Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt spricht der ehemalige Profi Stefan Schnoor über den HSV-Kapitän und die Bemühungen des Vereins um Dietmar Beiersdorfer.

Hamburg. Die Fragen nach dem HSV hört Stefan Schnoor ständig. Die spitzen Bemerkungen und hämischen Kommentare. 131 Bundesligaspiele hat der Defensivspieler zwischen 1991 und 1998 für den HSV absolviert, dazu kamen noch 146 Partien für Wolfsburg und 60 für Derby County in der Premier League. Als Experte für Sport1 in den Stadien und TV-Studios sind seine Verbindungen zu der Szene immer noch eng. „Es tut schon extrem weh, wenn die Leute sagen, der Dino muss weg und wie schlecht alles ist“, sagt der 43-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Herr Schnoor, wie beurteilen Sie den „neuen HSV“?

Stefan Schnoor: Ich bin froh, dass für die Ausgliederung entschieden wurde. Mit der neuen Struktur hat der Verein die Chance, auf Reset zu drücken. Das heißt aber nicht, dass sich automatisch Erfolg einstellt. Das liegt auch wesentlich an den handelnden Personen.

Dann müssten Sie ja mit Dietmar Beiersdorfer als dem designierten Vorstandsvorsitzenden sehr einverstanden sein?

Schnoor: Ich schätze Didi sehr, weiß aber nicht, ob er als Vorstandsvorsitzender der Richtige ist. Ich sehe ihn eher als denjenigen, der im sportlichen Bereich das Sagen hat. Ich hätte eher Holger Hieronymus als Vorsitzenden genommen, der wirklich erstklassige Verbindungen zur DFL hat. So wie es im Moment aussieht, muss der Vorstandschef ja alles zusammen machen, also auch den Nachwuchsbereich. Das ist ja eine Herkulesaufgabe.

Wie sollte die Führungsstruktur Ihrer Meinung nach denn aussehen?

Schnoor: Ich glaube, man braucht ein Triumvirat unter dem Vorstandsvorsitzenden. Also einen, der als Sportchef arbeitet, einen für den Nachwuchs und einen für das Scouting. Ich verstehe im Übrigen nicht, wie der HSV sein vorhandenes Personal einsetzt.

Wen meinen Sie denn genau?

Schnoor: Mit Bernd Wehmeyer hat der HSV einen absoluten Fachmann im Haus, der über hervorragende Kontakte in ganz Europa verfügt. Er wird überhaupt nicht mit einbezogen, obwohl er bezahlt wird. Nutzt ihn und seine Fähigkeiten doch, zum Beispiel für das Scouting oder den Nachwuchsbereich. Oder fragt Horst Hrubesch. So aufregend ist es ja auch nicht, alle sechs Wochen die DFB-Junioren zu betreuen. Überall arbeiten ehemalige Spieler, die sich mit dem Club identifizieren und Fußballkompetenz besitzen. Nichts anderes machen auch die Bayern oder der BVB. Diese Struktur muss man nur übernehmen. Als Verein muss ich das nötige Rückgrat haben und selbst die Personalien vorgeben. Es gibt in Hamburg zahlreiche fähige Leute, vom Leistungsdiagnostiker bis zum Busfahrer. Die müssen nicht immer von außen kommen.

Genau das passiert aber im Augenblick anscheinend …

Schnoor: Der HSV hat keine Kohle und holt neue Leute. Jetzt soll ein Teammanager aus Hannover kommen. Marinus Bester ist doch schon da. Ich kann das nicht nachvollziehen. Wer kommt, sollte der Verein entscheiden und nicht der jeweilige Trainer. Auch Mirko Slomka wird ja angreifbar, wenn er jetzt lauter Leute holt, die er aus Hannover kennt. Ich verstehe auch nicht, dass man in dieser Phase schon neue Spieler holt und Geld ausgegeben wird. Vielleicht hat Beiersdorfer ganz andere Ideen. Trotzdem werden Fakten geschaffen.

Beiersdorfer ist aber noch gar nicht da. Wie bewerten Sie das Poker um ihn?

Schnoor: Die Ablöse für Beiersdorfer wird sicherlich ein bis zwei Millionen Euro betragen. Die Russen wissen auch, dass es in Hamburg einen Klaus-Michael Kühne gibt. Dabei weiß jeder in der Szene, dass St. Petersburg seit vier Monaten in ganz Europa nach einem neuen Sportchef sucht. Den Namen Beiersdorfer so offensiv zu nennen war vom HSV sicherlich nicht so geschickt.

Wie bewerten Sie die Qualität der aktuellen Mannschaft? Hat Sie eine Zukunft?

Schnoor: Die Mannschaft ist sicher besser als das, was sie letzte Saison gezeigt hat. Sie wird nicht um die Plätze eins bis acht spielen können, aber alles dahinter ist möglich. Die Probleme im letzten Jahr gingen ja schon in der Vorbereitung los. Die Mannschaft ist immer ab der 70. Minute eingebrochen.

Ein Problem war auch, dass die Führungsspieler so schlecht waren.

Schnoor: Eine Hierarchie muss sich aus der Mannschaft heraus entwickeln, die kann man nicht aufzwingen. Die Spieler müssen sich beispielsweise im Trainingslager zeigen. Wenn du aber Leute hast, die bestimmt werden, Führungsspieler zu sein, dies aber erstens aufgrund ihrer Mentalität nicht können und zweitens nicht ihre Leistung bringen, bekommst du Unruhe, du hast nicht mehr dieses Konkurrenzdenken und kein Leistungsprinzip.

Sie wären also dafür, van der Vaart die Binde abzunehmen? Auch deshalb, um ihn zu befreien?

Schnoor: Ja, das ist es. Sagen wir mal so: Ich schätze ihn als Fußballer, aber auch er hat eine miserable Saison gespielt. Ich glaube, dass die Binde nicht gut für ihn war, sie hat seinen Arm eher schwerer gemacht. Ich fand auch einige Interviews unglücklich, den Kollegen gegenüber. So etwas merkt eine Mannschaft, sie schaltet automatisch ein paar Prozent zurück.

Hakan Calhanoglu war ein Lichtblick, will aber jetzt den Verein verlassen. Was sagen Sie dazu?

Schnoor: Einem Spieler wie Calhanoglu hätten wir im Training früher schön auf die Socken gegeben. So geht es wirklich nicht. Der HSV sollte sich da ganz klar aufstellen. Bring ein Angebot über 20 Millionen von Bayer und keinen Cent weniger. Und wenn das nicht kommt, fährst du mit ins Trainingslager und läufst und siehst drei Wochen keinen Ball. Danach sitzt du in den ersten drei Spielen ganz oben auf der Tribüne. Und dann sprechen wir noch einmal, wie du dir die Zukunft beim HSV vorstellst.