Auch gegen biedere Cottbuser gelingt dem FC St. Pauli kein Treffer. Der Rückstand zum Spitzenreiter Fürth wächst auf dadurch acht Punkte.

Hamburg. Norbert Meier nickte seinen Nebenleuten etwas entschuldigend zu, als er sich Schritt für Schritt den Weg durch die Sitzreihe bahnte. Düsseldorfs Trainer verließ das Millerntor-Stadion bereits Mitte der zweiten Halbzeit - und beging damit eine Woche vor dem Top-Spiel seiner Fortuna gegen den FC St. Pauli einen Fehler. Er hätte früher gehen sollen. Das 0:0 der Hamburger gegen Energie Cottbus war ein Spiel nahezu ohne Strafraumszenen, Höhepunkte lieferten einzig die Dom-Kulisse mit Achterbahn und Riesenrad sowie das Thermometer bei sonnigen 15 Grad Celsius.

Vieles war neu an diesem Sonntagnachmittag. Unter der Woche war ein neuer Rasen verlegt, in der Nacht vor dem Spiel die Uhr umgestellt worden. Doch anders als im Aufstiegsjahr 2010, als der damalige Trainer Holger Stanislawski nach einer 1:2-Niederlage bei 1860 München im März - Stichwort: Reset-Taste - eine neue Zeitrechnung ausgerufen und mit einem 5:3 gegen Oberhausen auch erreicht hatte, verharrt St. Pauli weiter im alten Trott. "Null zu null! Das Endergebnis hat man hier ja auch nicht all zu oft", sagte Jonas Frank, als Vertretung der gesundheitlich verhinderten Stadionsprecher Rainer Wulff und Dagmar Grigoleit am Sonntag ebenfalls neu, und lag damit grundsätzlich richtig, angesichts der Torarmut der vergangenen Wochen dann aber auch wieder verkehrt. Seit 905 Minuten warten die Stürmer auf ein Erfolgserlebnis, neun Treffer aus zehn Rückrundenspielen sind der Wert eines Abstiegs-, nicht eines Aufstiegskandidaten, der es in den vergangenen drei Heimspielen nur dank Moritz Volz' Distanzschuss überhaupt zu einem Erfolgserlebnis brachte: 0:0 gegen Braunschweig, 1:0 gegen Karlsruhe, 0:0 gegen Cottbus. Zwei Partien ohne Tor gab es am Millerntor zuletzt in der Saison 2006/2007. Umso treffender daher Franks Verabschiedung der gegnerischen Fans: "Wir sehen uns wieder."

Denn dass das nächste Treffen noch in diesem Jahr stattfinden wird, erscheint angesichts der offensichtlichen Probleme nur logisch. Die Defizite im Spiel nach vorn haben längst chronisches Ausmaß angenommen, der direkte Aufstieg erscheint bei nun acht Punkten Rückstand auf Fürth und möglichen sieben auf die heute noch spielende Frankfurter Eintracht nur noch als Wunschtraum. "Wenn man keine Tore schießt, kann man nicht gewinnen", weiß Sportchef Helmut Schulte, "es ist ein bisschen tröstlich, dass wir keinen Gegentreffer bekommen haben, aber auch nur ein bisschen. Ansonsten ist alles eine riesige Enttäuschung." Was auch die Aktiven so empfanden. "Die zweite Halbzeit war ein deutlicher Rückschritt", konstatierte Max Kruse, "da haben elementare Dinge gefehlt." Zu allem Überfluss auch der Spielmacher selbst. Kruse hatte am Vorabend über Fieber geklagt, war geschwächt in die Partie gegangen und daher in der 54. Minute ausgewechselt worden.

Der 24-Jährige hatte nach 100 Sekunden die beste Chance des Spiels vergeben, als sein Strafraumschuss noch abgeblockt wurde und Fabian Boll mit seinem klugen Heber an Kirschbaum scheiterte. Vor stimmungsvoller Kulisse baute die Mannschaft von André Schubert immensen Druck auf, brachte Energie ein ums andere Mal in Verlegenheit und schien die Behauptung, wonach allein der holprige Untergrund der vergangenen Wochen am spieltechnischen Offenbarungseid schuld gewesen sei, stichhaltig belegen zu können. Indizien, die unbestätigt blieben. Die Rage über den Rasen entpuppte sich als falsches Alibi, da der junge Spieltrieb bereits nach zehn Minuten wieder gekappt wurde, ohne dass sich der Untergrund auch nur um einen Halm verschlechtert hatte. Mutlos und ideenlos gab sich St. Pauli früh dem 0:0 hin, verharrte viel zu statisch in der Ordnung. Die Überzeugung, an diesem Tag ein Tor zu erzielen, war nie erkennbar. Patrick Funk scheiterte aus der Distanz am guten Kirschbaum (32.), Marius Ebbers zielte bei seinem Schuss aus spitzem Winkel (35.) wie auch der köpfende Boll (45.) zu hoch. Und so wäre es auch nicht verdient gewesen, hätte Fin Bartels die einzige Möglichkeit nach der Pause zum 1:0 genutzt. 13 Minuten vor dem Ende strich sein Schuss links am Tor vorbei. "Wir brauchen mehr Zug, mehr Druck, mehr Elan", forderte der mit seiner Strafraumszene herausragende Mann der zweiten Hälfte. "Mehr Durchschlagskraft" empfiehlt Florian Bruns, "mehr Biss, Wille und Einsatz", verlangt Marius Ebbers. Der Angreifer hatte mit der Einwechslung Mahir Sagliks früh Unterstützung bekommen, doch statt mehr stand am Ende wieder einmal weniger.

Etwas überraschend daher der Optimismus, der den nach dem Abpfiff enttäuscht auf dem Rasen kauernden und liegenden Profis von den Rängen zugerufen wurde. "Auswärtssieg, Auswärtssieg", skandierte der Anhang in Abwesenheit Meiers mit Blick auf Montag. Für einen Sieg allerdings benötigt man ein Tor - mindestens.

Die Statistik

St. Pauli: 1 Pliquett - 2 Volz, 5 Zambrano, 16 Thorandt, 20 Schachten - 17 Boll, 6 Funk (ab 54. Daube) - 8 Bruns (ab 69. Schindler), 18 Kruse (ab 54. Saglik), 22 Bartels - 9 Ebbers. - Trainer: Schubert

Cottbus: 1 Kirschbaum - 15 Bittroff, 21 Hünemeier, 35 Möhrle, 17 Ziebig - 3 Banovic, 18 Kruska - 32 Bittencourt (ab 80. Reimerink), 29 Sörensen, 10 Adlung - 22 Fenin (ab 88. Roger). - Trainer: Bommer

Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)

Zuschauer : 20.000