passspiels wird Stanislawski nicht abrücken, neben kampfbetonten Ansprachen will der Trainer aber seinen Spielern auch wieder die Sinne schärfen. "Wir müssen wieder die Dinge hervorholen, die uns zuvor stark gemacht haben", sagt er. Die Mannschaft dürfe nicht in einen Alltagstrott verfallen. "Es ist und bleibt ein Privileg, jedes Wochenende in der Bundesliga zu spielen."

Gegen Mannschaften wie Bayer Leverkusen zum Beispiel, die Stanislawski in der Offensive zur "Crème de la Crème der Liga" zählt. "Um die zu schlagen, muss viel passen", sagt er. Aber St. Pauli wird bereits am Sonnabend seine neue Strategie vorstellen: "Die haben mehr Qualität", sagt Lehmann. "Wir müssen denen die Lust nehmen und versuchen, ihnen weh zu tun." Kurz: eklig sein.