Hakan Calhanoglu musste bei seiner Rückkehr ins HSV-Stadion ein Spießrutenlaufen ertragen

Hamburg. Da stand er nun, gebeugt, die Hände in die Hüften gestützt. Ein Verlierer. Wie sich Hakan Calhanoglu seine Rückkehr in den Volkspark vorgestellt hat, weiß man nicht, er sprach ja vor dem Spiel nicht und nach dem Spiel erst recht nicht. Aber so, so hatte er es sich wahrscheinlich doch nicht gedacht. Tolgay Arslan kam vorbei, der Kumpel aus Hamburger Tagen, und Johan Djourou strich Leverkusens Nummer zehn durchs Haar. „Der HSV ist wieder da“, sangen derweil die Fans. An Hakan Calhanoglu, ihren einstigen Liebling, hatten sie sich vor und während des Spiels genug abgearbeitet.

Das unsägliche Wechseltheater um den jungen Deutsch-Türken hatte beim HSV 14,5 Millionen Euro auf dem Konto hinterlassen und tiefe Narben in der Seele der Fans. Das Pfeifkonzert bei der Mannschaftsaufstellung tat beinahe auf den Ohren weh. Kann man eigentlich besonders laut pfeifen? Oder pfiff wirklich fast jeder Hamburger unter den knapp 53.000 Zuschauern mit?

Als die Mannschaften das Spielfeld betraten, enthüllten Fans in der Nordkurve ein langes Spruchband: „Heute Bayer, morgen Madrid. Mit Depressionen kommt der nächste Schritt“, stand da in Erinnerung an Calhanoglus Krankschreibung zum geplanten Trainingsbeginn beim HSV zu lesen. Im Vorfeld hatte der Verein das Anbringen von beleidigenden Plakaten gegen den Spieler verboten, und dieses eine Spruchband war auch bereits nach fünf Spielminuten wieder verschwunden.

Also beschränkten sich die HSV-Anhänger auf akustische Konfrontationen. Bei jeder Ballberührung wurde Calhanoglu ausgepfiffen. „Hakan ist ein Hurensohn“ schallte es regelmäßig von den Rängen in Abwechslung mit „Alle auf die Zehn“. Als Rafael van der Vaart seinen ehemaligen Mitspieler in der 35. Minute umsenste, brandeten Jubel und „Zugabe“-Rufe von der Nordribüne.

„Erklär mal einem Fan, dass er zunächst sagt, er geht mit dem Verein in die Zweite Liga und dann wechselt er wenig später den Verein“, sagte Marcel Jansen, „für Hakan wäre es aber auch ohne Pfiffe schwer geworden.“ Die giftige Atmosphäre spiegelte sich in der Partie wieder. „Wir wollten Druck auf Hakan ausüben, das haben wir gemacht“, sagte Johan Djourou: „Ich glaube, es war nicht Hakans bestes Spiel.“

Sicher nicht. Zwar schoss er bereits nach acht Sekunden harmlos auf das Tor, wesentlichen Einfluss auf die Partie hatte er jedoch nicht. Seine zahlreichen Freistöße fanden nie ihr Ziel, im Mittelfeld hatte er aus dem Spiel heraus praktisch keine Aktionen, der HSV hatte es geschafft, ihn zu neutralisieren.

Calhanoglu versuchte, sich nicht provozieren zu lassen, er lächelte sogar angesichts gestreckter Mittelfinger, geworfener Feuerzeuge und der Beleidigungen von den Rängen. „Hakan hat das großartig gemacht, er hat sich auf das Spiel konzentriert“, sagte sein Trainer Roger Schmidt, „er kann mit Druck umgehen. Das hat man ja auch letzte Saison gesehen. Sonst würde der HSV vielleicht jetzt in der Zweiten Liga spielen.“

Nein, die Gemüter waren auch knapp eine Stunde nach dem Schlusspfiff nicht bei allen Beteiligten wirklich beruhigt. Nachgetreten wurde auch außerhalb des Platzes.