André Schubert glückt bei seiner Vorstellung als neuer Trainer des FC St. Pauli ein vielversprechender Auftakt. Er hat klare Ziele.

Hamburg. Er nahm gerade die letzten Stufen von der Südtribüne hinab in den Innenraum des Millerntor-Stadions, und die letzten Klicks der 20 zuvor minutenlang auf ihn gerichteten Fotokameras klangen ihm noch in den Ohren, als es André Schubert kurz durchzuckte. Den 39-Jährigen hatte ein fester Schlag auf die Schulter überrascht. Ein Angriff, der - das verriet der Blick in das Gesicht des umgehend als Täter ausgemachten Helmut Schulte - als Respektsbeweis zu verstehen war. Der Sportchef des FC St. Pauli grinste und klopfte seinem neuen Trainer noch einmal auf den Rücken: Gut gemacht!

Schubert hatte sich die Geste verdient, nachdem er gestern unter den aufmerksamen Augenpaaren von etwa 70 Medienvertretern im voll besetzten Pressekonferenzraum fleißig Hände geschüttelt, Fotos gemacht und den Fragen der Journalisten Rede und Antwort gestanden hatte. Sympathisch, charismatisch, eloquent und kompetent - Schubert meisterte seine erste Aufgabe 27 Tage vor dem Trainingsstart mit Bravour. "Moin, moin!", klang es freundlich aus den Lautsprechern, nachdem der Kasseler in grauer Zip-Strickjacke, Blue Jeans und schwarzen Sneakern auf dem Podium, umrahmt von Co-Trainer Jan-Moritz Lichte, 31, Teammanager Christian Bönig sowie Schulte und Präsident Stefan Orth ans Mikrofon gerückt war: "Ein ähnliches Medienaufkommen wie in Paderborn", sagte er beim Blick ins Plenum, "allerdings nur, wenn der Erzbischof und die Bundeskanzlerin gemeinsam da sind." Dröge? Mundfaul? Humorlos? Gleich mit seinen ersten Sätzen widerlegte er derlei Attribute, die ihm von einigen Wegbegleitern nachgesagt worden waren. Das Großaufgebot schien ihn bei aller Authentizität eher herauszufordern als abzuschrecken: "Mir war durchaus klar, dass es größere Städte als Paderborn gibt. Aber natürlich ist das Ausmaß hier etwas ganz Besonderes für mich. Ich freue mich auf einen außergewöhnlichen Verein mit außergewöhnlichen Fans, die bewusst gegen den Strom schwimmen und eine Meinung haben."

Schubert, das wurde bereits gestern deutlich, beherrscht das Spiel mit den Medien und thematisierte auch den unausweichlichen Vergleich mit seinem Vorgänger Holger Stanislawski ungefragt und mit dem zumindest gestern für ihn typischen schelmischen Grinsen: "Ich trage das Haar etwas moderner und offener als er. Es wird bei mir frisurentechnisch nicht viel mehr möglich sein. Was das betrifft, werde ich scheitern. Bei allen anderen Dingen aber haben wir eine gute Basis." Charme und Schlagfertigkeit, die auch die Verantwortlichen früh überzeugte. Vor allem aber sind es die "anderen Dinge", die Schubert im Verein mit einer Extraportion Vorschusslorbeeren starten lassen. "Wir haben ein hochmotiviertes, bestens ausgebildetes und menschlich einwandfreies Trainerteam", jubilierte Orth, und Schulte fügte bereits an, mit dem Duo, zu dem nach Abendblatt-Informationen noch Mathias Hain als Torwarttrainer stoßen wird, deutlich länger als die vertraglich fixierten zwei Jahre zusammenarbeiten zu wollen. Schubert und Lichte haben sich in der Branche einen Ruf erarbeitet, der auf Fleiß, Prinzipientreue und Nachhaltigkeit fußt. Dass Pressesprecher Bönig in seiner Begrüßung vollmundig "ein neues Zeitalter" ankündigte, war durchaus so gemeint.

Dass dieses tatsächlich nur dann in die Vereinschronik Einzug finden wird, wenn sich der nötige Erfolg einstellt, ist dabei allen klar. Und so will Schubert sofort wieder "oben mitspielen". Auf seiner letzten Station, beim SC Paderborn, gelang ihm 2009 der Aufstieg in die Zweite Liga, die er trotz bescheidener finanzieller Voraussetzungen zweimal vorzeitig sichern konnte. "Wir werden mit Vollgas in die Zweite Liga starten und die Herausforderung annehmen", sagt er und steckt sich hohe Ziele: "Ein Verein wie St. Pauli muss immer den Aufstieg in die Bundesliga angreifen, auch wenn es Vereine gibt, die andere Möglichkeiten haben. In dem Haifischbecken Zweite Liga wollen wir der Schwarm Piranhas sein, die die Großen immer mal beißen."

Offensiv wolle er spielen lassen, spielbestimmend sein und die eigene Elf unabhängig vom Gegner ausrichten, dazu Spaß und Freude vermitteln. Als Person ist ihm das gestern bereits gelungen. Schubert brauchte sich die Ärmel nicht noch symbolisch hochzukrempeln, die Stimmung war gestern greifbar. Die Lethargie der vergangenen Wochen dürfte schnell weggeblasen sein, wenn ihm die gleiche Ansprache bei seinen Spielern gelingt. Die nennt er übrigens "Jungs", genau wie sein Vorgänger, der sich vor fünf Wochen an gleicher Stelle mit einem "Tschüs" verabschiedete. Schubert blieb mit seinem "Moin, moin!" in dem vorgegebenen Duktus, sich ansonsten aber lieber selbst als Stanislawski treu: "Hoffenheim ist weit weg. Das müsste ja so ein langer Schatten sein, so hell kann die Sonne gar nicht scheinen."