Der Innenverteidiger spuckte Düsseldorfs Rösler an. Der Verein verhängt eine Geldstrafe, der Kontrollausschuss des DFB ermittelt gegen Zambrano.

Düsseldorf/Hamburg. Am Tag danach griffen die üblichen Mechanismen. Emsig mühten sich die Verantwortlichen, jenen Scherbenhaufen zusammenzukehren, den Carlos Zambrano am Vorabend verursacht hatte. Mit seiner Gelb-Roten Karte in der 73. Minute des intensiven Spitzenspiels zwischen Fortuna Düsseldorf und dem FC St. Pauli hatte der Hamburger Innenverteidiger seine Mannschaft bereits geschwächt, leistete sich beim Gang vom Feld dann aber einen weitaus folgenschwereren Aussetzer, der den Platzverweis und das 0:0 zur Randnotiz degradierte. Millionen Fernsehzuschauer sahen mit an, wie St. Paulis Innenverteidiger Düsseldorfs Rösler auf das Trikot spuckte.

So begab sich Zambrano am Tag danach eilig in die Rolle des Büßers und weitete seine Entschuldigung, die er Rösler noch in den Katakomben der Düsseldorfer Esprit-Arena ausgesprochen hatte, aus. "Es tut mir auch leid für die Mannschaft, die Fans, die Leute im Stadion", übersetzte Athletiktrainer Pedro Gonzalez die Ausführungen des 22-jährigen Peruaners. Auch der Verein wird Rösler noch offizielle Worte des Bedauerns übermitteln, und Trainer André Schubert erinnerte daran, dass sein Abwehrspieler weder in dieser noch in seiner Premierensaison für die Hamburger jemals einen Platzverweis erhalten habe. Vorauseilende Maßnahmen der Schadensbegrenzung, bevor der DFB-Kontrollausschuss wie erwartet ein Ermittlungsverfahren wegen des "Verdachts einer Tätlichkeit in Form eines krass sportwidrigen Verhaltens" einleitete (siehe Text rechts). Allerdings dürfte die Prophylaxe des Klubs, die auch eine Geldstrafe an den Spieler beinhaltet, das erwartete Strafmaß von drei bis vier Partien kaum schmälern.

Tatsächlich ist der "Kaiser", wie er in seiner Heimat anerkennend genannt wird, statistisch bislang nicht aufgefallen. 44 Spiele hat er für Schalke 04 und St. Pauli seit 2009 im deutschen Profifußball absolviert. 14 Gelbe Karten und kein Platzverweis stehen als Qualitätsmerkmal und skizzieren das Bild eines souveränen, abgeklärten Abwehrspielers - der er nicht ist. Die Zahlen trügen. Wer den zweifellos Hochbegabten regelmäßig spielen sieht, erlebt einen hitzköpfigen, mitunter überharten, übermotivierten Zweikämpfer. Bei seinem Comeback nach zehnmonatiger Verletzungspause am 4. Februar in Aachen musste Schubert den Heißsporn bereits zur Pause in der Kabine lassen. Schiedsrichter Frank Willenborg hatte Spieler und Trainer erklärt, den gelbbelasteten Innenverteidiger beim nächsten Foul des Feldes zu verweisen. Es war nicht das erste Spiel, bei dem er unmittelbar vor einer Roten Karte stand - und sollte auch nicht das letzte bleiben. Südamerikanisches Temperament und Sozialisation beeinflussen sein Spiel bis heute. Carlos Augusto Zambrano Ochandarte, inmitten einer Großfamilie aufgewachsen, hat früh gelernt, sich zu wehren. Auf dem Rasen bekämpft er die Gegner mit allen Mitteln, Händen wie Füßen. Ihn in die Kategorie "Unangenehmer Gegenspieler" einzuordnen wäre eine glatte Untertreibung.

+++ Röslers Provokation könnte strafmildernd wirken +++

Beteuerungen, ruhiger und gelassener zu werden, gab und gibt es von ihm, seit er seine ersten Spiele für Braun-Weiß absolvierte, doch der Nationalspieler empfindet einen verlorenen Zweikampf weiterhin als persönliche Beleidigung und beantwortet unlautere Mittel des Gegenspielers nicht selten mit der Dynamik eines austretenden Pferdes - wenngleich in Düsseldorf ein anderes Tier als Vorbild Pate stand. "Es gab viele verbale Scharmützel, Dinge, die man von außen nicht sieht und hört", berichtet Zambrano, "und vielleicht habe ich mich davon provozieren lassen, dass die Düsseldorfer nach dem Foul alle auf den Schiri zugerannt sind. So etwas schürt noch mehr Emotionen." Gefühle, Provokationen, Ausraster - das Zambrano-Dilemma.

Alle wissen um die Problematik - auch er selbst. Doch mit Ausnahme eines brutalen Fouls am 12. Oktober 2010 im Länderspiel gegen Panama ging die Gratwanderung bis zum Montag gut. Insofern ist die Kritik am Trainer, wonach dieser seinen gefährdeten Spieler durch eine Auswechslung hätte schützen müssen, auch zu hinterfragen. "Wir wissen, dass er ein temperamentvoller Spieler ist", sagt Schubert, der anders als in Aachen keine Signale erhielt, dass Zambrano unmittelbar vor einer Hinausstellung stehe: "Wir haben das nicht wahrgenommen, sonst wäre das eine Überlegung gewesen. Allerdings hätte ich mich damit schwergetan, weil wir in der Defensive sehr stabil standen."

Ein Verdienst, das sich vor allem auch der Peruaner gutschreiben kann. Die Geburtsstunde der neuen Defensivstärke des FC St. Pauli fällt nicht zufällig mit seiner Rückkehr zusammen. Insofern fehlt den Hamburgern in den kommenden Wochen nun der vielleicht wichtigste Kämpfer gegen den Ball. Ein entscheidender Verlust im Aufstiegsrennen? Die Folgen seiner unappetitlichen Unbeherrschtheit bestimmen nun andere: der DFB und Fabio Morena, der Zambrano bereits am Sonnabend beim FSV Frankfurt ersetzen wird.