Im Januar 2019 wurde Marcell Jansen (M.) zum jüngsten Präsidenten der HSV-Geschichte gewählt.
Foto: ValeriaWitters / WITTERS
Nach dem erneuten Millionenminus diskutiert der Club im Hintergrund über das KGaA-Modell. Es birgt Vorteile, aber auch Gefahren.
Hamburg. Es war im November 1999, als 1300 Fans auf einer Mitgliederversammlung von Borussia Dortmund für eine neue Vereinsstruktur stimmten. Die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA war geboren. Frank Wettstein kennt diese Rechtsform des BVB nur zu gut. Als Berater unterstützte er Dortmund 2004 gemeinsam mit dem heutigen Finanzgeschäftsführer Thomas Treß, als der Club durch eine Umstrukturierung der Verbindlichkeiten die Insolvenz vermied.
21 Jahre nach der Rechtsformumwandlung ist das KGaA-Modell, mit dem der BVB zu einem der Topclubs Europas aufstieg, in der Bundesliga zu einer gängigen Clubstruktur geworden. Werder Bremen ist in einer KGaA organisiert, ebenso der 1. FC Köln und Hertha BSC. Geht es nach Wettstein, seit sechs Jahren Finanzvorstand bei der HSV Fußball AG, sollten auch die Hamburger eine erneute Strukturreform vorantreiben.
Zwar lässt sich aus seiner am Freitag veröffentlichten Bilanz des Geschäftsjahres 2019/20 (6,7 Millionen Euro Minus) nicht ableiten, dass der HSV auf eine Insolvenz zusteuert. Doch in der anhaltenden Corona-Krise mit weiterhin fehlenden Zuschauereinnahmen kündigt Wettstein erneut erhebliche Umsatzverluste für das laufende Geschäftsjahr an.
HSV-Jahresabschluss 2019/2020 – die Kennzahlen
HSV-Finanzchef Wettstein wirbt für KGaA
Seit Wochen laufen daher im Hintergrund Überlegungen, wie der Club perspektivisch an neues Kapital kommen kann. In der aktuellen AG-Struktur steht die Begrenzung auf 24,9 Prozent einem Verkauf weiterer Anteile entgegen. Es überrascht daher nicht, dass der Finanzchef des HSV nun erstmals öffentlich für eine Umwandlung wirbt. „Grundsätzlich ist die KGaA die auf den Profifußball zugeschnittene Rechtsform“, sagt Wettstein auf Nachfrage des Abendblatts.
Die Vorteile einer KGaA gegenüber der AG sind offensichtlich. Die Clubs haben die Möglichkeit, mehr als die von der DFL festgeschriebenen 50+1-Anteile zu verkaufen, ohne dabei die Kontrolle über den Verein zu verlieren.
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Wird der BVB zum Vorbild für den HSV?
Bestes Beispiel ist der BVB. So besitzt der Stammverein nur noch 5,5 Prozent der Anteile an der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, 60 Prozent sind im Streubesitz, 9,8 Prozent hat Sponsor Evonik übernommen, 5,4 Prozent Stadionnamensgeber Signal Iduna, fünf Prozent Ausrüster Puma. Insgesamt sind 100 Prozent der Kapitalrechte verkauft, 100 Prozent der Stimmrechte liegen jedoch weiterhin beim BVB um Vereinspräsident Reinhard Rauball.
Rein zeitlich gesehen wäre eine Rechtsformänderung schnell erledigt, wie HSV-Vorstand Wettstein bestätigt: „Die strukturelle Umsetzung ist nicht kompliziert.“ Deutlich komplizierter dürfte es sein, die Mitglieder von dieser Umsetzung zu überzeugen. Zur Erinnerung: Im Mai 2014 hatten 9242 HSV-Fans in einer legendären Mitgliederversammlung im Volksparkstadion für die Ausgliederung der Profifußballabteilung in die HSV Fußball AG gestimmt. Aufstellen für Europa lautete der Slogan. Strategische Partner sollten den Club zurück in die Spitzengruppe des deutschen Fußballs führen.