St. Paulis Defensive hat sich zum Punktegaranten entwickelt, gegen Karlsruhe heute Abend werden aber auch andere Qualitäten gefragt sein.

Hamburg. Zum Jahresauftakt in Aachen (1:2) passierte es in der Folge eines Eckballs von Max Kruse, beim 2:1 gegen Bochum waren es eine Ecke von Patrick Funk und ein Kruse-Freistoß, in Duisburg (1:0) flankte Florian Bruns einen Freistoß verwertbar in den Strafraum, und am vergangenen Montag, beim 1:1 gegen 1860 München, traf Bruns per Elfmeter zur Führung. Fünf Tore, fünf Standardsituationen. Aus dem Spiel heraus gelang dem FC St. Pauli 2012 noch kein eigener Treffer! Ein Makel, der indes von der zufriedenstellenden Gesamtbilanz überlagert wird. Bei einem Sieg heute gegen den Karlsruher SC (20.15 Uhr, Millerntor-Stadion/Sport1 und Liveticker auf abendblatt.de) würden die Hamburger mit dem Spitzenquartett Schritt halten und sich in direkter Schlagdistanz zum Spitzenreiter aus Fürth wieder auf dem vierten Tabellenplatz einreihen. Fünf Tore in fünf Spielen genügten für acht Punke, da die Minimalisten vom Millerntor immer weniger gegnerische Torchancen zulassen und noch seltener Treffer kassieren. Die Defensive als Schlüssel zum Erfolg.

"Das Vertrauen in diese Qualität ist mittlerweile da, ja", bestätigt Carlos Zambrano, der nach auskurierter Oberschenkelverletzung seit diesem Jahr gemeinsam mit Markus Thorandt erfolgreich die Innenverteidigung der Braun-Weißen bildet. Das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft habe sich im vergangenen Jahr eben entscheidend weiterentwickelt, begründet der 22-Jährige, "aber wir müssen noch stabiler werden, um den Druck von der Mannschaft zu nehmen." Zambrano, Thorandt, aber auch Fabian Boll und Patrick Funk in der defensiven Mittelfeldzentrale sind die herausragenden Köpfe inmitten dieses diszipliniert verteidigenden und klug verschiebenden Kollektivs.

+++ Info: Schachten fällt aus +++

Das in den vergangenen Jahren erzeugte Bild von spieltechnisch begabten, schnell kombinierenden, gegen den Ball aber oftmals schlampig reagierenden Hurra-Fußballern ist spätestens seit dem Jahreswechsel ein stark verzerrtes. Der Erfolg ist geblieben, nur der Weg dorthin ist ein anderer, wie auch der Blick in die Statistik unterstreicht. Keine Mannschaft ließ in der Rückrunde bislang weniger Treffer zu, mit drei Partien ohne Gegentor wurde der Wert der Hinrunde bereits am sechsten Rückrundenspieltag eingestellt, und bis zum völlig unnötigen 1:1-Ausgleich von München kurz vordem Abpfiff konnte sich Torhüter Benedikt Pliquett 340 Minuten lang schadlos halten - die längste Serie seit mehr als fünf Jahren! Zahlen, die Trainer André Schubert zufrieden zur Kenntnis genommen hat: "Wenn wir es schaffen, weiter so stabil und kompakt zu stehen, ist es schwer, uns zu schlagen."

+++ Der Karlsruher SC ist Andersens letzte Chance +++

Allerdings, und das weiß auch Schubert, ist das erfolgreiche Toreverhindern nur die eine Seite der Medaille: "Wir sind ständig um Lösungen bemüht, wenig Tore zu bekommen, aber auch viele zu schießen. Es geht darum, die richtige Mischung zu finden. Und da müssen wir jetzt den Ball noch ein bisschen gefährlicher auf das Tor bringen, ein bisschen mehr Zug entwickeln, konsequenter im Abschluss werden." Die allgemeine Annahme, wonach die Offensive Spiele, die Defensive aber Meisterschaften gewinne, ist aktueller denn je, darf im Fall der Hamburger anders als gewöhnlich aber nicht als Mahnung zu verstärkter Abwehrarbeit verstanden werden. Besonders heute ist am Millerntor die Offensive gefragt, um die Hintermannschaft des KSC auszuhebeln. Fakt bleibt: Wer Spiele gewinnen will, muss Tore erzielen. "An mir soll es jedenfalls nicht liegen", sagt Schubert gut gelaunt, "und von mir aus können die Jungs auch ruhig mehr als einen Treffer erzielen. Toreschießen ist nicht verboten, sondern erwünscht."

Bleibt nur die Frage, wer die Möglichkeit dazu bekommt. Petar Sliskovic überzeugte als einzige Sturmspitze in München, dürfte aber der erwarteten gegnerischen Ausrichtung zum Opfer fallen. "Gegen den KSC könnte es schon sein, dass die Räume etwas enger sind als zuletzt in München. Aber auch da haben wir mit Mahir Saglik und Deniz Naki sehr gute Fußballer für den Angriff. Wir werden jedenfalls nicht wieder ohne Stürmer spielen, da kann ich alle beruhigen", so Schubert, der zudem Marius Ebbers heute erstmals nach fünfwöchiger Verletzungspause für den Kader nominieren wird. Sliskovic, Saglik, Naki und Ebbers auf der Jagd nach dem ersten Stürmertor des Jahres.

Ein Thema, für das sich Carlos Zambrano nicht interessiert. "Im Fokus steht das große Ziel, der Aufstieg in die Bundesliga", sagt der Innenverteidiger und unterstreicht damit ungewollt noch einmal den Zusammenhang zwischen Saisonergebnissen und der Defensive, die bei St. Pauli mittlerweile aber auch Spiele entscheidet. Die Torschützenliste 2012 wird angeführt von Boll und Außenverteidiger Sebastian Schachten mit jeweils zwei Treffern. Im Hinspiel beim Karlsruher SC siegte St. Pauli übrigens an einem Montagabend (mit zwei) zu null. Der Führungstreffer gelang Florian Bruns - mit einem direkt verwandelten Freistoß ...