St. Paulis Aufsichtsratschef Michael Burmester spricht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt über Wahlen, Werte und Visionen.

Hamburg. Der Aufsichtsratsvorsitzende kommt pünktlich, hat einen gebräunten Teint, wirkt ausgeruht und voller Tatendrang. Nach der Rückkehr aus seinem Urlaub, dem ersten seit zwei Jahren, spricht Michael Burmester, 47, über die Wahlen auf der Jahreshauptversammlung am 14. und 15. November, die Gründe seiner Kandidatur und die Zukunft seines FC St. Pauli.

Hamburger Abendblatt:

Vor 19 Monaten sagten Sie, das Jubiläumsjahr 2010 könne ein guter Zeitpunkt sein, um aufzuhören. Weshalb kandidieren Sie erneut?

Michael Burmester:

Einiges sprach dafür aufzuhören. Nach vielen Gesprächen hat sich für mich dann aber der Gedanke herauskristallisiert, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Der Verein steht vor ganz wichtigen Jahren.

Corny Littmann ging im Mai als Präsident, weil er den perfekten Zeitpunkt für eine Übergabe ausgemacht hatte.

Burmester:

Das muss jeder für sich entscheiden. Wir haben die große Chance, uns sportlich und finanziell weiter denn je zu etablieren. Dem gegenüber stehen unter anderem mit dem Stadion und dem Trainingsgelände Millionen-Projekte als etwaige Risiken, die mit großer Sorgfalt angegangenen werden müssen.

Ist es momentan nicht auch angenehm, Funktionär beim Ligasechsten zu sein?

Burmester:

Ich bin kein Schönwetter-Aufsichtsrat. Sicherlich stellt sich ein Gefühl der Zufriedenheit ein, da wir nach all den Jahren mit harter Arbeit und vielen richtigen Entscheidungen vieler Leute zu Recht wieder da sind. Aber das waren nur Etappenziele. Wir wollen dahin, wo wir noch nie waren.

Am HSV vorbei?

Burmester:

Es ist dafür unwichtig, was andere Vereine in Hamburg machen. Es geht darum, den FC voranzubringen. Das geht nur, wenn man sich ständig hinterfragt und intern kritisch bleibt.

Welche Themen stehen auf der Agenda?

Burmester:

Eine neue Vereinsstruktur.

Mit einem hauptamtlichen Präsidium?

Burmester:

Grundsätzlich steht dem Verein eine ehrenamtliche Führung gut zu Gesicht. Unser Modell sieht eine Verbreiterung der Geschäftsführer-Ebene vor, um das Präsidium zu entlasten. Sollte wir zukünftig einen anderen finanziellen Spielraum haben, muss man gegebenenfalls neu nachdenken.

Welche Aufgaben sollte ein weiterer Geschäftsführer haben?

Burmester:

Einer für den Amateurbereich wäre eine Option. Der Bereich darf nicht vernachlässigt werden. Wir sollten aufpassen, dass Werte wie Respekt und Toleranz gewahrt bleiben.

Wie meinen Sie das?

Burmester:

Ein Jahr ist Robert Enkes Tod her. Und bei Hannover 96 greifen exakt die Mechanismen, wie zuvor. So lange ich in der Verantwortung bin, werde ich massiv dafür eintreten, dass die Besonderheiten hier gelebt werden und nicht zum Klischee verkommen.

Gehen Sie von einer Wiederwahl aus?

Burmester:

Ich wäre enttäuscht, wenn es nicht so käme. Das wäre eine Abstrafung, die für mich überraschend wäre. Aber ein Selbstgänger wird es nicht.

Lediglich 13 Kandidaten bewerben sich für einen der sieben Posten.

Burmester:

Und das ist für mich die riesen Überraschung. Ich hätte mit allem gerechnet. Dass gewisse Fraktionen Teams ins Rennen schicken, oder dass sich da 20, 30 Kandidaten aufstellen.

Werten Sie es als Bestätigung Ihrer Arbeit? Oder will einfach kaum jemand mit Ihnen zusammenarbeiten?

Burmester:

(lacht) Das muss man jetzt mal in Ruhe analysieren.

Überrascht Sie die Kandidatur des ehemaligen Vize Marcus Schulz?

Burmester:

Ja, sehr. Davon hat er in den letzten Gesprächen nie etwas gesagt.

Welche Qualitäten sind als Aufsichtsrat des FC St. Pauli gefragt?

Burmester:

Man sollte für den Verein denken, mit Zahlen umgehen können, teamfähig und standfest sein und, wichtig, auch soziale Kompetenz besitzen.

Weshalb finden keine sozial kompetente Wirtschaftsgrößen den Weg in den Rat?

Burmester:

Wir haben aus familiären und beruflichen Gründen Absagen bekommen. Außerdem braucht niemand ein Amt, um seine Kontakte für den Verein einzubringen. Und es ist ja nicht so, dass keine neue Kompetenz da ist. Tjark Woydt, der als Vize-Präsident zur Wahl steht, verfügt beispielsweise über ein exzellentes Netzwerk und arbeitet wohltuend im Hintergrund.

Als Präsidenten schickt der Aufsichtsrat Stefan Orth ins Rennen. Ein Fehler? Zuletzt gab es einige Irritationen um ihn.

Burmester:

Ich bin überzeugt, dass wir den richtigen vorgeschlagen haben.

Geht es noch harmonischer?

Burmester:

Nur weil wir nicht in der Öffentlichkeit auftauchen, heißt das ja nicht, dass wir keine intensive Kontrolle ausüben. Bei uns kracht es intern auch mal noch viel heftiger als früher. Das ist gut, wenn es konstruktiv bleibt. Die Zusammenarbeit funktioniert.

Wo sehen Sie den Verein in vier Jahren?

Burmester:

Etabliert in der Bundesliga. Mit fertigem Stadion und Trainingsgelände. Als Verein mit zum Teil neuen Strukturen, dem es immer noch gelingt, die Balance aus Eigenständigkeit und Kommerz zu halten.