Der FC St. Pauli feiert seine neue Tribüne, verliert gegen die TSG Hoffenheim aber mit 0:1, weil nicht alle das Motto des Abends beherzigten.

Hamburg. In den vergangenen Jahrzehnten hatte man den Hamburger Dom von der Haupttribüne riechen und hören, optisch aber allenfalls erahnen können. Seit Sonnabend ist er nun auch sichtbar. Und das nicht nur in dem Freiraum zwischen Gegengerade und den Rängen im Süden. Die neue Haupttribüne, etwa doppelt so hoch wie ihre Vorgängerin, bietet von den oberen Reihen und Logen eine herausragende Aussicht auf die Skyline der Stadt im Allgemeinen und das Volksfest im Speziellen. Ein Blickwinkel, der beim 0:1 gegen die TSG Hoffenheim auch St. Paulis Motto des Abends sichtbar machte. Wie eine Überschrift schienen die fünf zusammenhängenden Ringe auf dem höchsten Punkt der in direkter Nachbarschaft beheimateten Achterbahn über dem Stadion zu stehen. Passende Symbolik. Zum Heimauftakt war der olympische Gedanke allgegenwärtig.

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23 794 Zuschauer schrieben und erlebten bei der Premiere des in acht Monaten fertiggestellten zweiten Bauabschnitts und dem ersten Bundesligaheimspiel seit mehr als acht Jahren Geschichte. Um das Stadion herum hatten vor dem Anpfiff noch zahlreiche Fans ihren letzten Tickethoffnungen auf Schildern verzweifelt Ausdruck verliehen. Meist vergeblich. Lediglich im Hospitality-Bereich mit Logen und Business-Seats blieben Plätze frei. Und als die Haupttribüne in der 26. Spielminute erstmals beim Wechselgesang mit einbezogen wurde, war die gefühlte Taufe vollzogen und bestanden. Stehend und aus voller Brust schmetterten die Zuschauer, darunter auch Aufsichtsrat, Präsidium und Sportchef Helmut Schulte ein lang gezogenes "Sankt-Pau-li" in die Abendluft, in der zu diesem Zeitpunkt der passende Heimsieg zu liegen schien. Gute Stimmung, prickelnde Atmosphäre und ein formstarker FC St. Pauli. Das Kommen - so viel war jetzt schon klar - hatte sich gelohnt.

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Die Elf von Holger Stanislawski zeigte sich gegen den ersten Tabellenführer der jungen Saison respektlos, zweikampfstark, engagiert und taktisch diszipliniert, verschob in der Defensive äußerst geschickt und kreierte so immer wieder (Ball-) gewinnbringende Überzahlsituationen. Nach dem 3:1-Sieg beim SC Freiburg blieb nicht nur das Personal - inklusive der drei Einwechselspieler - unverändert. St. Pauli hat System und wendet dieses mit Nonchalance auch eine Spielklasse höher an. "Wir haben gegen eine Mannschaft aus der oberen Tabellenhälfte sehr gut Fußball gespielt", fand Schulte. "Vor allem in der ersten Halbzeit waren wir gut dabei, haben das Spiel bestimmt", wusste auch Fabian Boll, der eine weitere Parallele zum Auftakt nur knapp verpasste. Lediglich die Torlatte verhinderte in der 5. Minute seinen Treffer. "Ich bin eben kein Torjäger", so die Erklärung des Mittelfeldspielers, die am Sonnabend auch für seine Kollegen galt. Deniz Naki scheiterte freistehend vor Torhüter Starke (19.), Rouwen Hennings kurz nach der Pause an den eigenen Nerven. "Ich erwarte ja selbst von mir, dass ich so einen mache", haderte der Angreifer an seinem 23. Geburtstag, nachdem er den Ball aus acht Metern an Starke, aber eben auch am Tor vorbeigeschlenzt hatte. Zwei Minuten vor dem Abpfiff lieferte der eingewechselte Max Kruse eine seitenverkehrte Kopie. Er zielte von rechts links vorbei. Torchancen waren da, jubeln konnte kurz vor dem Ende aber nur der lange Zeit beherrschte Gegner. In der 87. Minute zog Joker Richard Sukuta-Pasu den Kopf ein und ließ eine Salihovic-Ecke unnötig in den Strafraum fliegen, wo Vorsah den Ball unbedrängt zum Endstand über die Linie bugsierte. Carsten Rothenbach hatte seinen Gegenspieler nur bis zum Fünf-Meter-Raum markiert und bekam das Motto des Abends schmerzlich vor Augen geführt.

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Ungenauigkeiten im Angriff kosteten den Sieg, eine Unachtsamkeit in der Defensive den Punkt. Am Ende war Dabeisein alles. "Das war ein Paradebeispiel dafür, dass in der Bundesliga Fehler schneller bestraft werden", sagt Boll. Denn ausreichend Zeit, um den Fehler wie in Freiburg zu beheben, blieb nicht. "Das ist ärgerlich, wird uns aber nicht umwerfen", prophezeite Stanislawski seinen Spielern bereits nach dem Abpfiff im obligatorischen Kreis auf dem Feld, "im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden, nur das Ergebnis stimmt nicht." Und so wird der Trainer auch nicht seine Philosophie infrage stellen. "Uns fehlt es natürlich noch an Routine. Aber wir müssen uns in den Spielen weiterentwickeln und im Training gewisse Situationen simulieren, um die nötige Cleverness zu erlangen."

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St. Pauli will mit den Aufgaben wachsen, man will dabei sein und dabeibleiben. Länger als nur 34 Spieltage. Für die Fans überstrahlt der olympische Gedanke trotz des folgenden Länderspielwochenendes schon jetzt alles. Im nächsten Heimspiel in drei Wochen kommt es zum Stadtderby mit dem Hamburger SV - erstmals in der Bundesligahistorie am Millerntor. Nach dem Auftakt in Freiburg und der Tribüneneinweihung gegen Hoffenheim der nächste Höhepunkt. Und nicht nur 24 500 Menschen wissen, welches Motto da Gültigkeit hat.