Der FC St. Pauli ist nach dem mühsamen 1:0-Erfolg gegen den Karlsruher SC als Tabellenvierter weiterhin im Aufstiegsrennen mit dabei.

Hamburg. Sechs Spiele, sechs Tore, elf Punkte. Die Minimalisten vom Millerntor bleiben ihrem Ruf treu. Beim 1:0-Sieg über den Karlsruher SC blieben die Hamburger zwar vieles schuldig, allerdings auch zum fünften Mal in Folge ungeschlagen. "Wir haben schwer ins Spiel gefunden und zu hektisch agiert", sagte Trainer André Schubert nach Abpfiff, während der Spieler des Spiels das Lob der Fans bei der Ehrenrunde mit der Mannschaft fast schüchtern einheimste: Moritz Volz.

Begonnen aber hatte der Abend mit einer echten Entschuldigung. "Das war natürlich nicht das Badnerlied", musste Stadionsprecher Rainer Wulff zugeben, nachdem bei dem obligatorischen akustischen Gruß an die Gäste der falsche Schlager abgespielt worden war. "Aber das wird es dann beim nächsten Mal geben." Wenn es denn in absehbarer Zeit ein nächstes Mal gibt. Während der KSC gen Dritte Liga taumelt, bleiben die Hamburger auf Aufstiegskurs und liegen nun mit 50 Punkten vier Zähler besser als zum gleichen Zeitpunkt im Aufstiegsjahr 2010. Mehr noch: St. Pauli erlebt die erfolgreichste Zweitligasaison der Klubgeschichte.

Allerdings benötigte die Mannschaft einen langen Anlauf. Unter den Augen der Ex-Spieler Florian Lechner, der unmittelbar vor einem Wechsel zu New England Revolution in die USA steht, sowie dem Neu-Ingolstädter Ralph Gunesch, erstarrte das Spiel nach wenigen Minuten in statischem Quergeschiebe. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison fehlte es an Tempo, Ideen und Anspielstationen. Immer dann, wenn Lauf- und Passgeschwindigkeit mal erhöht wurden, unterbanden Ungenauigkeiten und teilweise katastrophale Fehlpässe mögliche Kombinationen. Unruhe und Unzufriedenheit im Lager der Braun-Weißen waren die Folge. Auf dem Platz, auf den mit 23 354 Zuschauern gefüllten Rängen, wo die Pfiffe immer lauter wurden, und auch an der Seitenlinie: Schubert haderte, schimpfte und versuchte vergeblich, das schematische Aufbauspiel gestenreich zu beleben.

+++ Kruse machte die Badener nass, Naki sprang ins Wasser +++

Wie zuvor angedeutet, hatte der Trainer Carsten Rothenbach, Fabian Boll und Deniz Naki neu in die Mannschaft genommen, die augenscheinliche Mittellosigkeit seiner Elf gegen immer sicherer werdende Karlsruher aber nicht erwartet. Der Spannungsbogen der Partie schien gerade seinen Tiefpunkt erreicht zu haben, als Moritz Volz fünf Minuten vor dem Halbzeitpfiff des sehr guten Schiedsrichters Tobias Christ den Ball im zentralen Mittelfeld vor die Füße bekam, nicht angegriffen wurde und so fast zu einem kleinen Sololauf genötigt wurde. 22 Meter vor dem Tor stoppte der Verteidiger und versenkte seinen Schuss über den zu weit vor seinem Tor postierten Orlishausen im Netz. Ein echter Voll(z)treffer! Während es für den FC St. Pauli 2012 das erste Tor aus dem Spiel heraus bedeutete, durfte der frischgebackene Buchautor ("Unser Mann in London") erstmals im deutschen Profifußball und erstmals seit 1899 Tagen einen eigenen Treffer bejubeln.

Am 30. Dezember 2006 hatte der 29-Jährige im Trikot des FC Fulham beim 2:2 gegen den FC Chelsea das 15 000. Tor der Premier-League-Geschichte erzielt und seitdem nicht mehr getroffen. Volz schrieb Geschichte. Auch deshalb, weil er anders als bei seinen zwei Toren in England seine Zunge im Mund behielt, es bei einem Gruß an die Spielerfrauen auf der Südtribüne beließ und es an diesem Abend die entscheidende Aktion bleiben sollte. "Ich hatte es heute Morgen im Urin, dass Volzy trifft", sagte Benedikt Pliquett, der in die allgemeine Glückseligkeit aber nicht einstimmen wollte: "Da braucht keiner auf der Tribüne zu pfeifen, wenn wir fünfmal hinten rum spielen! Das gibt es hier nicht!", kritisierte der Torwart, der wie seine Kollegen auch den schlechten Untergrund thematisierte: "Ich wünsche mir, dass alle im Verein realisieren, was wir erreichen können. Wenn wir einen neuen Rasen brauchen, dann ist das so", sagte er nach dem Verzicht auf ein 100 000 Euro teures neues Grün.

Nach dem Seitenwechsel stellten Pliquett, Volz und Co. dann einmal mehr ihre Defensivqualitäten unter Beweis. Der KSC blieb nahezu chancenlos. Der Mann des Abends warf sich noch erfolgreich in einen Schuss von Terrazzino (81.), während der eingewechselte Marius Ebbers nach fünfwöchiger Verletzungspause sein Tor zum Comeback nur knapp verfehlt hatte (62.). Das war es dann auch. St. Pauli blieb sich treu - und ging erst nach dem Spiel in die Offensive.