Nach 0:0 gegen Kiel

HSV und die Frühlingsgefühle: Was dem Club Hoffnung macht

| Lesedauer: 7 Minuten
Der Rauch der Kieler Fans war noch nicht verzogen, als Robin Himmelmann gegen Robert Glatzels Kopfball das frühe 1:0 für den HSV verhindert. Viele Chancen sollten noch folgen.

Der Rauch der Kieler Fans war noch nicht verzogen, als Robin Himmelmann gegen Robert Glatzels Kopfball das frühe 1:0 für den HSV verhindert. Viele Chancen sollten noch folgen.

Foto: FrankPeters / WITTERS

Beim 0:0 gegen Kiel verschenken die Hamburger zwei Punkte und müssen Aufstiegsplatz zwei abgeben. Erinnerungen werden wach.

Hamburg.  Es ist schon fast zwei Jahre, dass Jonas Meffert sich aus Kiel verabschiedet hat. Und doch brauchte der Vizekapitän des HSV am Sonnabend nach dem 0:0 gegen seine früheren Holsteiner einige Minuten, ehe er alle alten Kollegen einmal umarmt hatte. Die drei Jahre, die Meffert an der Förde verbracht hatte, waren noch in seinem Kopf.

Gedanken kamen bei ihm an diesem Nachmittag aber vor allem an einen Tag in Kiel im Frühjahr 2022 auf. Es war der 10. April, als der HSV trotz 18:3 Torschüssen, 5:1 Ecken und 70 Prozent Ballbesitz bei den Schleswig-Holsteinern mit 0:1 verlor. Der Aufstieg schien endgültig abgehakt zu sein. Schließlich betrug der Rückstand auf den FC St. Pauli auf Platz drei bereits sieben Punkte – und das fünf Spieltage vor Schluss.

„Es hat mich heute sehr an das Spiel in Kiel erinnert“, sagte Meffert am Sonnabend fast ein Jahr danach. Der HSV kam trotz 22:5 Torschüssen und 17:3 Ecken über ein torloses Unentschieden nicht hinaus und musste den direkten Aufstiegsplatz an den FC Heidenheim abgeben. Anders als vor einem Jahr hat der HSV allerdings keine sieben Punkte Rückstand auf Platz drei, sondern sieben Punkte Vorsprung auf Rang vier (Düsseldorf) und acht auf Platz fünf (St. Pauli).

Das erklärte Ziel des Clubs ist jedoch der direkte Aufstieg. Und der dürfte angesichts der stabilen Konkurrenz aus Darmstadt und Heidenheim bis zum Ende hochspannend bleiben. „Jetzt fängt es an zu zählen“, sagte Stürmer Robert Glatzel. „Heidenheim spielt eine starke Saison. Es wird nicht leicht. Es sieht nicht so aus als würden sie abfallen. Wir müssen unsere Hausaufgaben machen. So wie wir gespielt haben, mache ich mir keine Sorgen.“

Glatzel vergab bereits nach drei Minuten größte Chance

Umso ärgerlicher aber sind verschenkte Punkte wie am Sonnabend. „Wir hätten noch lange weiterspielen können, der Ball wäre nicht reingegangen“, sagte Meffert. Insbesondere in den ersten 20 Minuten hatte der HSV die Kieler in der eigenen Hälfte festgedrückt und viele Bälle erobert. Bereits nach drei Minuten vergab Glatzel die größte Chance, als er eine Flanke von Moritz Heyer aus kurzer Distanz genau auf den früheren St. Paulianer Robin Himmelmann köpfte, der erneut die verletzten Tim Schreiber und Thomas Dähne im Kieler Tor vertrat.

Es sollte der Beginn der Himmelmann-Festspiele werden. Der 34-Jährige hielt gegen Glatzel (12./21./90.+1), Jatta (5./12.), Ransford Königsdörffer (6./56.), Laszlo Benes (67.) und Sebastian Schonlau (77.) alles, was es zu halten gab. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Himmelmann keinen Unhaltbaren halten musste.

Und als der Torwart in der 84. Minute nach einem Bilderbuchkonter über Andras Nemeth und Jatta vermutlich geschlagen gewesen wäre, als Benes zum Einschuss bereit stand, kam von irgendwo her Kiels Timo Becker angesprintet und schmiss sich mit einer Alles-oder-Nichts-Grätsche gerade noch so in den Ball. Eine Rettungsaktion, die seinen Trainer Marcel Rapp begeisterte. „Wir wollten alles auf dem Platz lassen. Die Szene mit Timo war sinnbildlich“, sagte Rapp.

Meffert lobt David und Schonlau

Sinnbildlich war aber auch, wie Glatzel den zweiten Ball nicht kontrollieren konnte und so eine weitere Großchance vergab. „Vielleicht hätte der Trainer den Ball heute reingebrüllt“, sagte Meffert über den am Sonnabend gesperrten Tim Walter (siehe Text unten). „Der Ball wollte nicht rein. Deswegen bin ich froh, dass wir hinten zu Null gespielt haben. Das ist ein Fortschritt. Jonas David und Sebastian Schonlau haben es überragend gemacht“, so Meffert über die Innenverteidigung.

Kapitän Schonlau hatte es nach seiner Sprunggelenksverletzung gerade noch rechtzeitig in die Startelf geschafft. Gegen den schnellen Fabian Reese retteten Schonlau (60.) und David (28.) zweimal in höchster Not. So sehr sich der HSV über das 0:0 ärgerte, so froh war er über das zweite zu-Null-Spiel in Folge im erneut ausverkauften Volksparkstadion. Dass rund um den HSV trotzdem schon wieder von einem möglichen Frühjahrseinbruch geredet wird, hat vermutlich mehr mit der Vergangenheit zu tun als mit der aktuellen Situation.

Und trotzdem kann es nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Hamburger in einer schwierigen Phase stecken. Sechs Tage nach der 2:4-Niederlage beim Karlsruher SC zeigte sich die Defensive mit Rückkehrer Schonlau zwar deutlich stabiler. Vorne aber fehlte die Konsequenz, wie Walter feststellte. „Wir waren fahrig.“ Und nun fällt Abwehrchef Schonlau im nächsten Spiel bei Verfolger Fortuna Düsseldorf nach seiner fünften Gelben Karte erneut aus. „Bascho ist ein Vorbild für uns alle. Jetzt haben wir in Düsseldorf die Chance, es ohne ihn besser zu machen als in Karlsruhe“, sagte Meffert.

Ausgerechnet Kiel-Niederlage macht HSV Hoffnung

Was dem früheren Kieler Hoffnung macht, nachdem der HSV auch im fünften Zweitligaheimspiel gegen Holstein nicht gewinnen konnte? Vor allem die Geschichte des Vorjahres. „Wir waren schon abgeschrieben“, erinnert sich Meffert an das Frühjahr, als der HSV es nach der Kiel-Niederlage mit fünf Siegen in Serie noch in die Relegation schaffte.

Kapitän Schonlau hat nun erst einmal Zeit, seinen lädierten Knöchel bis zum nächsten Heimspiel gegen Hannover 96 vollständig auszukurieren. Sein Fehlen bei der Fortuna wird einigen Fans sicher Sorgen bereiten. Aber klar ist auch: Die Saison hat noch neun Spieltage, an denen viel passieren wird. „Jetzt steigt keiner auf. Deswegen kann der Platz meinetwegen futsch sein“, sagte Schonlau über den Verlust des Aufstiegsplatzes. Und der Frühling? Der beginnt offiziell erst am Montag.

HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau, Muheim (15. Katterbach) – Meffert – Reis, Königsdörffer (74. Nemeth) – Jatta, Glatzel, Dompe (46. Benes). Kiel: Himmelmann – Becker, Wahl, Lorenz, Komenda (63. Kirkeskov) – Schulz (46. Mühling) – Sander, Holtby – Porath (63. Arp) – Skrzybski, Reese (89. Wriedt). Schiedsrichter: Brand (Unterspiesheim). Zuschauer: 57.000 (ausverkauft). Gelbe Karten: Schonlau (5), Katterbach, Heyer (6) – Porath (5), Komenda, Wahl (6), Arp (5). Statistik: Torschüsse: 22:5, Ecken: 17:3, Flanken: 28:18, Pässe: 392:386, Ballbesitz: 51:49 Prozent, Zweikampfquote: 50:50 Prozent, Laufleistung: 113,8:114,98 Kilometer.

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