Größte Überraschung im von HSVPlus vorgeschlagenen AG-Aufsichtsrat ist Klitschko-Manager Bernd Bönte. Beiersdorfer bleibt Vorstandskandidat

Hamburg. Ein einfacher Abend sollte es für die HSV-Vorstände Carl Jarchow und Joachim Hilke nicht werden. Statt den Anpfiff des Pokal-Halbfinales zwischen Bayern München und dem 1. FC Kaiserslautern vom Sofa aus zu verfolgen, mussten die Verantwortlichen des HSV vor 250 Mitgliedern auf einer Info-Veranstaltung zur geplanten Ausgliederung im Spiegelsaal des Grand Elysée Hotels Rede und Antwort stehen. Fragen zur drohenden Insolvenz, einem möglichen Lizenzentzug und dem Verscherbeln der Marke HSV mussten beantwortet werden. Nur der am Morgen von der Initiative HSVplus vorgeschlagene und mit Spannung erwartete neue AG-Aufsichtsrat war auf der knapp zwei Stunden langen Veranstaltung nur am Rande ein Thema.

Das war neun Stunden zuvor noch ganz anders. „Einen sehr interessanten Vorschlag“, nannte Jarchow am Mittag die sechs Auserwählten, die den zukünftigen Aufsichtsrat der am 25. Mai zu verabschiedenden AG bilden sollen. Die Namen des Kühne-Bevollmächtigten Karl Gernandt sowie der Ex-Profis Thomas von Hessen und Peter Nogly kursierten bereits. Doch die Kandidaten Dieter Becken, Felix Goedhart und Bernd Bönte dürften sogar Insider überrascht haben.

„Wir haben für den Aufsichtsrat sechs Personen gefunden, die genau das mitbringen, was wir gesucht haben“, sagte der zufriedene HSVPlus-Initiator Otto Rieckhoff, der die Kritik einiger Gegner, dass ein echtes Aushängeschild fehlen würde, genauso wenig kommentieren wollte wie das Dauergerücht, dass Ex-Sportchef Dietmar Beiersdorfer erklärter HSVPlus-Favorit für den neuen AG-Vorstand sein soll. Doch am Mittwoch stand laut Rieckhoff nicht der Vorstand, sondern der Aufsichtsrat im Fokus: „Der Verein soll endlich aus seiner Lethargie erwachen.“

Erwecker des neuen HSV soll vor allem der Wahl-Hamburger Bernd Bönte sein, der zwar bislang keine besonderen Verbindungen zum Profifußball geknüpft hatte, aber die „Weltmarke“ Klitschko kreiert und gepflegt hat. So kennen und schätzen sich Bönte, der vom Magazin „Horizont“ zum Sportmanager 2011 gewählt wurde, und HSV-Marketingvorstand Joachim Hilke seit Wladimir Klitschkos Kampf gegen David Haye in der Imtech Arena im Sommer 2011. „Die Marke HSV ist international nach wie vor eine große Nummer“, lässt sich der bisherige Fan von Bayern München auf der HSVPlus-Homepage zitieren, um dann deutlich zu werden: „Der Dino der Bundesliga zu sein ist kein wirklicher Erfolg an sich.“

Ähnlich sieht das auch Kühnes Vertrauter Karl Gernandt, der ebenfalls eine zentrale Rolle im designierten AG-Aufsichtsrat einnehmen soll. So erhoffen sich Rieckhoff und dessen Mitstreiter von Gernandt nicht nur Kontakte in die deutsche Wirtschaft, sondern auch die moralische Verpflichtung eines finanziellen Engagements von Milliardär Klaus-Michael Kühne. „Unser finanzielles Engagement beim HSV folgt keiner Profitorientierung, sondern geschieht für unsere Stadt Hamburg und ihrem HSV mit seinen Fans“, versichert Gernandt, der hauptberuflich der Präsident des Verwaltungsrats der Kühne + Nagel International AG ist.

Gernandt war es auch, der sich für den eher unbekannten Felix Goedhart als zusätzlichen Finanzexperten im AG-Rat ausgesprochen haben soll. Der 2010 bei den Aufsichtsratswahlen durchgefallene Kandidat ist Vorstandsvorsitzender der Capital Stage AG. „Ich beobachte seit Jahren mit großem Vorbehalt den teilweise unverantwortlichen Umgang mit Geld in unserem Verein“, sagt Goedhart.

Ein gewichtiges Wort mitreden wollen auch Immobilienexperte Dieter Becken, der bei der Suche nach strategischen Partnern helfen soll, sowie die einstigen Stars Thomas von Heesen und Peter Nogly, die für die sportliche Kompetenz in der AG stehen sollen. Dabei will sich von Heesen, der Ambitionen auf den Vorsitz des Aufsichtsrats haben soll, besonders um die HSV-Nachwuchsarbeit bemühen. „Wir brauchen eine übergreifende Idee“, sagt der zweimalige deutsche Meister.

Während der frühere Aufsichtsratschef Horst Becker die Auserwählten als „sechs Richtige für den neuen HSV“ bezeichnet, kritisiert der aktuelle Rats-Vorsitzende Jens Meier den Zeitpunkt der Bekanntgabe: „Ich hätte mir gewünscht, dass man mit der öffentlich wirksamen Präsentation bis nach dem so wichtigen Spiel gegen Wolfsburg wartet.“ Dabei wollte auch Rainer Ferslev nicht so lange warten. Der Initiator von Rautenherz, der die Mitgliederversammlung gerne verschieben würde, bewarb sich ganz konservativ als Kandidat für den Aufsichtsrat – allerdings für das neue, alte Gremium des Vereins.