Der HSV war beim 0:2 in Wolfsburg ohne Chance, leistete sich kapitale Fehler – und ausgerechnet der ehemalige Hamburger Olic traf zum 0:1

Wolfsburg. Abgekämpft wie immer, aber glücklich machte sich Wolfsburgs Angreifer Ivica Olic nach dem Schlusspfiff auf den Weg in die Gästekabine. Zwar lobte der ehemalige HSV-Profi zuvor noch den Einsatz der Hamburger („Ein anderes Niveau als vergangene Saison“), sein Fazit fiel dennoch unerbittlich aus: „Das war viel zu wenig. Sie hatten quasi keine Chance.“

Wie wahr. 0:0 gegen den FC Bayern München, 1:0 gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen – bisher hatten sich die Spitzenmannschaften in dieser Saison als überraschende Punktelieferanten für den HSV erwiesen. Doch die Niedersachsen präsentierten sich mindestens eine Nummer zu groß für die Hamburger. „Wir haben völlig verdient hier verloren, trauten uns in der ersten Hälfte nichts zu“, gab HSV-Trainer Joe Zinnbauer ehrlich zu.

Während die zuvor sieben Pflichtspiele in Folge siegreichen VfL-Profis geduldig ihr Spiel aufzogen, beschränkte sich Zinnbauers zögerliches Team ausschließlich aufs Zerstören, was aber auch nur teilweise gelang. Erstaunlicherweise präsentierten sich die Wolfsburger trotz des Europacup-Auftritts am Donnerstag griffiger, gieriger in den Zweikämpfen. „Wir haben nicht in die Partie gefunden, sind nur hinterhergelaufen“, urteilte Nicolai Müller. Verzweifelt ruderte Zinnbauer häufig an der Seitenlinie mit den Armen, weil sich sein Team viel zu tief fallen ließ, anstatt wie verabredet weiter vorne zu attackieren.

An Torchancen, geschweige denn Tore für die Gäste war zu keinem Moment zu denken. Eine durchdachte Planung oder Strategie? Fehlanzeige. „Mutlos“ nannte Sportdirektor Peter Knäbel den Auftritt. Die unpräzisen Abspiele häuften sich mit zunehmender Spieldauer, weshalb der Ball spätestens nach zwei, drei Stationen wieder verloren war, was aber auch an der Formstärke der beiden Wolfsburger „Sechser“ Luiz Gustavo und Guilavogui lag.

Fast logisch war es deshalb, dass das 0:1 aus einer eher peinlichen, amateurhaften Fehlerkette der HSV-Defensive resultierte. Nach einem eigentlich schon verpufften Wolfsburger Angriff konnten sich erst Heiko Westermann und Johan Djourou nicht einigen, wer gegen Ivica Olic klären soll, und dann köpfte Valon Behrami den Ball völlig unbedrängt ins Aus, anstatt ihn Jaroslav Drobny zu überlassen. Die folgende Ecke landete bei Kevin De Bryne, der aus 18 Metern (unbedrängt von Lewis Holtby) abzog. Der 35 Jahre alte Olic hielt seinen linken Fuß hin, lenkte den Ball ins linke Eck (27.).

Verständlich, dass die Führung die erfolgsverwöhnten Wolfsburger noch selbstbewusster und sicherer auftreten ließ, auch wenn Chancen weiter kaum zu notieren waren. Nur einmal musste der HSV-Anhang zittern, als De Bruyne nach Vorlage von Perisic knapp vorbeizielte (32.). Überdeutlich wurde aber, wie die Hamburger vor allem dann überfordert waren, wenn das Tempo angezogen wurde.

Erst nach der Pause legte der HSV seine rein destruktiv-zögerliche Taktik ab und kam einige Male zum Abschluss, agierte etwas offensiver. Erst köpfte Westermann nach einer van-der-Vaart-Ecke knapp drüber (50.), dann zielte Pierre-Michel Lasogga nach einer Holtby-Flanke etwas zu hoch (59.). Bitter, dass ausgerechnet in diese zarte Drangphase hinein das entscheidende und ebenfalls unglückliche 0:2 fiel: Van der Vaarts Freistoß aus aussichtsreicher Position am rechten Strafraumeck landete in der Mauer. Blitzschnell konterte der VfL über De Bruyne, der einen Sprint über „77,48 Meter“ (VfL-Trainer Dieter Hecking) anzog, Behrami davoneilte vor dem zögerlichen Matthias Ostrzolek in die Mitte zu Aaron Hunt flankte, der Drobny aus kurzer Distanz verlud (63.). Der Rest geriet zum Schaulaufen, der Wille des HSV war gebrochen.

Abgekämpft sah auch Zinnbauer aus, als er nach der Partie das Spiel seiner Mannschaft analysieren sollte. Ehrlich lobte der HSV-Coach die Qualität des Gegners („Mit Wolfsburg können wir uns nicht messen“) und wies darauf hin, dass nach der Länderspielpause mit Werder Bremen ein Team nach Hamburg kommt, mit dem man sich auf Augenhöhe befinde.

Eine Aussage, die nicht unbedingt beruhigend wirkte. Unterm Strich muss vor der Länderspielpause eine Zwischenbilanz des Grauens gezogen werden: Mit nur neun Punkten aus elf Spielen und mickrigen vier Toren ist der Club nach den Erfolgen der Konkurrenten wieder auf Abstiegsrang 17 gerutscht, nur ein Tor besser als der Tabellenletzte aus Stuttgart. Dass die Defensive mit 14 Gegentoren im Vergleich zu den benachbarten Teams noch am Besten da steht, verkommt so zur Randnotiz.

Gegen Werder Bremen und in den folgenden Partien gegen Augsburg, Mainz, Freiburg und Stuttgart muss der HSV nun mit Macht verhindern, dass sich die alarmierende Lage zur existenziellen Bedrohung auswächst.

Fest die Daumen drücken wird dann auch wieder HSV-Fan Ivica Olic. Für den früheren Hamburger, der vor zwei Jahren zu gerne zum HSV zurückgekommen wäre, war es auch keine Frage, ob er nach seinem Führungstor jubeln sollte. „Das durfte ich nicht. Sonst hätte ich zuhause Ärger bekommen“, sagte Olic, verabschiedete sich und machte sich auf den Weg in die Kabine.