Keine Schützenhilfe vom MSV Duisburg. Vor der heutigen Partie bei Union wächst der Druck auf St. Pauli.

Hamburg. "Berlin, Berlin. Wir fahren nach Berlin." Pünktlich um 11.32 Uhr verließ der Mannschaftsbus des FC St. Pauli am Freitagvormittag das Trainingsgelände. In der Bundeshauptstadt, wo alljährlich der deutsche Pokalsieger gekürt wird, wartet auf die Hamburger am heutigen Sonnabend im mit 19 000 Zuschauern ausverkauften Stadion Alte Försterei gegen Union Berlin (13 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) ein wichtiges Spiel im Kampf um die Bundesliga.

Fünf Partien mit Finalcharakter hatte Trainer Holger Stanislawski seiner Mannschaft vor dem 30. Spieltag für den Saisonendspurt prophezeit, die am vergangenen Montag gegen den ärgsten Konkurrenten aus Augsburg zum "Pokal-Halbfinale" ernannt. Mit dem 3:0-Sieg lösten die Hamburger ihre Aufgabe souverän, der Aufstieg ist aus eigener Kraft möglich. Und die Begegnung bei Union hätte für St. Pauli vier Wochen vor dem Endspiel zwischen Bayern München und Werder Bremen schon zum Berliner Finale werden können, wäre der gestrige Spieltagsauftakt wie gewünscht verlaufen.

"Vielleicht spielen uns die Augsburger ja in die Hände", hatte Rechtsverteidiger Carsten Rothenbach vor der Abfahrt nach Köpenick noch gehofft. Vergeblich. Im Kollektiv sahen die Spieler am Abend den 2:0-Sieg der Augsburger über den MSV Duisburg im TV. Statt den Tabellendritten auf sieben Punkte zu distanzieren und damit den Aufstieg bei einem weiteren Erfolg gegen TuS Koblenz am kommenden Freitag perfekt machen zu können, muss nun der Vier-Punkte-Vorsprung verteidigt werden. "Mir ist egal, wann und wo wir aufsteigen", sagt Holger Stanislawski, der sich seine Maxime, alles gewinnen, aber nichts verlieren zu können, bewahrt hat. "Die Zeit ist angebrochen, da alle auf die Tabelle schauen, anfangen zu rechnen und die letzten Spieltage durchspielen. Aber wir haben den zweiten Platz nicht sicher und deshalb auch noch nichts zu verlieren."

Dass mit dem auf einen Zähler geschmolzenen Vorsprung Anspannung und Druck weiter angewachsen sind, ist auch dem Trainer nicht verborgen geblieben: "Bei allen Mannschaften, für die es jetzt um den Auf- oder Abstieg geht, setzt ein Kribbeln ein. Entscheidend ist, dass wir diesen Druck positiv kanalisieren. Wir sollten uns freuen. Angst ist ein schlechter Berater. Aber wie wir damit umgehen, wird man dann erst auf dem Platz sehen..."

Union wird zum Nervenspiel.

Angesichts der besonderen mentalen Situation verkommen die aus Hamburger Sicht guten Vorzeichen zu wenig aussagekräftigen Statistik-Spielereien. Seit acht Spielen warten die Berliner bereits auf einen Sieg, im Hinspiel siegte St. Pauli locker und leicht mit 3:0, gewann zudem vier der vergangenen fünf Ligaspiele. "Vom Potenzial her sind wir die bessere Mannschaft. Aber das Spiel in Berlin wird für uns eine reine Kopfsache. Der Wille entscheidet", beschreibt Rothenbach die Ausgangslage, "der Sieg gegen Augsburg war am Montag ein Highlight. Aber wir müssen eben nun auch gegen die vermeintlich Kleinen gewinnen."

Eine Qualität, die Rothenbach und Co. bislang regelmäßig nachwiesen. Gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte gab es in dieser Saison noch keine Niederlage. Und so legte Stanislawski das Augenmerk in der Trainingsarbeit unter der Woche auf Bewährtes, schulte in einer 100-minütigen Taktikeinheit die Automatismen. "Wir sind die Laufwege noch einmal durchgegangen, um den Spielern Sicherheit zu geben", erklärt der Trainer. Nur nicht nervös werden.

Die Konkurrenz aus Augsburg nutzte die Gelegenheit nach dem 2:0, um den Hamburgern ein paar warnende Worte mit ins Wochenende zu geben: "Wenn St. Pauli bei Union Berlin nicht gewinnt, sind wir wieder ganz nah dran am zweiten Tabellenplatz", erinnerte Augsburgs Trainer Jos Luhukay.

Es gilt also Souveränität nachzuweisen und nachzuziehen. Wenn Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer um 13 Uhr anpfeift, müssen Verlustängste ausgeblendet werden. Der Unparteiische leitet am 15. Mai auch das Finale zwischen Bayern München und Werder Bremen. Es bleibt das einzige Endspiel in dieser Saison in Berlin.