Köln. Krimi im Elfmeterschießen. Köln gleicht mit der letzten Aktion der Verlängerung aus, doch am Ende jubelt Hamburg.

Sebastian Schonlau begriff es als Erster. Der Kapitän des HSV sprang auf den Rücken seines Torhüters Daniel Heuer Fernandes und feierte den Pokal-Coup. Währenddessen ließ sich der Kölner Pechvogel Florian Kainz von Schiedsrichter Daniel Schlager die Regel erklären, wegen der sein Versuch im Elfmeterschießen annulliert wurde. Der Elfmeter landete zwar im Tor, doch Kainz rutschte bei der Ausführung weg und schoss sich ans Standbein. Es war ein dramatisches Ende eines packenden Pokalkrimis, den der HSV mit 5:4 (1:1, 0:0) nach Elfmeterschießen für sich entschied.

„So gewinnt man nicht alle Tage. Der Platz war echt schlecht beim Elfmeterpunkt. Es tut mir leid für den Burschen, aber es freut mich natürlich für uns“, sagte Schonlau, der inzwischen wieder von Heuer Fernandes' Rücken gesprungen war.

HSV in Köln: Kainz über kuriosen Elfmeter

Ganz anders war die Stimmung beim Unglücksraben. „Ich hatte direkt nach dem Schuss ein ungutes Gefühl und vermutete, dass es nicht gut ausgehen könnte“, sagte Kainz, der sichtbar enttäuscht vor die Sky-Kamera trat. „Es sieht auch komisch aus. Das ist sehr bitter für uns.“

Dabei sah es erst kurz zuvor nach einem bitteren Ende für die Hamburger aus. Schiedsrichter Schlager hatte bei der letzten Aktion der Verlängerung auf den Elfmeterpunkt gezeigt, weil er ein leichtes Ziehen von Schonlau am eingewechselten Anthony Modeste als strafstoßwürdig ahndete. „Für uns hätte er den Strafstoß nicht gegeben“, klagte Heyer den Unparteiischen an. Dem gefoulten Franzosen waren derartige Verschwörungen egal, er verwandelte souverän, wodurch sich Köln überhaupt erst ins Elfmeterschießen rettete.

Dort trafen Kinsombi, Vuskovic, Gyamerah und Schonlau für den HSV. Wieder Modeste, Ljubicic und Duda trafen für den FC. Kittel und Kölns Özcan scheiterten jeweils vom Punkt – genauso wie Kainz.

Unglücksrabe Florian Kainz rutscht bei seinem Elfmeter weg und schießt sein Standbein an.
Unglücksrabe Florian Kainz rutscht bei seinem Elfmeter weg und schießt sein Standbein an. © Imago / Beautiful Sports

HSV schlägt Köln und kassiert eine Million Euro

Es war ein verdienter Erfolg in einem Duell zweier spielstarker Mannschaften, die sich während der gesamten 120 Minuten einen großen Kampf lieferten. Für den HSV, der direkt nach dem Spiel nach Hannover fliegt, um von dort aus mit dem Bus zurück nach Hamburg zu fahren, gilt es nun, so schnell wie möglich zu regenerieren. Denn schon an diesem Freitag steht das nächste Highlight mit dem Stadtderby gegen den FC St Pauli an.

Doch zunächst einmal dürfen die Hamburger ihren Pokal-Coup feiern, der vom DFB mit 1,004 Millionen Euro vergütet wird. Geld, das der klamme Verein dringend benötigt und mit dem die momentan fehlenden Zuschauereinnahmen zumindest in Teilen kompensiert werden sollen. In das Budget für die von vielen Fans sehnsüchtig erwarteten Neuzugänge für die Offensive soll die unerwartete Mehreinnahme nach Abendblatt-Informationen dagegen nicht fließen.

Köln gegen HSV zunächst ohne Modeste

„Wir sind schlecht ins Spiel gestartet, dann aber immer besser ins Spiel gekommen. Am Ende hat der Glücklichere im Elfmeterschießen gewonnen, auch wenn ich unseren Sieg nicht als unverdient bezeichnen möchte“, analysierte HSV-Coach Tim Walter, der in Köln wieder zurück zum bewährten 4-3-3-System zurückkehrte. Und das, obwohl Topsprinter Bakery Jatta nach seiner Corona-Infektion zunächst auf der Bank saß. Manuel Wintzheimer übernahm die Rolle auf dem rechten Flügel, Sonny Kittel rückte von der Zehn auf die Acht, weshalb David Kinsombi aus der Startelf rutschte.

Faride Alidou, der beim veränderten 4-4-2-System in Dresden mit seiner Position im Sturm fremdelte, durfte zurück auf seine angestammte linke Außenbahn. Eine weitere Änderung: Linksverteidiger Miro Muheim spielte für Jan Gyamerah, der zuletzt des Öfteren zur Zielscheibe von Walters Schimpftiraden an der Seitenlinie wurde.

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Kölns Trainer Steffen Baumgart nahm gar sechs Veränderungen in der Startelf vor und setzte unter anderem seinen Torjäger Anthony Modeste (33/12 Saisontore) auf die Bank. „Bei Tony geht es um seine Gesundheit. Er ist 33 Jahre alt und kein junger Gott mehr“, sagte der Coach, der im Sommer auch in Verhandlungen mit dem HSV gestanden hatte.

HSV in Köln zunächst unter Druck

Auch ohne seinen Topstürmer machte Köln von Beginn an mächtig Druck. Der HSV lief häufig nur hinterher und hatte in der ersten halben Stunde kaum Ballbesitz – anders als es Walter im Vorfeld prognostiziert hatte.

Dank seiner Überlegenheit kam der „Effzeh“ zwar häufig zum Abschluss, war bis auf Sebastian Anderssons Kopfball, den Heuer Fernandes glänzend entschärfte (8.), aber nicht zwingend genug.

Der HSV tat sich zu Beginn schwer mit dem hohen Anlaufen der Gastgeber – und servierte plötzlich mit einem fahrlässigen Fehlpass im Spielaufbau die Führung auf dem Silbertablett. Doch Köln griff nicht zu und ließ einen dicken Fehler von Heuer Fernandes ungestraft. Der Torhüter spielte Kapitän Sebastian Schonlau zu steil an, Köln eroberte der Ball und spielte Uth frei, der eigentlich nur noch ins leere Tor einschieben musste, aber zu lange zögerte und sich von Schonlau noch zur Ecke blocken ließ (21.). Eine unfassbare Szene.

HSV trifft den Pfosten gegen Köln

Kurz vor der Pause hatte auch der HSV über etwas glückliche Billard-artige Umstände seine erste hochkarätige Torchance, die Robert Glatzel aus sechs Metern fast schon sträflich vergab (35.). Sein Schuss diente aber als Initialzündung für nun zunehmend stärker werdende Hamburger, die das Spiel nun ausgeglichener gestalteten.

Nahezu mit dem Pausenpfiff hatte der HSV erneut den Torschrei auf den Lippen, als Moritz Heyer mit einem Super-Solo in den Strafraum eindrang, den Ball aber ziemlich genau vom Elfmeterpunkt an den linken Pfosten jagte. Den Nachschuss setzte Sonny Kittel rechts am Tor vorbei (45. + 1). Und so ging es zur Verwunderung aller Beobachter mit einem 0:0 in die Pause. Es hätte auch 2:2 stehen können.

Tim Walter schreit seine Freude über den Pokal-Coup des HSV in Köln heraus.
Tim Walter schreit seine Freude über den Pokal-Coup des HSV in Köln heraus. © Witters

Nach dem Seitenwechsel kam Köln erneut mit mehr Schwung aus der Kabine. Mit Jan Thielmann (47.), Andersson (49.) und erneut Thielmann (54.) hatte der Erstligist drei Abschlüsse in Folge, die aber vom reaktionsstarken Heuer Fernandes vereitelt wurden.

Kölns Hector muss vom Platz fliegen

Um für mehr Effizienz vor dem Tor zu sorgen, brachte Baumgart nun Modeste. Doch die nächste knifflige Szene spielte sich erst einmal auf der anderen Seite ab. Der bereits mit Gelb verwarnte Jonas Hector brachte den durchstartenden Heyer vor dem Strafraum regelwidrig zu Fall. Ein klarer Platzverweis, doch Schiedsrichter Daniel Schlager beließ es bei einer letzten Ermahnung (72.). Den fälligen Freistoß schlenzte Kittel über die Mauer, wo FC-Keeper Marvin Schwäbe zur Stelle war (72.).

Kurz darauf hatte dann aber auch Modeste seine erste Szene. Der kopfballstarke Angreifer schraubte sich nach einer Ecke hoch, aber auch der Franzose fand in Heuer Fernandes seinen Meister (77.).

Es war nun ein packender Pokalkrimi im Rhein-Energie-Stadion, in dem sich nun wieder der HSV – jetzt mit Jatta auf dem Platz – am meisten gegen eine Verlängerung wehrte. Doch Heyer wurde mit seinem zweiten Pfostenschuss nun auch offiziell zum Pechvogel. Diesmal traf der Rechtsverteidiger nach einem Muheim-Freistoß aus kurzer Distanz nur das Aluminium (83.).

HSV kassiert späten Ausgleich in Köln

Und so ging die Partie in die Verlängerung, in der dem HSV mit der ersten Aktion die Führung gelang. Alidou legte links raus auf Kittel, der den eingewechselten Benno Schmitz alt aussehen ließ und butterweich auf den Kopf von Robert Glatzel flankte, der eiskalt zum 1:0 vollstreckte (92.).

Köln antwortete wütend durch Thielmanns Schuss aus der zweiten Reihe, aber wieder war Heuer Fernandes zur Stelle (95.). Mehr fiel den sichtbar schockierten Gastgebern aber zunächst nicht ein. Stattdessen hätte der HSV den viel zitierten Sack zumachen können, als Jatta alleine auf Schwäbe sprintete, sich dann aber doch noch einholen und blocken ließ (102.).

Lange sah es so aus, als würde diese Szene ohne Folgen bleiben, doch dann glich Köln in der letzten Sekunde der Verlängerung durch den Elfmeter von Modeste aus (120.+2). Der Pokalsieg des HSV wurde damit jedoch nur verzögert.

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Die Statistik

  • Köln: 20 Schwäbe – 19 Ehizibue, 15 Kilian, 4 Hübers, 23 Jannes Horn - 14 Hector – 17 Schindler, 7 Ljubicic, 29 Thielmann – 13 Uth, 9 Andersson. – Trainer: Baumgart
  • HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim (111. Gyamerah) – Meffert – Reis, Kittel – Wintzheimer (78. Jatta), Glatzel (117. Kaufmann), Alidou (104. Kinsombi). – Trainer: Walter
  • Tor: 0:1 Glatzel (92.), 1:1 Modeste (120.+2, Foulelfmeter)
  • Elfmeterschießen: 0:1 Kinsombi, Heuer Fernandes hält gegen Özcan, Schwäbe hält gegen Kittel, 1:1 Modeste, 1:2 Vuskovic, 2:2 Ljubicic, 2:3 Gyamerah, 3:3 Duda, 3:4 Schonlau, Treffer von Kainz annulliert
  • Gelbe Karten: Hector, Schindler, Hübers – Reis, Schonlau (2)
  • Schiedsrichter: Daniel Schlager (Hügelsheim)
  • Zuschauer: 750 (ausverkauft)