Beim Aufsteiger aus der Provinz schippen die Spieler noch selbst den Schnee. Trainer Breitenreiter erwartet gegen den HSV ein „Kampfspiel“

Hamburg. 700 Fans waren in den Volkspark gekommen, um das Stadion von den riesigen Schneeschichten zu befreien. Der HSV-Manager höchstpersönlich hatte einen Aufruf gestartet, selbst Spieler und Trainer schippten Schnee mit großen Schaufeln, bis sie über Blasen an den Händen klagten. Es war der 22. Januar 1979. Der Hamburger Manager hieß Günter Netzer, der Trainer Branko Zebec, und die Spieler mit den Schaufeln hörten auf die Namen Kevin Keegan, Manfred Kaltz und Peter Nogly. 36 Jahre ist das her. Seitdem hat sich im Profifußball einiges getan. Vor allem in Hamburg. Die Frage nach einer Rasenheizung auf dem Trainingsplatz stellt sich da schon lange nicht mehr. Ein schneeschippender Rafael van der Vaart? Schwer vorstellbar. Als am Dienstagvormittag im Volkspark starker Schneefall einsetzte, konnte HSV-Trainer Joe Zinnbauer zwischen zwei beheizten Plätzen wählen.

Anders sieht die Situation in Paderborn aus. Neuzugang Srdjan Lakic staunte am Montag nicht schlecht, als der Stürmer in seiner zweiten Trainingseinheit plötzlich eine Schneeschaufel in die Hände gedrückt bekam. Gemeinsam mit den Paderborner Fans schippte die Mannschaft den einzigen Trainingsplatz des Bundesligisten an der Paderkampfbahn frei. Auch Trainer André Breitenreiter half mit. „Das kenne ich schon aus meiner Zeit in Unterhaching“, sagte der frühere HSV-Stürmer im Gespräch mit dem Abendblatt, „ich finde das sehr sympathisch. Schön, dass wir hier so zusammenstehen.“ Über die damit verbundenen Trainingsverhältnisse wollte Breitenreiter allerdings keine Worte verlieren. Zu oft habe er sich schon darüber erzürnt. „Jeder weiß, dass das hier mit Profifußball nichts zu tun hat“, sagt Breitenreiter.

Schon im Oktober war dem Trainer angesichts des Trainingsplatzes, auf dem Fahrräder fahren und Hunde pinkeln würden, der Kragen geplatzt. Er fühle sich manchmal wie bei einem „Dorfverein“, hatte Breitenreiter geschimpft. Ein neues Trainingszentrum müsse endlich her, doch der geplante Baubeginn lässt weiter auf sich warten. Die Vorbereitung auf das wichtige Heimspiel an diesem Mittwoch gegen den HSV (20 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) sei alles andere als optimal verlaufen. Denn nicht nur der HSV steht unter großem Druck, auch die Ostwestfalen wollen den Abwärtstrend nach acht sieglosen Spielen und der 0:5-Niederlage zum Rückrundenauftakt in Mainz stoppen. „Das wird kein normales Spiel. Es wird ein Kampfspiel“, sagt Breitenreiter.

Dass das Spiel überhaupt um 20 Uhr angepfiffen werden kann, ist in Paderborn keine Selbstverständlichkeit. Wegen Anwohnerklagen muss in der Benteler-Arena spätestens um 22.30 Uhr das Flutlicht ausgemacht werden. Deswegen ist es dem Club nicht möglich, freitags um 20.30 Uhr ein Heimspiel zu bestreiten. In der Paderborner Provinz sind solche Possen normal.

Noch immer, wie schon vor Saisonbeginn, bezeichnet Breitenreiter seinen Club als den „krassesten Außenseiter der Bundesligageschichte“. Doch nach einem furiosen Saisonstart, unter anderem führte Paderborn am zweiten Spieltag den HSV in Hamburg mit 3:0 vor, sind die Erwartungen gestiegen. Auch wenn Breitenreiter das nicht einsehen will. „Das ist nur Stimmungsmache von Leuten, die nicht nah dran sind“, sagt er. Doch auch von außen ist zu erkennen, dass die Paderborner Euphorie der ersten Bundesligamonate vom Schnee verweht ist. Der Alltag heißt jetzt Abstiegskampf.

Das musste Breitenreiter bereits vor zehn Tagen erkennen, als Paderborn im letzten Testspiel, natürlich im Schnee, verdient mit 0:2 gegen den FC St. Pauli verlor. „Es war immer klar, dass Phasen kommen, in denen wir auch mal hoch verlieren“, sagt Breitenreiter. Er werde seine Spieler aber niemals kritisieren. „Was die Mannschaft bislang geleistet hat, ist außergewöhnlich.“

Noch steht der SCP, der am vierten Spieltag sogar zwischenzeitlich die Tabelle anführte, mit 19 Punkten auf Platz 13 der Liga. Der HSV, aktuell auf Relegationsplatz 16, könnte an Paderborn mit einem Auswärtssieg vorbeiziehen. „Wir wollen da etwas holen, das muss unser Ziel sein“, sagte HSV-Trainer Joe Zinnbauer vor dem Spiel. Seine Mannschaft habe die Qualität, um in der Liga zu bleiben. Die Frage wird nur sein, ob sie auch die nötige Mentalität hat, um den Abstiegskampf anzunehmen.

Der SC Paderborn hatte zuletzt die Gelegenheit, sich auf das erwartete Kampfspiel einzustimmen. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Wegen der Wetterverhältnisse in der Region Ostwestfalen-Lippe musste Breitenreiters Mannschaft in den vergangenen Tagen mitunter im Schneeschlamm trainieren. Eine Rasenheizung gibt es nicht.

Die gute Nachricht für den HSV: Laut Wettervorhersagen soll es am Mittwochabend in Paderborn keinen Schneefall geben.