Der Belgier Paul-José Mpoku sei nur einer von vielen Namen, die dem Direktor Profifußball des HSV angeboten wurden. Auch diverse andere Baustellen will Peter Knäbel im neuen Jahr angehen.

Hamburg. Zum Jahreswechsel ist Peter Knäbel genau drei Monate als Direktor Profifußball beim HSV im Amt. Wo andere die besinnliche Zeit zur Erholung nutzen, ist der 48-Jährige mehr gefordert denn je, um die sportliche Situation beim Bundesliga-Dino zu stabilisieren. Auch wenn seit seiner Zeit ein Aufwärtstrend zu verspüren ist, plagen den HSV auch 2015 noch mehrere Baustellen. Knäbel bezieht im Abendblatt Stellung zu den einzelnen Bereichen.

Baustelle Winterpause: „Das Wichtigste ist eine gute, verletzungsfreie Vorbereitung, da wir ja viele Profis erst nach der Sommerpause integrieren mussten. Das hat die Wertigkeit eines neuen Spielers“, erklärt Knäbel, der als zweite Prämisse aber gleich die Kaderoptimierung hinzufügt: „Ein neuer Spieler, der mehr individuelle Torgefahr verspricht, täte uns sehr gut.“ Unterschriftsreifes läge noch nicht vor, Knäbel will sich verschiedene Möglichkeiten offenhalten. „Wir haben einige Optionen geschaffen. Wenn wir noch Profis abgeben, hätten wir mehr Spielraum für Verpflichtungen.“ Der zuletzt gehandelte Belgier Paul-José Mpoku von Standard Lüttich sei nur einer auf einer sehr langen Liste, aber nicht wert, ihn näher zu verfolgen.

Zudem ist jetzt die Zeit, Vertragsgespräche mit den eigenen Akteuren zu führen. „Wir müssen eine gute Kommunikation mit den Spielern sicherstellen, deren Verträge im Sommer auslaufen“, sagt Knäbel. Und das sind einige: Rafael van der Vaart, Marcell Jansen, Tolgay Arslan, Jaroslav Drobny, Heiko Westermann, Ivo Ilicevic, Slobodan Rajkovic, Gojko Kacar, Ashton Götz, Valmir Nafiu und Mohamed Gouaida. Insgesamt ein Gehaltsvolumen von rund 15 Millionen Euro. Jansen, 29, will Stand jetzt zumindest bis zum Sommer beim HSV bleiben. Dem Abendblatt-Blog „Matz ab“ sagte er jedoch, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen sei. Tolgay Arslan wird von mehreren Clubs aus der Türkei umworben, sein Abschied noch im Winter ist wahrscheinlich. Vertragsverlängerungen mit Drobny, Götz und Gouaida sind in der Winterpause zu erwarten. Die Zukunft von van der Vaart und Westermann ist noch unsicher. Letzterer sagte der „Bild“, dass er „das Gefühl haben muss, dass es vorangeht“, sonst würde er den Club verlassen.

Baustelle Torgefahr: Neun Tore aus 17 Spielen, nur 4,5 Prozent der Chancen verwertet – das sind Minuswerte der Liga. „Wir haben im letzten Spiel auf Schalke bewiesen, dass wir uns durchaus Torchancen herausspielen können, auch wenn es in diesem Bereich sicherlich am meisten hakt“, sagt Knäbel. So sei bei der Analyse zum Beispiel zu Tage getreten, dass der HSV gar nicht so selten aufs Tor geschossen hatte, die Qualität der Torschüsse jedoch zu wünschen übrig ließ. Dieser Aspekt sei sicherlich ein Trainingsschwerpunkt.

Baustelle Passspiel: Oft wurde vom Trainerteam in der Hinserie der „letzte Pass“ bemängelt, um sich in Schussposition zu bringen. Doch nicht nur der letzte Pass scheint beim HSV ein Problem zu sein: Im Bundesligadurchschnitt spielen die Teams 445 Pässe pro Partie, davon sind 110 Fehlpässe. Der HSV spielt jedoch nur 422 Pässe, davon aber 119 Fehlpässe. „Der schwierigste Pass ist oft nicht der letzte, sondern der erste, nachdem wir den Ball vom Gegner erobert haben. Da waren wir zu unkonzentriert. Aber es ist doch klar, dass die Pässe eines Holtby, der im September dazugestoßen ist, nicht genauso gelesen werden können wie die eines Schweinsteiger, der seit Jahren bei den Bayern spielt“, sagt Knäbel.

Baustelle Torwart: Jaroslav Drobny und René Adler, dazu mit Alexander Brunst ein vielversprechender Nachwuchsmann – vom Leistungsvermögen her hat der HSV auf dieser Position keine Baustelle, sondern im Vergleich herausragendes Personal. Doch die beiden etablierten Keeper haben immer wieder mit ihrem Körper zu kämpfen. Adlers Bandscheibe bereitete zuletzt solche Sorgen, dass die Option des Kaufs eines weiteren Torhüters geprüft wurde. Und auch Drobny, mittlerweile 35, kann aufgrund verschiedener Wehwehchen kaum einmal eine Trainingswoche voll durchziehen, sein Körper zollt der langen Profikarriere Tribut. „Wir werden uns zum Trainingsauftakt mit René unterhalten, wie es aussieht. Ich bin da aber ganz zuversichtlich, dass er voll angreifen kann“, sagt Knäbel. „Falls wir aber Zweifel haben, müssen wir sofort reagieren und im Winter einen erfahrenen Torwart hinzuholen.“ Der zum Spekulationsobjekt gewordene Mainzer Loris Karius sei ein guter Mann, an dem aber auch andere Clubs Interesse zeigten.

Baustelle Standards: Kein Kopfballtor, kein Tor nach Ecken, kein Jubel nach direktem Freistoß – die Standardschwäche ist nach dem Weggang von Hakan Calhanoglu eines der dringendsten Probleme der Hamburger. Bei hohen Bällen fehlen die offensivstarken Kopfballspieler, mit Ausnahme von Heiko Westermann und seinem Ersatzmann Cléber gibt es niemanden, der regelmäßig gefährlich zum Abschluss kommt. Und auch der wuchtige Pierre-Michel Lasogga zieht die Bälle im Strafraum nicht mehr so magisch an wie in der Vorsaison. Für Knäbel liegt das Hauptproblem aber beim Schützen. „Wenn wir sagen können, der Ball fällt zu 90 Prozent dahin, wo er hinsoll, werden die Mitspieler auch mit viel mehr Selbstbewusstsein genau da hinlaufen. Das ist einfach eine Frage des Fleißes und muss viel geübt werden, auch ohne dass der Trainer den Spielern das immer aufträgt.“ Für Calhanoglu war das immer selbstverständlich.

Baustelle Talente: Immer wieder wurde der HSV für seine Talentförderung kritisiert – nun scheint sich die Situation zum Guten zu wenden. Die U23 ist Tabellenführer der Regionalliga Nord, mit Ronny Marcos, Götz und Gouaida haben sich gleich drei Talente bei den Profis festgespielt. Dennoch sieht Knäbel noch Luft nach oben: „Wir dürfen die U23 nicht ausbluten lassen, müssen gewährleisten, dass auch im neuen Jahr an die Leistung angeknüpft wird. Der Aufstieg in die Dritte Liga ist das Ziel, da wir dort dann auch für U19-Nationalspieler attraktiv werden, die bei ihren Clubs nur vierte Liga spielen könnten. Zudem sollte die Übernahmequote der einzelnen Nachwuchsteams höher sein, also z.B. Nachrücker aus der U19, die dann ohne große Anpassungsschwierigkeiten in der Regionalliga eingesetzt werden können.“ Auch für den Nachwuchs sind im Winter Neulinge angedacht, zudem kommt ein weiterer Athletiktrainer aus dem Eishockeybereich.