Der HSV hat sich in der Vergangenheit eine Vielzahl an Fehlern geleistet – und begeht die gleichen immer weiter. Eine Analyse von HSV-Experte Dieter Matz.

Der große Curd Jürgens, einer der besten deutschen Schauspieler, sang im Jahre 1975 mit Anspielung auf sein bewegtes Leben: „60 Jahre, und kein bisschen weise…“ In seinem musikalischen Resümee heißt es in den ersten Zeilen: „Ich habe manchen Kratzer abgekriegt, zu sagen, es war halb so schlimm – es wär gelogen, ich habe längst nicht immer nur gesiegt, die Pose hat darüber weggetrogen.“ Könnte auch für den HSV dieser Tage gelten, denn nach 50 Jahren Bundesliga müsste es dort heißen: „50 Jahre und kein bisschen weise, aus gehabtem Schaden nichts gelernt…“

Letztere Feststellung passt genau in diese Saison. Der HSV durchlebt eine sehr, sehr schwere Phase seines Vereinslebens, in ganz Deutschland sorgen sich die Rothosen-Fans um ihren Club. Es wird heiß diskutiert, es wird gehofft und geträumt – und es wird auch immer gefragt: „Welche Fehler wurden gemacht, die zu diesem tiefen Sturz führten?“ Meine Antwort darauf ist eine Gegenfrage: „Welche Fehler nicht?“ Der HSV hat doch auf seiner stetigen und rasanten Talfahrt nichts ausgelassen. Das setzt sich bis in die Schlussphase dieser Saison fort – und wahrscheinlich noch weiter.

Beispiele gibt es zuhauf. Der Fall Johan Djourou. Nach 20 Einsätzen des Schweizer Nationalspielers ist aus dem Leihgeschäft ein Kaufgeschäft geworden. Der HSV muss an Arsenal London 3,5 Millionen Euro überweisen. Das ganze „Paket Djourou“ soll darüber hinaus wesentlich teurer sein, gemunkelt wird von sieben Millionen. Wer aber macht eigentlich – noch immer (!) – solche Wahnsinns-Verträge? Sportchef Oliver Kreuzer? Der hatte doch vor Monaten schon erkannt: „Wir sind nicht mehr der große HSV.“

Über den aberwitzigen Vertrag mit Kurzzeit-Trainer Bert van Marwijk, der den HSV Millionen gekostet hat, wurde in der Stadt schon hinlänglich diskutiert. Jetzt gibt es die Hoffnung, dass der HSV bei einem eventuellen Abstieg durch den Verkauf seines Stars Rafael van der Vaart noch einige Millionen in die längst geplünderte Vereinskasse bekommt, aber auch die ist hinfällig. Von einer eventuellen Ablöse für den Niederländer würde nur HSV-Edelfan und -Sponsor Klaus-Michael Kühne profitieren, denn bei ihm liegen die Van-der-Vaart-Rechte. Vielleicht aber lässt sich Kühne ja ein weiteres Mal dazu hinreißen, auch auf dieses Geld zu verzichten. Obwohl es ja immer noch HSV-Fans geben soll, die auf diese Kühne-Unterstützung gerne verzichten würden…

Das sind wohl jene HSV-Mitglieder und -Anhänger, die noch immer überzeugt sind, dass der Tabellensiebzehnte allein durch personelle Einsparungen wieder zu Geld und damit zum Leben kommen würde. Diese Leute sind hinter den Kulissen bemüht, die HSVPlus-Initiative, über die der HSV am 25. Mai abstimmt, zu verhindern. Motto: „Wir brauchen nur 25,1 Prozent, um zu gewinnen.“ Wird die nötige Dreiviertelmehrheit von HSVPlus verfehlt, dann geht im HSV wahrscheinlich alles so weiter wie bisher.

Inklusive der Pyro-Performance bei den HSV-Auswärtsspielen. Bei den Begegnungen im Volkspark sind es neuerdings nur harmlose Wunderkerzen, auswärts aber, da wird ein richtiges Feuerwerk abgebrannt. Wat mutt, dat mutt. Die Fans wollen doch einfach nur ihren Spaß – wenn sie ihn schon durch die fußballerischen HSV-Darbietungen nicht bekommen. Dass sie dabei dem Verein auch noch das letzte Geld aus der Tasche ziehen (durch die permanenten DFL-Strafen), das ist Schicksal. Und dass sich die Vereins-Oberen von diesen Pyrotechnikern schon seit Jahren auf der Nase herumtanzen lassen, das passt eben auch zum Liedchen von Jürgens. Nichts gelernt.

Der HSV weiß doch längst, wer hinter diesem Stadion-Feuer steckt. Und für diejenigen, die immer noch ahnungslos sind, wäre es doch kinderleicht, sich bei einem Auswärtsspiel mal zu jenen „Fans“ zu stellen – diese Fackeln werden doch nicht nur für einige Sekunden in den Händen gehalten. Zudem könnte die heutige Video-Überwachung längst dafür sorgen, solche „netten Fußball-Fans“ zu entlarven – aber das ist offenbar nicht gewollt. Dann lieber Geld ausgeben, was man nicht hat. So wie immer. Aus gehabtem Schaden wird hier tatsächlich nichts gelernt.