Hamburg. Katja Kraus sieht immer noch hohe Hürden für Frauen, die Führungsrollen übernehmen wollen. Sie beklagt die Männer-Bubble im Fußball.

Katja Kraus (52) sieht trotz der Vize-Europameisterschaft der deutschen Nationalspielerinnen ein verlorenes Jahr für Frauen im deutschen Fußball – zumindest, wenn es um Spitzenpositionen bei Clubs und Verbänden geht. Die EM in England sei großartig gewesen, sagte die frühere HSV-Managerin. Und es gebe Fortschritte in den Organisationen, „weil es beinahe in jedem Proficlub jemanden gibt, der die Notwendigkeit erkannt hat, und das Thema Diversität voranbringen will.“

Dort allerdings, „wo im Fußball die Entscheidungen getroffen werden, empfinde ich dieses Jahr als Rückschritt“.

Ex-HSV-Vorstand Kraus: zu viele Männer im Fußball

Kraus, die Anfang der 2000er beim HSV als erste Frau im Vorstand eines deutschen Bundesligisten arbeitete, ist Teil des Netzwerks „Fußball kann mehr“, das sich unter anderem für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt und dafür mit Bundesligaclubs wie Eintracht Frankfurt, Werder Bremen und dem VfB Stuttgart zusammenarbeitet.

Im Fußball gebe es große Hürden für Frauen aus anderen Branchen, wie der Wirtschaft oder der Politik. „Der Fußball hat noch immer keine Ausstrahlung, die Frauen dazu einlädt, sich in Spitzenpositionen einzubringen“, meinte Kraus und forderte ein Umdenken: „Die Bekenntnisse zu Diversität und zur Förderung von Vielfalt im Sport werden nicht durch entsprechendes Handeln unterstrichen. Im Gegenteil, die Entscheidungsgremien bleiben männlich und am liebsten in sich geschlossen.“

Es dürfe nicht immer darum gehen, „dass jede Führungsperson wissen muss, wer das entscheidende Tor 2009 zur Meisterschaft des VfL Wolfsburg geschossen hat. Die relevante Frage muss lauten: Wer bringt die besten Kompetenzen mit, um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen bestmöglich zu begegnen?“ Und diese Kompetenzen würden Frauen noch immer nicht zugeschrieben, selbst wenn sie solche an anderer Stelle längst erbracht hätten, bemängelte Kraus.

Kraus: Ein linker Verteidiger ist kein CEO!

Selbst Profifußballerinnen seien noch immer von Vorurteilen betroffen. „Es gibt immer noch keine Kompetenzzuschreibung für Frauen im Fußball, nicht mal für Spitzenspielerinnen.“ Profifußballer hingegen hätten den Vorteil, dass ihnen nach der Karriere beinahe zwangsläufig eine Spitzenposition als Trainer oder im Management zugetraut werde. „Ein tauglicher linker Verteidiger ist allerdings nicht zwangsläufig ein guter Trainer und schon gar kein CEO eines Clubs“, sagte Kraus, die im HSV-Vorstand an der Seite von Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer tätig war.

„Als Almuth Schult erstmals als ARD-Expertin bei der EM der Männer aufgetreten ist, haben sich eine Menge Menschen darüber gewundert, dass eine Frau substanziell über Fußball redet, obwohl Fußballspielen ihr Beruf ist“, führte Kraus aus. „Es ist dasselbe Spiel, warum sollte sie es nicht genauso gut oder sogar besser verstehen als ihre männlichen Profi-Kollegen.“