Trotz des Klassenerhalts dürfen sich nur wenige HSV-Profis über eine positive Saisonbilanz freuen. Eine Einzelkritik der schlechtesten Serie aller Zeiten

27 Profis durften in dieser Saison das Trikot mit der Raute tragen. Und obwohl der Abstieg verhindert wurde, bleibt ein Zeugnis des Scheiterns:

Adler (29 Jahre alt/30 Spiele/0 Tore): Der Punktegarant der vergangenen Saison wurde zum Unsicherheitsfaktor dieser Spielzeit. Zwar glänzte der Keeper weiterhin mit starken Paraden, produzierte aber mehr entscheidende Fehler, die zu Gegentoren führten, als alle anderen Bundesligatorhüter. Die WM-Absage war die bittere Folge.

Drobny (34/6/0): Sollte Adler im Sommer aus finanziellen Gründen verkauft werden müssen, könnte der Tscheche auf seine alten Tagen beweisen, dass seine Verpflichtung anno dazumal Sinn hatte. In der Relegation war der Schweiger ein sehr guter Torhüter, doch in seiner gesamten HSV-Zeit hat er diese Konstanz zu selten gezeigt. An dem Fast-Debakel trifft den mit 900.000 Euro wahrscheinlich bestverdienenden Ersatzkeeper aber sicher keine Schuld, dafür konnte er sich in der Saison zu selten auszeichnen.

Diekmeier (24/22/0): Aus dem Flankengott der Vorsaison wurde ein echter Fehlerteufel. Hatte zunächst großes Verletzungspech, dann aber mindestens genauso großes Pech in seinen Offensivaktionen. Und defensiv fand der Rechtsverteidiger in diesem Jahr einfach mal nicht statt. Bitte im Sommer die Reset-Taste drücken und dann neu durchstarten.

Lam (22/9/1): Ex-Trainer Fink verglich das Eigengewächs gerne mit Nationalspieler und Fast-Namensvetter Philipp Lahm, wahrscheinlich meinte er aber nur die eigentliche Bedeutung des Nachnamens. Denn extrem lahm war vor allem der Genesungsprozess nach seinen zahlreichen Wehwehchen.

Rajkovic (25/2/0): Es ist schon paradox, aber der konstant beste Feldspieler war ausgerechnet der lange Zeit ausgemusterte Abwehrmann. Als endlich jemandem auffiel, dass die zwei Millionen Euro Jahresgehalt besser investiertes Geld wären, wenn der unter Fink in Ungnade gefallene Serbe tatsächlich auch einmal spielen darf, war es schon zu spät. Zwei wirklich gute Partien später riss sich der Pechvogel das Kreuzband. Mehr bitter geht nicht.

Scharner* (34/0/0): Hat als einziger beim HSV alles richtig gemacht. Er verließ das sinkende Schiff rechtzeitig – und ließ sich seinen Abgang auch noch fürstlich bezahlen.

Westermann (31/31/3) :Am Nationalspieler a.D. scheiden sich beim HSV die Geister. Bis zum Ende stemmte sich der Franke mit allem, was er hat, gegen den Abstieg. Das Problem: Außer einem einwandfreien Charakter hat der Abwehrallrounder einfach zu wenig. Fußballerisch bleibt es ein Rätsel, wie es Westermann auf 27 Länderspiele brachte. Und obwohl das alles so ist, sollte der HSV seinen nimmermüden Verteidiger trotzdem behalten. Keine Frage, der frühere Kapitän ist ein Unsicherheitsfaktor, aber vom Einsatz her gehört #HW4 in die Champions League.

Djourou (27/24/0): Der Schweizer Nationalspieler ist eine Art Blaupause für die Saison. Die Verpflichtung des siebten (!) Innenverteidigers war von vornherein so sinnlos wie die erste Kostenkalkulation der Elbphilharmonie. Und genauso zögerlich wie der Bau des avisierten Hamburger Aushängeschilds war auch der zunächst von Arsenal geliehene Abwehrmann im Zweikampf mit anlaufenden Stürmern. Für das Verletzungspech konnte der gebürtige Ivorer nichts, auch nicht dafür, dass er schwer ausgeknockt am Sonntag rausmusste. Aber gerade als wirklich jeder merkte, dass eine Weiterbeschäftigung von A bis Z keinen Sinn hat, platzte die Bombe: Sein unverschämt gut dotierter Vertrag verlängerte sich automatisch.

Tah (18/16/0): Das Riesentalent ist auf dem besten Wege, ein Ex-Talent zu werden. Nach dem Raketenstart in der Hinrunde stürzte der Youngster nach der Vertragsveröffentlichung durch seinen Vater wie Apollo 13 wieder ab. Es wäre allerdings zu einfach, nur den Vater als Erklärung für den Absturz zu bemühen. Sein „professioneller“ Lebenswandel ließ beim wahrscheinlich größten Hamburger Abwehrtalent der vergangenen zehn Jahre bisweilen zu wünschen übrig. Fängt sich der Deutschivorer wieder, bleibt er ein Hoffnungsträger.

Mancienne (26/14/0): Einen wirklichen Vorwurf kann man dem Engländer an dem Saisondebakel gar nicht machen. Er holte immer alles aus sich raus, nur war dieses „alles“ selten viel. Zu oft agierte der frühere Chelsea-Jung wie ein solider Zweitligakicker – und um ein Haar wäre er das auch in der kommenden Spielzeit gewesen.

Sobiech (23/10/1): Der frühere Kiezkicker ist Mister Theorie. Theoretisch ist er talentiert, kopfballstark und extrem robust. Ganz praktisch ist der Wunschverteidiger von Ex-Trainer Fink aber nervenschwach, unsicher und schlicht überfordert. Ein Neustart außerhalb Hamburgs würde dem sympathischen Lulatsch gut tun.

Jansen (28/23/1): Der Linksverteidiger war in dieser Saison nicht wirklich gut, aber doch eigentlich gut genug, um mit der deutschen Nationalmannschaft als einziger HSVer zur WM zu fahren. Bundestrainer Löw sah das anders. Sollte Jansen nach der WM für fünf Millionen Euro wechseln, würde er fehlen.

Arslan (23/33/1): Der Deutschtürke wollte ein echter Mittelfeldchef werden und war zum Ende der Saison nicht einmal mehr ein Chefchen. Könnte beim Neuaufbau trotzdem eine tragende Rolle übernehmen, wenn er irgendwie zu seiner alten Form zurückfindet.

Badelj (25/31/1): Neben Calhanoglu und van der Vaart wahrscheinlich der beste Fußballer im Kader, der sein Potenzial aber anders als Calhanoglu nie ausgereizt hat, der sich aber gleichzeitig auch nie wie van der Vaart hat gehen lassen. Wäre er etwas zielstrebiger und schneller, dann wäre der Kroate ein richtig Guter – und wahrscheinlich nicht beim HSV unter Vertrag.

Rincon (26/24/0): Als Sportchef Kreuzer dem Fighter aus Venezuela im Winter einen neuen Vertrag angeboten hatte, hätte dieser Gott, dem HSV und Kreuzer danken und unterschreiben sollen. Nun darf sich der Südamerikaner, der kämpfen, aber viel zu wenig spielen kann, einen neuen Verein suchen, der ihm ein Millionengehalt überweist. Als Typ wird er fehlen.

Tesche (26/11/0): Warum ausgerechnet der introvertierte Mittelfeldmann, der niemandem wirklich wehtun kann, zu Saisonbeginn aussortiert wurde, bleibt eines dieser unerklärlichen Geheimnisse dieser Saison.

Bouy (20/3/0): Irgendjemand müsste mal plausibel erklären, wie es sein kann, dass dieser 20 Jahre alte Jung in drei Spielen das HSV-Trikot tragen durfte.

Demirbay (20/3/0): Könnte sich in einer abgespeckten Low-Budget-Truppe zu einem Leistungsträger mausern. Hatte großes Verletzungspech, machte aber in der kurzen Zeit Lust auf mehr.

Aogo** (27/2/0): Trotz Kreuzbandriss einer der wenigen Gewinner. Darf nun erneut Champions League spielen.

Jiracek (28/23/1): Mit nichts, aber auch mit gar nichts ist seine Verpflichtung für schier unglaubliche vier Millionen Euro zu erklären. Blieb in fast allen Spielen blass und ist gerade deshalb eines der Gesichter dieses Dramas.

Calhanoglu (20/34/11): Wenn der HSV einem Aktienindex gleichen würde, dann wäre die Aktie Calhanoglu als einzige in diesem Jahr gestiegen. Der Topscorer der Saison ist Hoffnungsträger für eine sportlich und finanziell bessere Zukunft in Personalunion. Die bittere Wahrheit: Nur eines von beiden wird der von zahlreichen Topclubs umworbene Freistoßexperte erfüllen können.

Van der Vaart (31/29/7): Sieben Tore und zehn Vorlagen klingen nach einer ordentlichen Saison, was allerdings maßlos übertrieben wäre. Besonders in der Rückrunde tat der Niederländer alles dafür, zu einer der größten Enttäuschungen dieser HSV-Saison zu werden. Rein sportlich hat der Kapitän das sinkende Schiff entgegen der Gepflogenheiten als Erster verlassen. Ein echter Neuanfang mit van der Vaart ist nur möglich, wenn sich der Nationalspieler weniger um das Drumherum und mehr um das Wesentliche kümmert.

Ilicevic (27/18/3): Es war eigentlich wie immer: wieder lange verletzt, wieder rangekämpft, sich wieder den Status als Hoffnungsträger erspielt und letztendlich auch wieder mit untergegangen. Ein erneutes Wiedersehen mit dem durchaus begabten Fußballer wird es vielleicht nicht mehr geben. Kann ein anderer Verein die 1,92 Millionen Euro Gehalt aufbringen, dann ist der Kroate wohl nur eines: schon wieder weg.

John (21/8/0): Brachte das Kunststück fertig, in allen acht Einsätzen völlig zu versagen. Seine Verpflichtung im Winter war Kreuzers größter Fehler.

Zoua (22/27/2): Darf sich immerhin damit rühmen, als einer der größten Fehleinkäufe in die Vereinsgeschichte einzugehen. Und damit hat der Schnapper, wie Ex-Trainer Fink den Kameruner einst nannte, mehr erreicht als manch anderer im Kader.

Beister (23/16/5): Als sein Kreuzband riss, waren auch die Hoffnungen auf eine bessere Rückrunde zerstört. Der Lüneburger könnte ein Schlüsselspieler des neuen HSV-Teams werden.

Lasogga (22/22/14): Hat ein Herz aus Granit, zwei Füße aus Stahl – und eine Wade aus Wackelpudding. Der Bulle aus Berlin hat in dieser Saison nahezu alles richtig gemacht – außer sich zu verletzen. Sein Muskelbündelriss, den die HSV-Verantwortlichen aus unerklärlichen Gründen bis heute leugnen, war der Anfang vom Ende. Unersetzbar.

Rudnevs*** (26/7/0): Hätte in der Rückrunde weiterhelfen können. Wollte weg, nun ist er bald wieder da.

Maggio (20/4/0): Ohne eigenes Verschulden war der Deutschitaliener der letzte Beweis, warum die Saisonplanung ohne ausreichende Stürmer im Kader kompletter Irrsinn war. Plötzlich musste ein 20 Jahre alter Youngster, der noch nicht einmal bei der U23 besonders aufgefallen war, in die Bresche springen. Das kann nicht funktionieren – und es funktionierte auch nicht.

*Scharner, der bereits vor der Saison aussortiert wurde, hat seine Karriere beendet.

**Aogo machte vor seinem Wechsel zu Schalke zwei Spiele für den HSV.

***Rudnevs wurde nach sieben Spielen für den HSV nach Hannover verliehen.