Ein Fehler von Funk kostet die Hamburger beim 1:1 bei 1860 München kurz vor Schluss den möglichen Sieg. Bruns trifft mit einem Foulelfmeter.

München. Sebastian Schachten konnte es noch weit nach dem Schlusspfiff nicht fassen. "Dat is dat Schlimmste überhaupt. Draußen zu sitzen und in der 88. Minute zuzusehen, wie du noch so ein Ding reinkriegst", sagte St. Paulis Außenverteidiger, der die Schlussphase von der Bank verfolgt hatte, in seiner westfälischen Mundart. Das angesprochene Ding, es war der Ausgleich der Münchner zum 1:1. Sturmjuwel Kevin Volland nutzte die Unentschlossenheit Patrick Funks, der den Ball nicht entschieden aus dem Strafraum drosch und dem 19-Jährigen die Möglichkeit zum späten Remis eröffnete. Ärgerlich, unnötig. Nach neun vergeblichen Versuchen war der erste Sieg der Vereinsgeschichte bei den Löwen greifbar nah. Doch am Ende zeigte die braune Kappe von Trainer André Schubert beim Gang auf den Platz in Richtung Rasen statt gen Himmel. Die ersten Emotionen ließen die Blicke nach unten richten.

Und dennoch sollte dieses Unentschieden mit etwas Abstand Zuversicht geben, denn die Aufgabe bei den seit acht Spielen ungeschlagenen und in der Rückrunde bis dato ausschließlich siegreichen Münchnern war auch psychologisch eine überaus knifflige gewesen. Die Konkurrenten im Aufstiegslotto mit sechs richtigen Vertretern waren am Wochenende alle in Vorleistung getreten: Fürth, Paderborn, Düsseldorf und Eintracht Frankfurt konnten Siege ohne Gegentor verbuchen.

+++ Sliskovic bekennt Farbe, Zambrano verdient die Goldmedaille +++

Zwar hatten Schubert und seine Mannschaft mögliche negative Auswirkungen ausgeschlossen, doch die Hamburger begannen in der mit 31 600 Zuschauern zur Hälfte gefüllten Allianz-Arena überaus zurückhaltend. Der mehrheitliche Ballbesitz in der ersten Halbzeit war vor allem dem fehlenden Mut im Offensivspiel geschuldet. Zu oft wurde der Ball quer oder rückwärts durch die eigenen Reihen gespielt. Nach zwei Partien ohne echten Angreifer besetzte Schubert mit Petar Sliskovic zwar wieder das verwaiste Sturmzentrum, doch sein großes Engagement verpuffte zunächst als wertloses Fleißkärtchen, da zu selten der Pass in die Tiefe gesucht wurde. Der TSV 1860 München dagegen agierte druckvoll, schnell, zielstrebiger - und gefährlicher. In der 14. Minute krachte ein 25-Meter-Geschoss von Rukavina ans Lattenkreuz, während St. Paulis erster Torschuss in der 24. Minute von höhnischem Applaus der Löwen-Fans begleitet ins Toraus hoppelte. Moritz Volz hatte es ebenfalls aus 25 Metern versucht. Gegensätze mit Symbolkraft, die den Spielstand nicht entscheidend beeinflussen konnten.

Umso glücklicher die Führung der Schubert-Elf. Sliskovic hatte einen langen Pass von Max Kruse ersprintet, bewies Durchsetzungsvermögen und wurde im Strafraum von Bülow gefoult. Den Strafstoß verwandelte Ersatzkapitän Florian Bruns platziert im linken unteren Toreck zum 1:0. Der fünfte Treffer 2012 für St. Pauli - das fünfte Tor infolge einer Standardsituation. Die Hamburger trotzten der Statistik, dem starken Gegner und der personellen Situation. Nach Marius Ebbers (Trainingsrückstand) und dem gesperrten Fabian Boll hatte sich am Spieltag auch Fin Bartels mit einem grippalen Infekt geschwächt abgemeldet. Eine prominente Ausfallliste, die kurz vor dem Pausenpfiff verlängert wurde: Schachten musste mit muskulären Problemen passen.

St. Pauli präsentierte sich dennoch als funktionierendes, weil kompaktes, defensivstarkes, klug und diszipliniert verschiebendes Gebilde. Das Rezept der vergangenen Wochen schien erneut aufzugehen, die Zeit ohne Gegentor auf 342 Minuten ausgedehnt werden zu können. Doch es wurden eben nur 340. "Trotzdem war es ein sehr, sehr gutes Spiel", sagte Schubert später und richtete noch vor der Abfahrt ins Teamhotel den Blick nach vorn: "Wir werden uns kurz schütteln und zuversichtlich die kommenden Aufgaben angehen. Wenn wir diese Leistung wiederholen, haben wir eine gute Möglichkeit regelmäßig zu punkten." Positives zum Ausklang des Abends und auf den zweiten Blick auch in der Statistik. Zwar wurde der erste Sieg bei den "Blauen" verpasst, doch selbst einen Punktgewinn hatte es hier in der langen Vereinsgeschichte noch nie gegeben. Und der könnte am Ende angesichts der Tabellenkonstellation viel wert sein.