Der FC St. Pauli will Ebbers, Boll und Lehmann vorzeitig binden und Leihgeschäfte mit Top-Klubs wie Real Madrid ermöglichen.

Hamburg. Nein, untreu wollen sie sich nicht werden. Die Maxime, bei potenziellen Neuzugängen zunächst in direkter Nachbarschaft nachzuschauen, bleibt beim FC St. Pauli bestehen. Zu erfolgreich verlief der bisherige Weg, den Sportchef Helmut Schulte und Trainer Holger Stanislawski vor einigen Jahren gemeinsam einschlugen. Junge deutsche Talente, vorzugsweise aus dem Norden der Republik, sollen gefunden und gebunden werden. Und dennoch machte sich Schulte am vergangenen Wochenende auf nach Madrid, um sich mit José Morais, einem wichtigen Baustein im Trainerstab von Real-Coach José Mourinho, zu treffen.

Schulte schaute sich im Lager der Königlichen um und hinterlegte bei Morais das Interesse, Spielern aus Reals zweiter Reihe am Millerntor Spielpraxis zu ermöglichen. Eine Bildungsreise, die den eigenen Horizont, aber auch die Transfermöglichkeiten um eine Option erweitern soll. Bei der Kaderplanung für die kommende Saison fahndet St. Pauli weiterhin zunächst in den eigenen Reihen, regional und national, nun aber auch international. "Wir müssen uns auch nach Spielern umschauen, die bei den großen Klubs wie Real nicht zum Einsatz kommen", erklärt Schulte.

Sein Beispiel ist der Mainzer Senkrechtstarter Adam Szalai. Der 22-Jährige war zu Jahresbeginn von Real Madrid zu Mainz 05 gewechselt. Zunächst auf Leihbasis, ab dem 1. Juli dann ausgestattet mit einem Dreijahresvertrag. Für die Nationalelf erzielte der Ungar in der EM-Qualifikation vier Tore, eins mehr als an den sieben Bundesliga-Spieltagen. Ähnliche Erfolgsgeschichten könnten zukünftig am Millerntor geschrieben werden, zumal sich das Interesse der Hamburger nicht auf Real beschränkt. Zum FC Fulham hat Präsident Stefan Orth bereits Kontakte geknüpft. Und keineswegs ausgeschlossen, dass man noch bei anderen internationalen Adressen vorstellig wird.

Ob sich derartige Bestrebungen bereits in der Kaderzusammenstellung für die kommende Saison abzeichnen, bleibt abzuwarten. In jedem Fall haben die Personalplanungen begonnen. "Wir sehen nicht nur viele Spiele, sondern sichten momentan auch Spieler", sagt Stanislawski, "allerdings schauen wir zunächst im eigenen Haus, was los ist." Eine Einschränkung, die verdeutlicht, wo aktuell die Prioritäten liegen. Stanislawski und Schulte arbeiten daran, die aktuellen Leistungsträger längerfristig an den Verein zu binden.

Ganz oben auf der Agenda stehen die Namen Matthias Lehmann, Marius Ebbers und Fabian Boll, deren Arbeitspapiere bis zum 30. Juni 2011 befristet sind. Der von Bayer 04 Leverkusen ausgeliehene Linksverteidiger Bastian Oczipka, für den St. Pauli eine Kaufoption in Höhe von 250 000 Euro besitzt, soll ebenfalls gehalten werden. "Wir würden gern mit den Stammspielern, deren Verträge am Saisonende auslaufen, vorzeitig verlängern", sagt Schulte, der darüber hinaus einige Personalien abzuarbeiten hat. Insgesamt laufen am Saisonende 13 Profiverträge aus, einige verlängern sich ab einer bestimmten Einsatzzahl des Spielers automatisch.

Während Boll, der mit halber Stundenzahl bei der Hamburger Polizei angestellt ist, in einem anderen Trikot schlichtweg nicht vorstellbar ist, geht auch bei Ebbers und Lehmann - den Klassenerhalt vorausgesetzt - die Tendenz zum Bleiben. "Wer mal Bundesliga gespielt hat, möchte natürlich nicht zurück", sagt Lehmann stellvertretend, "aber ich bin guter Dinge, dass wir das verhindern." Lehmann signalisiert Bereitschaft zur Verlängerung, will sich aber noch nicht festlegen lassen: "Man sollte sich mit 27 Jahren genau überlegen, was man macht. Wenn die sportliche Perspektive erkennbar ist und man sich einigt, kann es auch ganz schnell gehen. Ich mache mir keinen Stress."

Ähnliche Töne schlägt notgedrungen auch Schulte an: "Am 30. Juni wollen die Trainer ihre Mannschaft komplett haben. Das ist das Ziel." Und so fahndet er weiter nach Verstärkungen. Beim eigenen Nachwuchs, regional, national, international "und universal", wie er mit einem Lachen ergänzt. Marsmännchen am Millerntor werden wohl eine Illusion bleiben, doch es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass mal ein Galaktischer aus Madrid vorbeischaut.