Trotz 80-minütiger Überzahl kassieren die Hamburger ihre dritte Niederlage in Folge. Das Team von Trainer Holger Stanislawski sucht seine Leichtigkeit.

München. Holger Stanislawski wollte ganz nah dran sein. Mittendrin statt nur dabei. Also schnappte sich der Trainer des FC St. Pauli zu Beginn der Partie bei 1860 München seinen Stuhl und stellte ihn in der Coachingzone so nah wie möglich an den Spielfeldrand. Dem vierten Offiziellen, Dirk Wijnen aus Hannover, ging das ein wenig zu weit, und Stanislawski musste nur wenig später sein Sitzmöbel wieder in die Ausgangsposition tragen. Der Coach näherte sich fortan zu Fuß dem Geschehen. Dass er sich im Verlauf der Partie dann freiwillig abwendete, lag nicht an Wijnen, sondern an seiner schwachen Mannschaft. Diese handelte sich durch das 1:2 trotz mehr als 80-minütiger Überzahl (!) die dritte Pleite in Folge ein und musste einen weiteren Rückschlag im Aufstiegsrennen hinnehmen.

"Wir haben verdient verloren", konstatierte ein deprimiert wirkender Stanislawski nach der Partie, in der es seiner Mannschaft vor allem an Ideen gefehlt hatte. Dabei hatte St. Paulis Coach schon vor dem Auftritt in der Allianz-Arena mit einem großen Stühlerücken versucht, nach den Pleiten gegen Kaiserslautern und Bielefeld neue, teils überraschende Impulse zu setzen - sich damit im Löwenkäfig aber einen Bärendienst erwiesen.

Timo Schultz lief neben Florian Bruns im offensiven Mittelfeld auf, Charles Takyi dafür mit Florian Boll auf der "Doppel-Sechs", Richard Sukuta-Pasu agierte neben Marius Ebbers im Angriff. Eine Konstellation, die es so wohl nicht wieder geben wird. Er habe damit "einen guten Ball" spielen wollen, erklärte Stanislawski ein wenig lapidar. Gelungen war das auf dem Rasen selten.

"Wir haben es bis auf die Viertelstunde vor und nach der Pause nicht geschafft, München so unter Druck zu setzen, dass ein Tor für uns wahrscheinlich wird", meinte St. Paulis Sportchef Helmut Schulte. "Das ist enttäuschend." Stanislawski kam derweil zu dem Schluss, dass die Rote Karte für Münchens Pappas nach einem groben Foul gegen Fabian Boll (8.) seinem Team eher geschadet als genützt habe. Man habe dann zu schnell zu viel gewollt. St. Pauli hatte sich vorgenommen offensiv, frisch und selbstbewusst zu agieren, doch nachdem Aigner in Unterzahl zur Führung für 1860 getroffen hatte (21.), waren die Kiezkicker gezwungen das Spiel zu machen - und scheiterten. "Wir müssen zu unserer Leichtigkeit zurückfinden", meinte Stanislawski. Torjäger Marius Ebbers vermisste ein wenig die Konzentration und angesichts zweier Pfostentreffer auch das nötige Glück.

Ebbers hatte St. Pauli mit seinem 13. Saisontreffer zurück ins Spiel gebracht (51.) und damit die fast 370-minütige Torflaute der Kiezkicker beendet, doch sechs Minuten später stellte Aigner den alten Abstand wieder her. "Wir haben uns einfach dämlich angestellt", sagte Ebbers, der ob der Ausbeute von nur einem Punkt aus den vergangen vier Spielen seinem Team die Berechtigung absprach, ganz oben in der Tabelle zu stehen. Das unausgesprochene Ziel, das sein Trainer so gerne von sich weist. "Wir haben bislang nie zum 9. Mai geschaut. Es steht außerdem immer noch das Erfüllen des Ziels aus, uns gegenüber der vergangenen Saison zu verbessern."

Dafür fehlen weiterhin zwei Punkte. Diese sollen nun am Sonntag gegen Rot-Weiß Oberhausen eingefahren werden. "Da wollen wir den Bock umstoßen", sagte Schulte. Das hatte sich St. Pauli allerdings auch schon gegen 1860 vorgenommen. Seine Jungs hätten sich zuletzt ein wenig ausgeruht, hatte Stanislawski augenzwinkernd erklärt. "Die sparen sich die Körner auf, um am Ende alles wegzubomben." So langsam sollten sie damit beginnen. Sonst ist man am Ende zwar nah dran, aber eben nicht dabei in Liga eins.

München: Kiraly - Rukavina, Felhi, Ghvinianidze, Kaiser - Stahl, Ignjovski - Aigner (71. Hoffmann), Pappas - Rakic (71. Mlapa), Rösler (89. Biancucchi).

St. Pauli: Hain - Kalla, Thorandt, Gunesch, Oczipka - Boll, Takyi (74. Sako) - Schultz (38. Naki), Bruns (59. Kruse) - Ebbers, Sukuta-Pasu.

Tore: 1:0 Aigner (23.), 1:1 Ebbers (51.), 2:1 Aigner (57.).

Schiedsrichter: Gräfe (Berlin). Zuschauer: 27 700. Gelb: Ignjovski, Hoffmann - Schultz, Kalla, Boll. Rot: Pappas (8./grobes Foulspiel).