HSV-Sportchef Oliver Kreuzer hat kurz vor dem Spiel am Sonntag in Augsburg an die Mannschaft appelliert. Und unterstrich damit einmal mehr die Brisanz des drittletzten Spiels der regulären Saison. Den Gegner macht das Kollektiv stark.

Hamburg. Der seltene Gast auf der Pressekonferenz des HSV am Donnerstag unterstrich einmal mehr die Bedeutung des drittletzten Spiels der regulären Saison beim FC Augsburg am Sonntag (15.30 Uhr): Sportchef Oliver Kreuzer hatte sich eingefunden, um die Profis mit einem Appell nochmals wachzurütteln. „Wir befinden uns auf der Zielgeraden, es sind vielleicht noch 30 Meter zu absolvieren. Jetzt muss jedem Spieler bewusst sein, was es heißt, alles aus sich rauszuholen. Sie müssen mehr als 100 Prozent geben, es geht um das Große, Ganze, um das Überleben des Vereins. Totale Hingabe, unglaublicher Siegeswillen, bedingungsloser Einsatz – das ist es, was ich fordere.“

Ob solche markigen Worte bei den Spielern am Ende irgendetwas bewirken, sei dahingestellt. Klar ist jedoch, dass die Augsburger im Vergleich zu den letzten beiden Gegnern Bayern und Mainz derzeit wohl am einfachsten zu bezwingen sind. Denn die große Unbekümmertheit, mit der die Schwaben zwischenzeitlich die Bundesliga aufmischten, ist dahin. Doch Kreuzer dürfte auch ein bisschen persönliche Genugtuung erfahren, sollte sein HSV dem FCA ein Bein stellen. Schließlich flogen vor vier Wochen Giftpfeile zwischen dem HSV-Sportchef und Augsburgs Trainer Markus Weinzierl hin und her.

Nachdem das Interesse der Hamburger an den Augsburger Spielern Matthias Ostrzolek und Kevin Vogt bekannt wurde, zog der Augsburger Coach die Bemühungen Kreuzers ins Lächerliche. „Sie wissen gar nicht, in welcher Liga Sie nächste Saison spielen, haben hundert Millionen Euro Schulden und wollen nach Augsburg kommen und uns die Spieler wegkaufen. Da bin ich ganz entspannt“ sagte Weinzierl. Eine Aussprache sei beim ersten Aufeinandertreffen nach diesem Scharmützel zwar nicht vonnöten, dennoch unterstrich Kreuzer, dass er diese Aussage als „despektierlich“ empfand und er Weinzierl nur raten könne, den „Moment des Erfolges zu genießen“.

Vielleicht stachelt ein solcher Nebenkriegsschauplatz die HSV-Profis ja sogar an, um die Forderungen ihres Sportchefs auch in die Tat umzusetzen. Laut Trainer Mirko Slomka kann seinen Spielern aber gerade in puncto Einsatz, Wille und Laufbereitschaft kaum ein Vorwurf gemacht werden. „Die Einstellung gegen Wolfsburg war vorbildlich, vor allem nach dem großen Rückstand hat das Team nicht aufgegeben“, erklärte der Fußballlehrer, der eher die fußballerische Komponente vermisste.

Denn dass Laufen und Einsatz nicht alles ist, beweist ausgerechnet der FC Augsburg, der im Falle eines Sieges gegen den HSV noch gute Chancen hat, nächstes Jahr international zu spielen. Außer der Hertha bewegt sich kein Team so wenig wie die Augsburger (knapp 112 Kilometer pro Spiel), der HSV liegt mit knapp 115 Kilometer im Mittelfeld. Dennoch werden in Hamburg Niederlagen oft auf die mangelnde Laufbereitschaft zurückgeführt. Auch beim Einsatz liegt der HSV vorne: 120 Zweikämpfe bestreitet der Bundesliga-Dino pro Spiel, Augsburg kommt gerade einmal auf 102 direkte Duelle und ist in diesem Vergleich Ligaschlusslicht.

Was ist dann also das Geheimnis des Erfolges der Weinzierl-Elf, die gerade einmal 17 Millionen Euro an Jahresgehältern verschlingt, während der HSV für seine Kellermannschaft über 40 Millionen aufbringen muss? Ein wesentlicher Teil des Aufschwungs gebührt Stefan Reuter. Als der ehemalige Nationalspieler Ende 2012 den Managerposten übernahm, überwinterte der FCA mit neun Zählern auf dem vorletzten Platz. Er stärkte dem in die Kritik geratenen Trainer Weinzierl dennoch den Rücken. Eine Seltenheit heutzutage. Dieser zeigte jede Menge Mut und verpasste seiner Mannschaft zur Rückrunde einen offensiveren Spielstil.

Seitdem läuft es, mittlerweile greift ein Rädchen ins andere. Wird ein Spieler verpflichtet, sprechen Vorstandsvorsitzender Walther Seinsch, Geschäftsführer Peter Bricks, Reuter und Weinzierl so lange miteinander, bis die Entscheidung einstimmig fällt. Und mit diesen Entscheidungen lag das Quartett oft richtig. Als Beispiel sei nur die ablösefreie Verpflichtung Halil Altintops genannt, der 2011 in Frankfurt ausgemustert wurde, danach auch Trabzonspor (Türkei) nicht überzeugen konnte und dennoch verpflichtet wurde. Altintop hat voll eingeschlagen, was er selbst auf einen weiteren Aspekt zurückführt, der für den unerwarteten Erfolg sorgte: „Noch nie habe ich mich in einem Team so wohl gefühlt wie hier in Augsburg.“ Stars gibt es keine, das Kollektiv zählt.

Aufs Kollektiv setzt auch Slomka. Sein Team sei wieder eine „starke Gemeinschaft“, die im Kurztrainingslager vor dem Spiel weiter zueinander finden soll. Und den Gegner so mit den eigenen Waffen schlagen könnte.