Ein Kommentar von Kai Schiller

Das Zusammenfegen der Scherben hatte am Tag nach der 0:8-Blamage des HSV bei den Bayern noch nicht mal richtig begonnen, da wurde schon fieberhaft nach einem Sündenbock gefahndet. Die Spieler? Kein Herz, kein Mut, kein Anstand. Der Trainer? Falsch aufgestellt, falsch eingestellt, spät ausgewechselt. Der Manager? Viele Worte, wenig Inhalte. Oder gar der unantastbare Clubchef? Alles geändert, nichts verbessert.

Am Ende ist die Suche nach dem einen Schuldigen so überflüssig wie eine Analyse der 90 Minuten. Der HSV hat kollektiv versagt – mehr braucht man über die historische Schande von München nicht sagen.

Oder etwa doch?

Man muss. Denn das 0:8 war kein singuläres Ereignis, kein schlimmer, einmaliger Ausreißer nach unten. Viel mehr war die höchste Niederlage der Clubgeschichte der Tiefpunkt einer ganzen Reihe von Blamagen, für die der HSV in den vergangenen Jahren immer wieder gut war. Das 2:9 vor zwei Jahren? Der Fastabstieg im vergangenen Jahr? Der Negativrekord von sechs Spielen ohne Treffer zum Saisonstart? So inkonstant sich die Mannschaft Woche für Woche auf dem Rasen präsentiert, so konstant schaffen es die Hamburger immer wieder, sich zum Gespött der ganzen Liga zu machen. So wurde seit dem 2:9 vor zwei Jahren in München dreimal der Trainer gewechselt, zweimal der Sportchef und einmal der Vorstand. Es wurden knapp 35 Millionen Euro für Transfers ausgegeben, 17,5 Millionen von den Fans eingesammelte Euro verbrannt und 7,5 Prozent der HSV-Anteile verscherbelt. Doch gebracht hat all das: nichts! Der HSV war vor zwei Jahren die Lachnummer der Liga und ist es noch heute.

Und bevor etwaige Missverständnisse aufkommen: an dieser Stelle soll nicht behauptet werden, dass dem HSV ein Abstieg guttun würde. Nein, ganz im Gegenteil! Ein Abstieg wäre wahrscheinlich der Anfang vom Ende dieses einst so großartigen Fußballvereins. Deswegen sollte auch niemand, der dem Club nahesteht, dem HSV den Abstieg wünschen. Doch verdient, so ehrlich muss man schon sein, hätte dieser HSV den Abstieg allemal.