Eine Halbzeit lang musste der FC St. Pauli zittern, doch vier Tore in der zweiten Hälfte sichern das 4:1 in Fürth - und den Aufstieg in die Bundesliga

Fürth. Es lief die 73. Spielminute. Die Ersatzspieler liefen im Kollektiv zu Torwart Benedikt Pliquett, während auf der gegenüberliegenden Seite die zehn Feldspieler mit den Fans feierten. Trainer Holger Stanislawski entledigte sich an der Seitenlinie seiner Jacke und umarmte mit einem dicken roten Filzstift zwischen seinen Lippen jeden, der ihm aus dem Funktionsteam über den Weg lief. Die Aufstiegszigarre war gezündet, Charles Takyi hatte gegen Greuther Fürth soeben das vorentscheidende 3:1 für den FC St. Pauli erzielt, Rouwen Hennings erhöhte gar noch auf 4:1. Und um 19.17 Uhr war es dann so weit. Nach fast neunjähriger Abstinenz inklusive 48-monatiger Verbannung in der Regionalliga ist der FC St. Pauli zurück in der Bundesliga.

Mehr als 8000 Fans der Hamburger hatten sich auf den Weg in den Fürther Ronhof gemacht, darunter auch zahlreiche aus England und Schottland. "Hier gewinnt nur einer: St. Pauli und sonst keiner", skandierte der euphorisierte Anhang bereits vor dem Aufstiegsfinale, musste zunächst aber feststellen, dass den Gesängen die Grundlage fehlte. Die Mannschaft von Holger Stanislawski war zu ihrem Matchball augenscheinlich nicht angetreten. Wären die Torpfosten nicht so schmal oder hätten ihre Fans die mitgebrachten braunen und weißen Luftballons etwas größer aufgeblasen, die Spieler hätten sie wohl dankend als Versteck angenommen.

Zweikämpfe wurden in der Beobachterrolle geführt, die Verantwortung bei Ballbesitz via Alibi-Pass an den hilflosen Nebenmann weitergegeben oder per Befreiungsschlag gleich komplett abgelehnt. "Trolli Gummibonbons" stand auf einem übergroßen Werbeaufkleber, der die Auswechselbank der Hamburger von oben bedeckte. Dass es tatsächlich der zweitplatzierte Aufstiegsfavorit FC St. Pauli war, der in Fürth gastierte, daran erinnerten lange Zeit nur die braunen Trikots. "Wir haben zu verhalten angefangen", untertrieb Sportchef Helmut Schulte beim Halbzeitstand von 0:1 und entwickelte seherische Fähigkeiten: "Jetzt müssen wir das Spiel umdrehen, und genau das werden wir auch machen."

Aus Versagensangst wird Aufstiegseuphorie

Gesagt, getan! Deniz Naki, Marius Ebbers, Takyi und Hennings ebneten mit ihren Toren den Weg zum ersten Sieg beim abbauenden deutschen Meister von 1914, 1926 und 1929. Ein Erfolg, der St. Pauli bei drei Punkten Vorsprung auf den FC Augsburg und einem um 16 Treffer besseren Torverhältnis vorzeitig den fünften Aufstieg in die Bundesliga beschert. Aus Versagensangst wurden Aufstiegseuphorie und -gewissheit. Es passt zu diesem harmonischen Team, dass es die nicht für den Kader berücksichtigten Spieler waren, die die Feierlichkeiten eröffneten. Zehn Minuten vor dem Abpfiff begaben sich Dennis Daube, Ralph Gunesch, Morike Sako, Arvid Schenk, Davidson Drobo-Ampem und der unter goldener Krone und Sonnenbrille nicht nur freudentrunkene Patrik Borger auf eine Ehrenrunde durchs Stadion. Kurz darauf brachen dann alle Dämme.

Dass St. Paulis Fans mit dem Abpfiff den Rasen gestürmt hatten, realisierten die meisten Spieler erst, als ihnen auf die Schultern geklopft wurde. Sie waren mit sich selbst beschäftigt, vergossen Tränen und benötigten ein paar Sekunden für den Druckabfall. Dann gab es Umarmungen, spontane Tänze und Jubelgesänge, bis Naki die Szenerie ordnete. Der Youngster kletterte auf die "Trolli"-Bank und soufflierte fahneschwenkend die Aufstiegscharts.

"Wenn ihr so weitermacht, werden wir auch die Erste Liga rocken!", frohlockte Schulte am Stadionmikrofon, ehe die Feierlichkeiten sich langsam in die Kabine verlagerten. Betreuer Siggi Dous organisierte eine Kiste Bier und einen Karton voll Sektflaschen. Um 20.28 Uhr saßen die Spieler - noch in voller Montur und teilweise bereits mit Sonnenbrille ausgestattet - im Mannschaftsbus und entschwanden über das Etappenziel Hotel ins Nürnberger Nachtleben. "Heute wird wohl keiner sein Bett erreichen", unkte Schulte. Erstklassig: St. Pauli ist wieder erstklassig!

Fürth: Grün - Schröck, Karaslawow (31. Mauersberger), Biliskov, Rahn - Fürstner (72. Nehrig), Pekovic - Haas, Müller - Nöthe, Allagui.

St. Pauli: Hain (13. Pliquett) - Rothenbach, Morena, Thorandt, Oczipka - Boll, Lehmann - Bruns (75. Hennings), Takyi, Naki (81. Kruse) - Ebbers.

Tore: 1:0 Nöthe (37.), 1:1 Naki (51.), 1:2 Ebbers (65.), 1:3 Takyi (73.), 1:4 Hennings (88.). Schiedsrichter: Winkmann (Kerken). Zuschauer: 15 200 (ausverkauft). Gelbe Karten: Allagui - Ebbers.