Beim FC St. Pauli wird akribisch an der Fitness der Spieler gefeilt. Ein Blick hinter die Kulissen des Trainingsalltags bei den Kiez-Kickern.

Hamburg. Als am Freitagvormittag St. Paulis Tross zum letzten Vorbereitungsspiel bei Oberligist Arminia Hannover aufgebrochen war, kehrte noch lange keine Ruhe auf dem Trainingsgelände in Niendorf ein. Auf der Baustelle am Rande der Kollaustraße gingen die Arbeiten am neuen Trainingsplatz weiter, und auch im Funktionsgebäude wurde geschuftet. Wer nicht in den 18-Mann-Kader für die Partie am Sonnabend (15.30 Uhr) in der niedersächsischen Landeshauptstadt berufen worden war, hatte nämlich alles andere als ein verlängertes freies Wochenende vor sich.

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Den verletzten Gerald Asamoah, Florian Bruns, Matthias Lehmann, Moritz Volz und Richard Sukuta-Pasu - bei dem die Kernspintomografie am Donnerstag eine Muskelzerrung ergeben hatte - sowie die nicht berücksichtigten Marcel Eger, Jan-Philipp Kalla, Thomas Kessler und Davidson Drobo-Ampem hatte das Trainergespann ein Alternativprogramm verordnet, zu dem personenabhängig auch Übungen im Kraftraum gehörten. Während die Trainingseinheiten auf dem Platz in aller Regel für Zuschauer zugänglich sind, wird dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit an der Verfassung der Profis gefeilt.

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Mit augenscheinlichem Erfolg. Auch wenn derzeit gleich mehrere wichtige Spieler auf der Verletztenliste stehen, wirkt die Mannschaft insgesamt fitter, körperlich präsenter als noch in der vergangenen Saison. Ein Eindruck, den auch die von den Trainern gesammelten Daten belegen. "Wir profitieren davon, dass wir viele Spieler behalten haben und diese auch schon in der letzten Saison ein sehr hohes Niveau hatten", sagt Fitnesscoach Pedro Gonzalez. Der 40-Jährige ist vor allem für den Kraft- und Athletikbereich zuständig.

Einmal wöchentlich trifft sich das Trainerteam zu einer großen Sitzung, um die nächsten Einheiten zu planen. Cheftrainer Holger Stanislawski legt die Inhalte fest, seine Assistenten Andre Trulsen, KaPe Nemet, Thomas Meggle und Gonzalez steuern ihre Eindrücke und Ideen bei. Nachdem in den ersten Wochen der Vorbereitung die Fitnessgrundlagen für die erste Saisonhälfte gelegt wurden, liegt nun der Schwerpunkt auf der Einübung des fußballerischen Systems. "Dies bedeutet natürlich nicht, dass wir aufhören, an der Fitness zu arbeiten. Im Gegenteil: Wir müssen uns sogar noch weiter steigern. Unser Ziel ist, dass die Spieler möglichst fit, möglichst belastbar und möglichst verletzungsresistent sind", sagt Gonzalez, der die Arbeit als Fußballtrainer gerne mit der Tätigkeit von Technikern im Motorsport vergleicht.

Seit Januar 2007 arbeitet der gebürtige Würzburger mit Stanislawski zusammen, zunächst tageweise, mittlerweile als Vollzeitkraft. Man werde für das kontinuierliche Konzept belohnt, meint er, auch für das akribische Arbeiten. Dies besteht für den Sportwissenschaftler unter anderem darin, möglichst viele aussagekräftige Daten zu sammeln und wie der Motorsport-Ingenieur immer wieder an verschiedenen Stellen zu schrauben, für Verbesserungen im Detail zu sorgen. "Man könnte auch sagen, wir stellen den Formel-1-Wagen hin", erklärt Gonzalez. "Und die Spieler müssen dann damit fahren." Feintuning für die Bundesliga.

Einmal wöchentlich werden die Profis auf einer medizinischen Präzisionswaage gewogen. Das aktuelle Gewicht und viele weitere Daten fließen in die individuelle Trainingsplanung ein. Ein besonderes Programm muss beim FC St. Pauli beispielsweise der sogenannte Fettklub absolvieren. Diesem gehören alle Spieler mit einem Körperfettanteil von über 12 Prozent an. "Früher waren das mal zehn Leute, heute ist es noch die Hälfte", erinnert sich der Fitnesscoach, der darauf hinweist, dass ein Körperfettanteil unter sieben Prozent auch schon nicht mehr gesund ist.

Die Spieler tragen das Konzept mit. "Es ist einfach faszinierend zu sehen, wenn ein Trainingsplan aufgeht. Das macht mir Spaß", sagt Gonzalez, der aus zeitlichen Gründen für das Bundesliga-Abenteuer mit dem FC St. Pauli sein Engagement im Nachwuchsbereich des Deutschen Fußball-Bundes beendete. Wie groß der Spaßfaktor für ihn und alle anderen beim Kiezklub in dieser Saison sein wird, hängt dann auch wieder von Zahlen ab: von Punkten und Toren.