Beinahe wäre er Assistent von Bundestrainer Löw geworden. Am Montag trifft der ehemalige HSV-Stürmer als Trainer am Millerntor auf St. Pauli.

Hamburg. Es hatte nicht viel gefehlt, damals im Sommer 2006. Dann wäre Jörn Andersen Assistent von Bundestrainer Joachim Löw geworden. "Jogi hatte mich angerufen und gefragt, ob ich Interesse hätte. Natürlich hatte ich das, ich hätte den Job gerne gemacht", sagt der Norweger mit deutschem Pass heute. Löw entschied sich bekanntlich für Hansi Flick - das Duo strebt im Sommer bei der Europameisterschaft den Titelgewinn an.

Jörn Andersen indes landete im November 2011 beim abstiegsbedrohten Zweitligisten Karlsruher SC und kämpft um die Existenz des Traditionsklubs im deutschen Unterhaus. Am Montag gastieren die Badener am Millerntor beim FC St. Pauli (20.15 Uhr). Ein ungleiches Duell. Für Andersen kein Grund zur Ehrfurcht: "Ich spiele lieber gegen gute Mannschaften als gegen solche, die wir schlagen müssen. Wir haben genug Qualität, um mitzuhalten", sagt er.

An Selbstbewusstsein mangelt es dem Blondschopf, der 1990 als erster ausländischer Bundesligaprofi im Trikot von Eintracht Frankfurt Torschützenkönig wurde, sicher nicht. Dabei scheint sein Engagement beim KSC die letzte Chance im deutschen Trainergeschäft zu sein. In Oberhausen, als Co-Trainer in Mönchengladbach, bei den Kickers Offenbach und Mainz 05 - Andersen blieb nie länger als eine Saison im Amt.

Den Tiefpunkt seiner bisherigen Trainerlaufbahn stellt die Entlassung in Mainz im Sommer 2009 dar. Als Nachfolger von Jürgen Klopp schaffte der ehemalige Stürmer direkt den Aufstieg in die Bundesliga und musste noch vor dem ersten Spieltag gehen. "Gestörte Kommunikation" lautete die Begründung. "Das hat sehr weh getan", sagt Andersen.

Bis die Karlsruher vor drei Monaten anfragten, war der 49-Jährige in Deutschland kein Thema mehr. Lediglich ein 22-tägiges Intermezzo beim griechischen Klub AE Larisa folgte im Dezember 2010. Drei Spiele, drei Pleiten, kein Tor und Fans, die den Bus mit Steinen attackierten: Andersen flüchtete, wie er es zuvor im Mai 2007 bei Skoda Xanthi, ebenfalls in Griechenland, gemacht hatte. Dort unterschrieb er einen Vertrag, doch als Versprechungen des Präsidiums nicht eingehalten wurden, kündigte er, bevor es zur ersten Trainingseinheit kam.

Schlechte Voraussetzungen - damit musste Andersen schon einmal in seiner Spielerkarriere zurechtkommen. 1994, als der HSV ihn von Eintracht Frankfurt lockte. Torjäger Karsten Bäron stand kurz vor einem Wechsel zu Bayern München, Andersen sollte ihn beerben und kam für 650.000 Mark Ablöse nach Hamburg. Bärons Transfer platzte, der Norweger bekam nur selten Einsatzzeit und verließ die Hansestadt nach nur einem Jahr wieder. "Hamburg hat mir trotzdem gut gefallen, es ist eine tolle Stadt", sagt Andersen heute.

Am Montag kehrt er mit dem krisengeschüttelten KSC zurück. Sechs Neuzugänge kamen im Winter nach fünf Niederlagen in Folge, St. Paulis ehemaliger Publikumsliebling Florian Lechner wurde aussortiert. In den fünf Partien nach der Pause holte die Mannschaft unter Andersens Ägide immerhin sieben Punkte. Zuletzt gab es aber eine 0:5-Klatsche gegen Fortuna Düsseldorf .

Kritik an seiner Person kann er nicht verstehen. "Wenn es nicht läuft, ist in Deutschland immer der Trainer schuld", klagt Andersen an. "In anderen Ländern hat man mehr Geduld", sagt er. Erfahrungen, die er während vieler Hospitationen in den vergangenen Jahren machte. Bei Klubs wie dem AC und Inter Mailand schaute er über die Schulter der Meistermacher. Vielleicht mit etwas Sehnsucht nach dem ganz großen Traineramt. Dass er den Job bei Joachim Löw damals nicht bekam, interessiert Andersen heute nicht mehr. "Ich bin sowieso lieber Cheftrainer einer Mannschaft. Da kann ich selbst etwas entwickeln."