Die Verpflichtung von England-Legionär Moritz Volz passt zur Philosophie des FC St. Pauli, birgt aber auch Risiken für den Kiez-Klub.

Hamburg. Der Torjubel war zu Beginn der vergangenen Saison ein großes Thema beim FC St. Pauli. Die Mannschaft hatte sich einige Choreographien ausgedacht, um ihre Treffer auf besondere Art und Weise zu zelebrieren, mal als Band mit Sänger, Schlagzeuger und Gitarrist, mal mit dem Ball als Bombe, die alle Beteiligten umhaut. Moritz Volz wird das freuen. Der 27-Jährige wird die Bundesligamannschaft des FC St. Pauli in der nächsten Saison verstärken - in erster Linie als Spieler auf dem Platz, womöglich aber auch als Choreograph des Jubels. Selbst hat er damit zwar nicht so viel Erfahrung - als torgefährlich gilt der Außenverteidiger nicht gerade -, dafür hat der gebürtige Siegener vor drei Jahren, nachdem er das 15 000. Tor der Premier League erzielt hatte, einen Freund als Jubelcoach engagiert. Ihm war aufgefallen, dass er nach seinen seltenen Toren immer die Zunge raushängen ließ, über den Platz sprintete und irgendwann einfach umfiel. Volz gefiel sich selbst nicht beim Jubeln. In dieser Hinsicht kann er bei seinem neuen Klub sicher noch etwas dazu lernen.

Mit der Verpflichtung des England-Legionärs bleibt der FC St. Pauli seiner Transferpolitik treu. Volz ist ehemaliger Juniorennationalspieler, saß 2004 sogar einmal bei einem A-Nationalspiel auf der Bank. Er ist Deutscher, wenn auch - nach elf Jahren auf der Insel - stark britisch geprägt. Er ist ablösefrei, im besten Alter, er kennt mit Matthias Lehmann und Ralph Gunesch zwei St.-Pauli-Spieler aus der Jugend, und er ist offen, natürlich und gilt als jemand, der gerne Späße macht und sich selbst nicht zu ernst nimmt. "St. Pauli ist ein positiver Klub, ich bin ein positiver Mensch. Ich glaube, als Typ passe ich gut hierher", sagt Volz, der neben dem Fußball vielfältig interessiert ist. In England setzte er sich für soziale Projekte ein, er arbeitet für die BBC als Radioreporter und schreibt regelmäßig Kolumnen in der "Times". Sein größtes Hobby ist sein Klapprad, mit dem er ständig in den Straßen Fulhams unterwegs war. Und er kocht gerne. Manchmal backt er vor den Spielen Kuchen, als Konzentrationsübung. Sein Wunsch, jetzt, da er nach Hamburg kommt: in der Kochsendung von Markus Lanz auftreten und ein "British Roastbeef" auf den Teller zaubern. "Für mich ist es sehr wichtig, mich mit anderen Dingen zu befassen, Sachen zu unternehmen, die nichts mit Fußball zu tun haben", sagt er.

Dazu hatte er vor allem im letzten Jahr viel Gelegenheit. Volz hat eine lange Leidenszeit hinter sich. Nach seiner Ausbildung beim FC Arsenal, wo er sich nicht durchsetzen konnte, und seinen Engagements beim FC Wimbledon, dem FC Fulham und bei Ipswich Town stand Volz plötzlich ohne Verein da. Er musste zwei Leistenoperationen über sich ergehen lassen, hatte eine Schambeinentzündung und einen Adduktorenriss. Über ein Jahr lang konnte er kein Spiel absolvieren und musste sich bei Schalke 04 und den Queens Park Rangers fit halten. Mit seiner Verpflichtung geht der FC St. Pauli ein Risiko ein. "Es kann ein Problem sein, ein ganzes Jahr zu verpassen", weiß Volz selbst. "Ich bin froh, dass St. Pauli nicht das Risiko sieht, sondern die Chance."

Die sportmedizinische Untersuchung bestand Volz, der zunächst einen Zwei-Jahres-Vertrag erhält, mit Bravour. "Er ist ein körperlich starker Spieler, der in der Defensive flexibel einsetzbar ist. Sowohl spielerisch als auch menschlich kann er in der Mannschaft neue Impulse setzen", sagt Trainer Holger Stanislawski. Volz selbst fühlt sich auf der rechten Abwehrseite am wohlsten, er kann aber auch links oder zentral vor der Abwehr spielen. "Ich sehe mich natürlich am Liebsten in der Startelf", sagt er grinsend und fügt etwas ernster an: "Ich hatte immer den Wunsch, die Bundesliga kennen zu lernen, ich möchte hier wieder Fußball spielen und meine alte Form finden. Die Voraussetzungen dafür sind perfekt."

Einen Eindruck von der Stimmung im Stadion konnte sich Volz machen, als er das Heimspiel gegen Energie Cottbus (1:1) besuchte. "Die Atmosphäre ist beeindruckend", sagt er. Im Stadion traf er Helmut Schulte, der Volz aus dessen Jugendzeit bei Schalke 04 kennt. "Ich habe Moritz nie aus den Augen verloren. Er passt mit seiner 'Never-Give-Up'-Mentalität perfekt ans Millerntor." Und mit seiner Affinität zu besonderen Jubelchoreographien sowieso.

In England galt Volz als Spaßmacher, so können sich St. Pauli-Fans auf unterhaltsame Statements ihres neuen Defensiv-Akteurs freuen. Sogar als Sänger hat sich Volz schon einen Ruf erarbeitet: Hören Sie eine nicht ganz ernst gemeinte Arbeitsprobe von seiner Homepage.