Der eingewechselte Naki erlöst die Hamburger gegen starke Villinger, die trotzdem ihr gelungenes Fußballfest feiern.

Villingen-Schwenningen. Am Ende eines denkwürdigen Nachmittags standen die 8300 Zuschauer im Friedengrundstadion geschlossen auf und spendeten ihren abgekämpften Helden ein letztes Mal Beifall. "Villingen, Villingen", skandierten selbst die knapp 1000 mitgereisten Fans aus Hamburg, die ihre eigene Mannschaft zuvor im Spiel lautstark zum Kämpfen aufgefordert hatten. Die Marschkapelle Krawazi Ramblers spielte noch einmal mit Pauken und Trompeten zu Ehren der auf dem Rasen liegenden Amateurfußballer, die sich erst nach 120 Minuten dem FC St. Pauli mit 0:2 geschlagen geben mussten. Ein dreifaches Uftata und Tötörö für den FC Villingen 08! "Kompliment an unsere Gegner. Die haben uns das Leben sehr viel schwerer gemacht, als wir es erwartet hatten. Wir sind nur mit großem Glück weitergekommen", zollte auch St. Paulis Sportchef Helmut Schulte dem zuvor bravourös kämpfenden Fünftligisten aus der Oberliga Baden-Württemberg Respekt. Tötörö!

Dass der Pokal auch am südlichsten Zipfel von Deutschland seine eigenen Gesetze hat, mussten die Hamburger besonders in der ersten Halbzeit schmerzvoll erfahren. Die aus Schülern, Studenten und Arbeitern zusammengewürfelte Mannschaft von Trainer Reiner Scheu - im Hauptberuf Gymnasiallehrer für die Fächer Sport und Mathematik - verblüffte die drei Klassen höher spielenden Profis aus dem hohen Norden mit begeistertem Offensivfußball, der erst durch zwei Treffer (105. und 120.) des eingewechselten Deniz Naki in der Verlängerung gestoppt wurde. "Wir können stolz auf unsere Leistung sein. Wir wollten unserem Publikum eine gute Partie liefern, das ist uns ganz gut gelungen", sagte Lehramtsstudent Christian Jeske, der das Spiel trotz der Niederlage als einen "Höhepunkt meiner Karriere" bezeichnete.

Bereits vor dem im Stadionheft als "Spiel der Spiele" angekündigten Aufeinandertreffen hatte sich in ganz Villingen das Pokalfieber ausgebreitet. So wurde eigens für die Partie eine Fallschirmstaffel organisiert, die den Spielball kurz vor dem Anpfiff ins Stadion einfliegen sollte. Ein Plan, der aufgrund einer falschen Beschriftung der Fallschirme dann aber doch kurzfristig abgesagt werden musste. In die Tat umgesetzt wurde dagegen das Vorhaben von fünf im Ort ansässigen Bäckern, die aus aktuellem Anlass ein eigenes 08-Brot kreierten, von dessen Verkauf jeweils 30 Cent dem Traditionsverein zufließen sollen. Geld, das der klamme Amateurklub bestens gebrauchen kann. So konnte der noch vor wenigen Monaten kurz vor der Pleite stehende Verein den Konkurs nur dank der Einnahmen aus dem DFB-Pokal-Spiel abwenden. Rund 125 000 Euro - die Hälfte des aktuellen Saisonetats - erhält der Klub aus dem Schwarzwald, den noch 500 000 Euro Schulden drücken.

An die Verbindlichkeiten oder die verpasste Chance wollte nach dem Schlusspfiff aber zunächst niemand mehr denken. Zu groß war die Freude darüber, dass man - ähnlich wie der VfB Lübeck, der bereits am Freitag Erstligaklub Mainz 05 durch einen 2:1-Sieg aus dem Pokal befördert hatte - kurz vor der Sensation stand. "Es war ein tolles Fußballfest. Alle Villinger können stolz sein", sagte Trainer Scheu, der Stanislawski noch eine Vereinschronik "zum Schmökern" überreichte. Das Kapitel über den Pokalauftritt soll in Kürze in einer überarbeiteten Version hinzugefügt werden. Uftata und Tötörö!

Villingen: Miletic - Maus, Bea, D'Incau, Ketterer - Scheu (77. Benedikt), Maric, Weißhaar, Jeske (118. M'Bela) - Rudy (86. German), Klotz.

FC St. Pauli: Hain - Rothenbach, Morena, Thorandt, Drobo-Ampem - Boll, Lehmann - Takyi, Kruse (65. Naki) - Hennings (81. Pichinot), Bruns.

Tore: 0:1 Naki (105.), 0:2 Naki (120.). Gelbe Karten: Maus - Boll, Morena. Schiedsrichter: Leicher (Weihmichl). Zuschauer: 8300.