Matthias Lehmann leitete zwei Tore ein und machte auch sonst wieder einmal den Unterschied aus

Hamburg. Mit einer Handbewegung wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht, und für einen kurzen Moment verschwand auch das Strahlen aus seinen Augen. "Wir hatten ein paar Sachen einstudiert, konnten sie aber nicht anbringen, weil die Nürnberger bei ruhenden Bällen anders standen als wir gehofft hatten", sagte Matthias Lehmann und wirkte dabei wie ein Kind, das sein neues Fahrrad nicht ausprobieren kann, weil es draußen regnet.

Das eigens am Vortag im Rahmen einer geheimen Trainingseinheit Geübte blieb unter Verschluss, und doch war es Lehmann gelungen, mit zwei Eckbällen die ersten beiden Treffer einzuleiten. "Es gibt verschiedene Zielspieler wie Thorandt, Boll und Ebbers, und wenn man die im richtigen Raum anspielt, sind die nicht zu halten. Es tat jedenfalls gut, vorher im Stadion zu trainieren. Da sind die Abstände einfach anders", gewann der Schütze der Generalprobe dann doch etwas Positives ab. Als der Ball im Netz zappelte, stand er immer noch nahe der Eckfahne, blickte in Richtung Trainerbank und reckte die Faust in die Höhe.

Lehmann, der Perfektionist, der im positiven Sinne nie zufriedene Antreiber im Kollektiv des Aufsteigers, robuster Balleroberer und technisch versierter Passgeber, Arbeitsbiene und Feingeist in Personalunion. Hart in den Aufeinandertreffen mit dem Gegner. Schonungslos aber auch im verbalen Duell mit Schiedsrichter Peter Gagelmann und den eigenen Kollegen. Von den anfänglichen Fehlpässen ließ er sich ebenso wenig beirren wie von ein, zwei zweifelhaften Entscheidungen des Unparteiischen. Oft war er es, der den Nürnbergern den Ball abjagte und mit zunehmender Spieldauer auch immer öfter klug verteilte.

Nach der Partie stellte sein Trainer den Willen und die Leidenschaft heraus, das Selbstvertrauen und die Respektlosigkeit, mit der seine Mannschaft sich den Erfolg verdient gehabt habe. Qualitäten, die vor allem einer seiner 14 Spieler wieder einmal auf sich vereinigte: Lehmann. "Matze war in allen Spielen sehr wichtig für uns", sagt Bastian Oczipka, der wie Lehmann, Markus Thorandt und Marius Ebbers in allen acht Spielen in der Startelf stand und sich als linker Außenverteidiger eng mit dem defensiven Mittelfeldspieler abstimmen muss. Meist ist es Lehmann, der die entscheidenden Kommandos gibt. Federführung, von der auch Oczipka profitiert: "Ich fand ihn bisher immer sehr gut." Auch der Gelobte wollte die eigene Leistung nicht kleinreden, legte den Finger aber noch einmal in die Wunde: "Nach dem ersten Ausgleich war ich richtig angepisst. Wir haben drei Minuten vorher noch besprochen, wie wir so ein Tor verhindern wollen, hatten das klar angesprochen. Das bläst einem die Krawatte richtig auf."

Als der Dampf abgelassen war, kehrte das Lächeln aber schnell zurück. "Dieses Spiel hatte alles, was der Fußball bieten kann. Standards, Konter, Ausgleich, erneute Führung, Torchancen", zählte der 27-Jährige auf und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Gesamtbilanz: "Wir sind richtig gut in die Saison gestartet, wie ja auch der neue Rekord beweist. Da kann man jetzt schon mal die Daumen hochhalten. Das war der erste große Schritt", misst er dem 3:2 gegen Nürnberg eine besondere Bedeutung bei. Daumen hoch für den FC St. Pauli, Daumen hoch aber auch für Lehmann selbst. "Ich freue mich auf ein schönes Auswärtsspiel am Sonntag in Stuttgart", sprach er und verschwand, wissend, dass dann wieder Zeit und Gelegenheit für neue Ecken und Freistöße sein dürfte. Die Saison ist noch lang.