Der HSV-Trainer wechselt häufig Personal und Formation und blickt deshalb neidisch zum FSV Mainz, der am Sonntag in Hamburg antritt

Hamburg. Joe Zinnbauer wurde laut am Seitenrand, er forderte und trieb an, er kritisierte und lobte, der HSV-Coach gab am Freitag im Training Vollgas. Eine intensive Einheit stand auf dem Programm. Gegenpressing, Räume verdichten, bestimmte Zonen vermeiden und andere suchen. Nicht alle Spieler schienen verstanden zu haben, was genau sie tun sollten. Dazu aber sagte Zinnbauer lieber nichts.

Am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) steht die Partie gegen Mainz 05 an. Gegen ein Team, das zuletzt fünfmal nicht gewonnen hat, ein Team, das dem HSV in der Tabelle „entgegenkommen“ würde, wenn denn der dritte Heimsieg in Folge gelingt. „Das steht auf dem Programm“, sagt Zinnbauer deshalb.

Noch aber ist überhaupt nicht abzusehen, wer für den HSV in dieser im Abstiegskampf so wichtigen Partie aufläuft. Zehn Spiele ist Zinnbauer als Cheftrainer für die Hamburger nun verantwortlich, nur zweimal begann die gleiche Elf hintereinander. Was er an Mainz schätze, wurde Zinnbauer am Freitag gefragt, „Die Eingespieltheit natürlich“, sagte er, „die sind eben schon länger zusammen in dieser Formation“, sagte der HSV-Trainer – und ein bisschen klang das fast neidisch. Denn Zinnbauer ist ein Suchender.

Insgesamt 27 Spieler hat der HSV in dieser Saison schon eingesetzt, so viele wie kein anderer Bundesligist. 27 Spieler – darunter welche, die aus der in der Regionalliga Nord so erfolgreichen U23 hochgezogen wurden. Ronny Marcos zum Beispiel, der 21 Jahre alte Linksverteidiger, Mohamed Gouaida, der Franzose im Mittelfeld. „Die Jungs bringen Schnelligkeit und erhöhen den Konkurrenzkampf im Team, das ist positiv“, sagt Dennis Diekmeier, „wir versuchen, sie gut in das Mannschaftsgefüge zu integrieren.“

Diekmeier hat gut reden, seine Position scheint ungefährdet. Er wird nach abgesessener Sperre auf seinen Stammplatz auf der rechten Abwehrseite zurückkehren, sein Vertreter Ashton Götz muss trotz guter Spiele wieder weichen. Auf der gegenüberliegenden Seite sieht es anders aus. Matthias Ostrzolek hat in allen zehn Spielen unter Trainer Zinnbauer in der Startformation gestanden, jetzt droht ihm jedoch erstmals die Bank. „Marcos kämpft im Training um seine Chance“, sagt Zinnbauer. Beim 1:3 in Augsburg am vergangenen Sonnabend hatte der Mosambikaner aus Oldenburg in Holstein eine ordentliche Leistung weiter vorne im Mittelfeld gezeigt. Jetzt aber ist Heimspiel, der HSV muss gewinnen, um im Abstiegskampf nicht in noch größere Probleme zu kommen. Also wird der HSV-Coach sein Personal wieder ändern, wie bereits sechsmal.

In dieser Woche hat sich deshalb mal Uwe Seeler zu den Personalien beim HSV befragen lassen, und natürlich macht sich das Vereinsidol angesichts von Platz 17 wieder Sorgen um seinen Club. Zinnbauer müsse seine Personalpolitik überdenken, meinte der 78-Jährige bei Sport1: „Man muss zwar junge Leute einbauen, aber eben nur in entsprechenden Momenten und nicht von Anfang an.“ Eine Kritik, die Zinnbauer nicht annehmen mag. „Ich würde mich ja auch freuen, wenn ich schon eine Kernmannschaft zusammen hätte“, sagt er, „aber Spieler sind auch angeschlagen oder gesperrt, da ändert sich schnell mal personell etwas.“ Und vor allem: Es fehlt noch der durchschlagende Erfolg. „Wenn Niederlagen kommen, dann denkt man schneller daran, personell etwas zu ändern.“

Bei seinem Personalroulette fällt jedoch auf, dass die durchgreifenden Änderungen fast ausschließlich im Offensivbereich durchgeführt wurden, dort eben, wo das mit nur sieben Treffern angriffsschwächste Team der Liga die größten Probleme hat. Sogar Pierre-Michel Lasogga erwischte es vergangene Woche in Augsburg. Dort wurde der formschwache 8,5-Millionen-Einkauf durch Artjoms Rudnevs ersetzt. Und Sonntag? „Alles ist offen, wir müssen sehen, wie sich beide bis dahin im Training präsentieren“, sagte Zinnbauer. Am Freitag allerdings sah es so aus, als würden möglicherweise gegen Mainz erstmals beide Angreifer gemeinsam stürmen. Es wäre der nächste Versuch im andauernden Spieler-wechsel-dich.

Lewis Holtby rotierte mittlerweile zwischen der zentralen Mittelfeldposition und der linken Seite sowie der Ersatzbank, auf der er nicht nur in Augsburg, sondern bereits beim Spiel in Berlin saß. Gegen Mainz aber wird der ehemalige Mainzer links im Mittelfeld wieder auflaufen. Rafael van der Vaart durfte sich mal als Zehner und seit dem Spiel gegen Leverkusen als etwas defensiverer Sechser versuchen. Gouaida nutzte seine Chance gegen Werder, muss nun aber wohl wieder Holtby weichen. Nicolai Müller spielte mal zentral, mal rechts – es ist ein stetes Gepuzzle.

In der Abwehr dagegen herrschte bislang Konstanz. Diekmeier spielte immer, wenn er zur Verfügung stand, Ebenso Johan Djourou, Heiko Westermann und Ostrzolek. Das Gefüge hat sich gefunden, ist stabilisiert, nur vier Teams haben weniger Gegentore kassiert als der HSV. Nun aber wird Zinnbauer durch den verletzungsbedingten Ausfall von Westermann zu Änderungen gezwungen. Cléber, Slobodan Rajkovic und Gojko Kacar heißen die Kandidaten, und auch wenn sich Zinnbauer noch zurückhält, scheint die Entscheidung für Cléber schon gefallen. „Ich finde positiv, was er in den vergangenen Wochen alles getan hat, um jetzt eine Option zu sein“, sagt Kollege Diekmeier. „Er versucht sogar schon, Kommandos auf Deutsch zu geben.“

Bei der Einheit am Freitag aber hat auch Cléber nicht alles verstanden. Aber da war er ja nicht der Einzige.