St. Paulis Stadionchefs Wolfgang Helbing und Torsten Vierkant über die neue Gegengerade, alte Probleme und elektronische Einlasskontrollen

Hamburg. So langsam nimmt sie Gestalt an. Nach dem Abriss der alten Gegengeraden am 7. Mai stehen die ersten Betonträger der neuen Tribüne am Millerntor. Die Realisierung wird - wieder einmal - ein Wettlauf gegen die Zeit. Torsten Vierkant und Wolfgang Helbing, aufseiten des FC St. Pauli mit der Planung und Durchführung betraut, bleiben jedoch gelassen und nahmen sich Zeit für ein Gespräch mit dem Abendblatt. Der Stadionprojektleiter und der Geschäftsführer der Millerntor-Stadionbetriebs GmbH über Zeitdruck, Schlaflosigkeit, die Welle und den Millerntor-Roarr.

Hamburger Abendblatt: Herr Helbing, Herr Vierkant, mit welchen Gefühlen haben Sie am letzten Spieltag das Ergebnis aus Düsseldorf registriert?

Wolfgang Helbing: Sie meinen, weil wir deshalb nicht die Relegationsspiele austragen mussten.

Ja. Wie froh waren Sie, als feststand, dass St. Pauli die Relegation nicht spielt?

Helbing: Es wäre darauf angekommen, wie die Relegation ausgegangen wäre. Wenn wir sie erfolgreich gespielt hätten, wären wir froh gewesen. Relegation und verlieren wäre für uns und den Bau aber die Höchststrafe gewesen. Wir hätten zwei Wochen verloren.

Wie sieht der Plan jetzt aus?

Torsten Vierkant: Wir versuchen noch darauf hinzuwirken, dass wir die ersten beiden Saisonspiele nicht zu Hause spielen. Zum ersten Heimspiel am dritten Spieltag sollen dann mindestens 7000 Zuschauer zugelassen werden. Hätten wir eine Relegation verloren, hätten wir zwei Heimspiele ohne Zuschauer gehabt. Das wäre zum einen natürlich ein erheblicher Einnahmeverlust gewesen, auf der anderen Seite hätten viele Fans die Spiele aus Kapazitätsgründen nicht sehen können.

Wie gehen Sie mit dem Druck um, rechtzeitig fertig zu werden?

Vierkant : Versuchen, früh ins Bett zu gehen. Spätestens um drei Uhr bin ich wieder wach. Zusätzlich habe ich eine geprellte Rippe und wenn ich mich umdrehe und wach werde, dann schlafe ich auch nicht mehr ein, dann denke ich nur noch an die Baustelle.

Helbing: Der eigentliche Bau ist natürlich komplett durchgeplant, aber ein paar kleine Unwägbarkeiten gibt es immer. Letztendlich waren die Problematik und der Druck bei der Haupttribüne genau gleich. Man muss ruhig bleiben und darf sich nicht verrückt machen lassen.

Was ist die größte Herausforderung?

Helbing : Wir haben mit Generalunternehmer Hellmich zusammen planerisch alles getan, was möglich war. Die größte Herausforderung ist wie immer der Innenausbau: wenn der Rohbau steht, noch die Toiletten fertig zu kriegen und die Kioske. Auch da kann man noch improvisieren, aber das wird richtig spannend. Sorgen mache ich mir aber nicht. Das würde mich lähmen.

Ist auch Wehmut dabei, wenn Sie an die alte Gegengerade denken?

Helbing: Nein, bei mir ist es nur Freude, dass da etwas Neues hinkommt. Dafür haben wir viel zu viele Probleme gehabt, die alte Tribüne am Leben zu halten. Nicht die Tribüne an sich, aber die Toilettensituation war chaotisch, die Stromversorgung. Nostalgie ist schön, aber ich weiß nicht, warum man sich nicht auf die neue Tribüne, die durch den großen Stehplatzbereich viel beeindruckender sein wird, freuen sollte.

Bleibt irgendetwas von der alten Tribüne erhalten?

Vierkant : Wir haben nach dem letzten Spiel vieles gerettet. Zum Beispiel auch das alte Kamerahäuschen, das oben auf dem Dach stand. Das ist zwar ein bisschen morsch, aber wir werden das aufarbeiten und vielleicht irgendwo wieder hinstellen. Einige der alten Schilder sollen auch wieder integriert werden.

Was wird die Tribüne auszeichnen?

Helbing: Unabhängig davon, wie es auf der Tribüne aussieht, glaube ich, dass es auch von außen richtig gut aussehen wird. Wir machen ja weiter mit den entsprechenden Backsteinen, das finde ich sehr schön, darauf freue ich mich.

Wird drinnen der Millerntor-Roar neu aufblühen?

Vierkant: Das kommt von alleine. Da sind 13.000 Menschen auf der Tribüne, und dadurch, dass die Dächer der Gegengerade und der Südtribüne aneinanderstoßen, drückt die Akustik in die Haupttribüne und schallt wieder zurück. Schon das Dach der Haupttribüne hatte da einiges bewirkt. Das wird extrem laut!

Wird sich auch der Charakter der Leute ändern, die auf die Tribüne kommen?

Vierkant: Ich glaube nicht, dass wir jetzt einen Haufen Schönwetterfans dazukriegen, die kurz vor Ende, wenn wir 0:2 hinten liegen, nach Hause gehen. Es werden natürlich neue Leute dazukommen. Aber selbst wenn die zuvor noch nie hier waren, wird der St.-Pauli-Virus sie infizieren.

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als die Diskussionen über die Welle geführt wurden?

Vierkant: Es wurde immer kolportiert, dass wir beide dagegen waren. Das ist nicht richtig. Wir haben nur die Nachteile aufgezeigt und dazu sind wir als Angestellte des Vereins verpflichtet. Da kann sich ein Architekt noch so feiern lassen, aber wenn die Betriebskosten exorbitant hoch sind, müssen wir das kritisch anmerken.

Helbing: Für uns war es eine schwierige Zeit, weil sich in der öffentlichen Diskussion niemand den Sachproblemen zugewendet hat. In der Öffentlichkeit wurde behauptet, es gäbe keine Probleme. Das stimmte so aber nicht. Wir hatten es bei der Welle immer mit Mehrkosten in Millionenhöhe zu tun. Wir hatten bis zum Schluss ungeklärte Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit Statik und Schwingungsverhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klärung die Kosten noch mehr in die Höhe getrieben hätte, war sehr groß.

Hamburg hat leidliche Erfahrungen mit explodierenden Baukosten. Wie wollen Sie das verhindern?

Helbing: Das ist kein großes Geheimnis. Wir haben im Vorfeld enorm viel Aufwand in die Planung gesteckt. Je mehr man das macht, desto weniger kann dir nachher passieren. Wir können uns auch nichts anderes leisten. Denn die anderen Szenarien sind nicht so toll: Entweder wir kriegen das Bauwerk nicht fertig, oder wir sind pleite.

Vierkant: So ist es. Wir versuchen mit jedem zu sprechen, der irgendetwas mit dieser Tribüne zu tun hat. Ob es die Polizei ist, Leute der Fanräume oder der Caterer. In der Tribüne werden neun Kioske sein. Der braucht da einiges. Da ist schon Alarm.

Helbing: Das hat aber auch was mit Erfahrung zu tun. Wir haben schon ein paar Kioske gebaut ...

Gibt es elektronische Einlasskontrollen?

Vierkant: Die Entscheidung dazu ist - soweit ich weiß - noch nicht getroffen, aber wir bereiten alles so vor, dass wir das System nutzen könnten.

Nur auf der Gegengeraden?

Helbing: Wenn, dann würde es überall kommen. Das ist ein mobiles System.

Sie, Herr Helbing, kümmern sich nach der Trennung von Sportchef Helmut Schulte auch noch um den Umbau des Trainingsgeländes an der Kollaustraße.

Helbing: Ja. Leider gab es keine Übergabe. Das Problem dort ist, dass der Architekt die Gewerke an verschiedene Leute vergibt. Es gibt keinen Generalunternehmer. Aber ich werde darauf achten, dass das alles zusammenpasst.