Der frühere Bayer- und HSV-Trainer Klaus Toppmöller glaubt, dass der Spielmacher seine Krise überwindet

Hamburg. Und wieder ein Schuss in den Ofen. Klaus Toppmöller war extra nach Abu Dhabi gereist, um mit dem chinesischen Fußballverband über ein mögliches Engagement als Nationaltrainer zu verhandeln. Doch die Aufgabe erschien ihm nicht reizvoll genug. „Die Voraussetzungen in China sind so schlecht, da wird auch in acht Jahren keine Entwicklung zu sehen sein“, sagt Toppmöller, der sich seit seiner letzten Trainerstation als Coach der georgischen Nationalmannschaft vor fast sechs Jahren im „Zwischenruhestand“ befindet. „Es gab immer mal wieder Angebote aus dem Ausland, Tschechien, Türkei, Griechenland und Afrika, doch sollte einfach alles passen, damit ich wieder ein Traineramt annehme.“

So wird der heute 62-Jährige am Freitagabend eine Kneipe in der Nähe Triers aufsuchen, um dort mit Freunden ein wenig in der Vergangenheit zu schwelgen – und das Eröffnungsspiel des 29. Bundesligaspieltags anschauen. Denn mit dem HSV und Bayer Leverkusen treffen um 20.30 Uhr (Sky und Liveticker auf abendblatt.de) zwei Teams aufeinander, die Toppmöller beide als Fußballlehrer betreut hat. Zwischen 2003 und 2004 stand der frühere Nationalspieler für ein Jahr beim HSV an der Seitenlinie, durchlebte Höhen und Tiefen. Ein Jahr zuvor war er der gefragteste Trainer des Landes und wurde nach dem Einzug ins Champions-League-Finale mit Leverkusen als erster Coach überhaupt von den deutschen Sportjournalisten zum Trainer des Jahres gewählt. Sogar Bayern München hatte damals angefragt.

Aus den letzten elf Pflichtspielen holte Leverkusen nur einen Sieg

Doch diese Zeiten sind vorbei. Ein Engagement in Deutschland käme für „Toppi“ kaum mehr infrage, mit dem Thema ist er eigentlich durch. Dennoch verfolgt er die Bundesliga intensiv, vor allem seine Ex-Clubs. „Es ist traurig, dass beide Teams so unter ihren Möglichkeiten spielen. Gerade der HSV gehört eigentlich ganz woanders hin in der Tabelle, doch die unsäglichen Transfers in der Vergangenheit haben zum jetzigen Zustand geführt“, sagt Toppmöller.

Vor allem die HSV-Abwehr sei nicht bundesligatauglich, der Kader völlig falsch zusammengestellt, die Anzahl der individuellen Fehler unermesslich. Doch zwei Dinge machen Toppmöller Hoffnung, dass Hamburg am Ende die Klasse hält: die Begeisterung im Umfeld und das schlafende Potenzial in einem der Spieler, der den Unterschied ausmachen kann. „Das Publikum war schon zu meiner Zeit sensationell. Sobald der Funke vom Rasen auch nur einen Millimeter überspringt, werden die Fans aber so was von hinter dem HSV stehen, dass die Unterstützung zu einem entscheidenden Faktor wird. Und dann gibt es ja noch Rafael van der Vaart. Ich habe schon mitbekommen, dass ich fast der Einzige bin, der noch zu ihm hält. Doch in einer schlechten Mannschaft sieht auch ein guter Spieler schlecht aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass van der Vaart gegen Bayer ein überragendes Spiel macht und dem HSV zu einem 1:0-Sieg verhilft.“

Auch wenn Toppmöller beiden Teams die Daumen drückt, schätzt er Bayer momentan schlechter ein als den Bundesliga-Dino. Aus den letzten elf Pflichtspielen holte der Werksclub nur einen Sieg. Allein die Körpersprache der Leverkusener sei vielsagend, wie sie zuletzt mit hängenden Köpfen ins Stadion liefen. Die Hamburger werden sich hingegen zerreißen, da ist sich der gebürtige Rivenicher sicher. „Für die richtige Einstellung ist der Trainer hauptverantwortlich“, sagt Toppmöller, der es während seiner Laufbahn verstand, Spieler und Fans mit seiner Leidenschaft fast so oft anzustecken wie seine geliebten Zigaretten.

Der jetzige HSV-Trainer Mirko Slomka hat mit der Einstellung seiner Schützlinge derzeit wenig Probleme, mit ihren Wehwehchen umso mehr. Sein Team zwickt es vor allem in der Offensive: Ivo Ilicevic musste das Mannschaftstraining am Freitag auslassen, fällt mit einer Innenbandzerrung weiter aus. Topstürmer Pierre-Michel Lasogga fehlt mit seinen Muskelproblemen bekanntlich ebenfalls. Doch auch der Kontrahent muss umplanen, da Innenverteidiger Ömer Toprak an Wadenproblemen laboriert und Mittelfeldspieler Stefan Reinartz mit Fersenproblemen ausfällt. Ex-HSV-Profi Sidney Sam steht mit muskulären Problemen weiter nicht zur Verfügung.

„Wir wissen um die Situation des HSV. Sie ist ein bisschen schlimmer als unsere“, schätzte Bayer-Trainer Sami Hyypiä die Ausgangslage realistisch ein. Bei einem HSV-Sieg könnte sich die Situation für den Finnen jedoch derartig verschlimmern, dass er von seinen Aufgaben in Leverkusen entbunden wird. Vielleicht erinnern sich die Vereinsoberen dann ja an ihren ehemaligen Trainer des Jahres …