Der Kanadier kam vor dreieinhalb Jahren zum FC St. Pauli. Er war auf dem Abstellgleis, kämpfte sich zurück ins Team - und will bleiben.

Hamburg. Sein Name erinnert irgendwie an Wein. Beaulieu-Bourgault klingt wie Beaujolais oder Bordeaux. Und beide - guter Wein und Jonathan Beaulieu-Bourgault - brauch(t)en Zeit.

Im Sommer 2006 kam der Kanadier mit 17 Jahren zum FC St. Pauli, zog ins Jugendtalenthaus des Vereins in Schnelsen ein und galt als hoffnungsvolles Talent. Doch seine Entwicklung geriet ins Stocken. 2008 wurde er für zwölf Monate in die Regionalliga verliehen, um beim SV Wilhelmshaven jene Spielpraxis zu sammeln, die er bei St. Pauli weder in der Regionalliga noch in der Zweiten Liga erhalten hatte. 351 Einsatzminuten in zwei Jahren waren zu wenig. Als er nun zu Saisonbeginn zurückkehrte, stand er vor seiner letzten Chance. Und die schien schnell verspielt. "Ich hatte mir in Wilhelmshaven eine Knieverletzung zugezogen und konnte in den ersten sechs Wochen der Vorbereitung nicht richtig trainieren", erinnert sich der heute 21-Jährige zurück. St. Pauli schien für ihn zur Sackgasse zu werden. Dem Mittelfeldspieler wurde mitgeteilt, dass man ihm keine Steine in den Weg legen würde, sollte er einen neuen Klub präsentieren.

Man muss diese Ausgangslage kennen, um nachvollziehen zu können, weshalb Holger Stanislawski am Freitag in der 87. Minute des Duisburg-Spiels flehentlich Blick und Hände gen Himmel richtete. Drei Minuten vor Abpfiff war Bourgault aus kurzer Distanz an MSV-Torwart Starke gescheitert und hatte das 3:0 verpasst. Der erste Pflichtspieltreffer hätte das I-Tüpfelchen auf seiner jüngsten Entwicklung bedeutet. "Das wäre das erste Mal gewesen, dass ich als Trainer auf den Platz gelaufen wäre, um direkt mit dem Torschützen zu feiern", sagt Stanislawski. Anders als Louis van Gaal, der beim FC Bayern vor Torschützen flüchten muss, wäre der Trainer zum Jäger geworden: "Ich hätte es ihm so sehr gegönnt."

Einfangen muss er Bourgault allerdings nicht. Mit stoischer Ruhe erklärt der Blondschopf, wie er den Weg zurück schaffte. "Natürlich ist es hart, wenn du nicht spielst, wenn dein Name bei der Bekanntgabe des Kaders nicht fällt. Aber wichtig ist, dass du immer positiv bleibst. Ich habe immer an mich geglaubt. Training bringt Spaß, und Spaß ist Fußball", sagt der schmächtige Frankokanadier, der trotz regelmäßiger Nichtbeachtung Extraschichten, vornehmlich im Kraftraum, schob. Nun zahlen sich die Überstunden aus, und Bourgault dient der gewachsenen Schar der allwöchentlich nicht berücksichtigten Profis als Vorbild. Trotz des im Winter noch einmal gestiegenen Konkurrenzkampfs hat er sich seinen Platz erobert. Bei allen drei Rückrundenpartien saß er auf der Bank, wurde zuletzt zweimal eingewechselt.

Gerade noch rechtzeitig scheint das Talent die Kurve gekriegt zu haben, sein Vertrag läuft aus. "Er hat sich prächtig entwickelt, hervorragend trainiert", lobt Stanislawski, "und wir wollen hier kontinuierlich arbeiten. Mal schauen, ob wir alle unter einen Hut bekommen."

Bourgault will sich weiterhin für eine Verlängerung des Vertrags empfehlen, im Idealfall den Weg in die Bundesliga mitgehen. "Wer will nicht bei so einem Verein und so einer Sache dabei bleiben. Die Fans, das Millerntor, das Flair. Hier zu sein, ist etwas ganz Besonderes", sagt er und wirkt nur noch äußerlich wie der 17-jährige "Jonno" von einst. "Man muss Jungs wie ihm Zeit geben zu wachsen und zu reifen", weiß Stanislawski. Bourgault könnte ein guter Jahrgang werden.