Der HSV muss alle Unterlagen für die Bundesliga bis zum Wochenende bei der DFL einreichen. Für den Fall des Abstiegs gibt es eine Geheimklausel im Slomka-Vertrag, auch das Anleiheprojekt Campus-Bau bleibt vorerst fraglich

Hamburg. Ein großes Büfett wurde für den Dienstag nicht geordert. Ein paar belegte Schnittchen, das musste reichen. In der Hamburger-Weg-Loge, wo am Abend der Finanzausschuss des Aufsichtsrats (Christian Strauß, Jürgen Hunke und Eckart Westphalen in Vertretung von Jens Meier) gemeinsam mit HSV-Chef Carl Jarchow und Finanzchef Oliver Peter tagte, sollte die Arbeit im Vordergrund stehen. Schließlich müssen bis zum Wochenende die Lizenzunterlagen für die Erste und bis zum 1. April für die Zweite Liga eingereicht werden (das Abendblatt berichtete). Und dass die Verantwortlichen dieser Lizenzierungsrunde nach drei Geschäftsjahren mit Millionenminus und dem vierten zu erwarteten negativen Geschäftsergebnis in Folge mit gemischten Gefühlen entgegensehen, erscheint da nur logisch. 5,7 Millionen Euro Eigenkapital wies der HSV zum Ende des Kalenderjahrs 2013 aus – fällt das zu erwartende Minus in diesem Geschäftsjahr höher aus, droht gar die Insolvenz. „Im Falle des Abstiegs müssen wir mit Auflagen rechnen“, hatte Jarchow bereits vor Wochen angekündigt.

Doch obwohl es seitdem unter Neutrainer Mirko Slomka zumindest sportlich wieder aufwärts zu gehen scheint, wurde hinter den Kulissen weiter eifrig an beiden möglichen Szenarien gearbeitet. Klar ist, dass der Gehaltsetat im Falle des Abstiegs um mindestens 40 Prozent reduziert werden müsste, weil auch die zu erwartenden Einnahmen um mindestens 40 Prozent sinken würden. Doch wie das Abendblatt nun erfuhr, sollen nicht nur möglichst alle Topverdiener den Verein bei Abstieg verlassen. Aus Kostengründen wäre sogar ein erneuter Trainerwechsel denkbar, obwohl der gerade erst verpflichtete Slomka öffentlichkeitswirksam auch einen Vertrag für die Zweite Liga unterzeichnet hatte.

Grund für derartige Gedankenspiele ist keinesfalls die bislang überzeugende Arbeit Slomkas, die von den Verantwortlichen überwiegend als positiv bewertet wird. Vielmehr könnte das Millionengehalt, das dem früheren Hannoveraner bis 2016 zustehen würde, in der Zweiten Bundesliga nur schwer zu finanzieren sein. Anders als bei Slomka-Vorgänger Bert van Marwijk, dessen ausstehendes Gehalt von rund 2,7 Millionen Euro bis Vertragsende den Verein nachhaltig lähmt, wurde daher bei dessen Nachfolger ein Notausstieg im Vertrag verankert. So kann der Verein im Falle des Abstiegs für einen geringen sechsstelligen Betrag aus dem kostspieligen Vertrag aussteigen, um gegebenenfalls Platz für einen bezahlbaren Neutrainer zu machen. Umgekehrt ließ sich Slomka für den Fall des erhofften Klassenerhalts eine entsprechende Nichtabstiegsprämie in ähnlicher Höhe zusichern.

Was aber tatsächlich nach einem möglichen Abstieg aus dem gerade erst verpflichteten Trainer wird, hängt wohl auch von der geplanten Strukturreform HSVPlus und den eventuellen neuen Ertragsmöglichkeiten ab. Bei Slomkas Vorgesetzten sieht die Sachlage anders aus: So soll sich ein Großteil des verbliebenen Restaufsichtsrats (Meier, Strauß, Hunke, Westphalen, Katrin Sattelmair, Ronny Wulff) einig sein, dass zumindest Jarchow und Marketingvorstand Joachim Hilke im Abstiegsfall gehen müssten. Die Zukunft von Sportchef Kreuzer scheint dagegen maßgeblich von der geplanten Revolution HSVPlus abzuhängen. Klar ist: Ähnlich wie bei Slomka wäre auch eine vorzeitige Demission Kreuzers bezahlbar. So haben die Kontrolleure in den Verhandlungen darauf bestanden, dass der Verein einseitig den Vertrag kündigen könnte. In diesem Falle würden dem 48 Jahre alten Badener „nur“ 50 Prozent seiner noch zu erwartenden Bezüge zustehen.

Wie einschneidend ein Abstieg für den Verein wäre, dürfte spätestens seit vergangenem Freitag auch den meisten Anhängern klar sein – zumindest denjenigen, die im vergangenen Jahr Fan-Anleihen für den HSV-Campus gezeichnet haben. In einer 22-zeiligen E-Mail wurden sämtliche Zeichner vom Vorstand darauf vorbereitet, dass der Bau des seit Monaten geplanten Zukunftsprojekts, für das von den eigenen Fans insgesamt 17,5 Millionen Euro eingesammelt worden waren, für den Fall des Abstiegs zumindest vorerst auf Eis liegt. Alle möglichen und nötigen Schritte würden bis zur Entscheidungsreife vorbereitet werden, heißt es in dem 122 Wörter kurzen Anschreiben, das erst im letzten Satz etwas verklausuliert auf den Punkt kommt: „In Abhängigkeit von der sportlichen Entwicklung werden diese Entscheidungen zu gegebener Zeit getroffen und der weitere Zeitplan des Projektes HSV-Campus gestaltet.“

Was harmlos klingt, heißt im Klartext, dass nach einem möglichen Abstieg der für diesen Frühling angedachte Baubeginn auf unbestimmte Zeit verschoben werden müsste. „Das stimmt“, bestätigt Jarchow, „nach einem Abstieg müssten wir neu planen.“ Ohnehin waren von den ursprünglich eingesammelten Fan-Millionen in der Bilanz für die Saison 2012/13 nur noch 9,24 Millionen Euro als liquide Mittel vermerkt. Trotzdem betont Jarchow, dessen Gespräche mit der Stadt über den Umbau des Trainingsplatzes ohnehin noch nicht abgeschlossen sind, gegenüber dem Abendblatt: „Das Gesamtprojekt steht nicht infrage – auch nicht im Abstiegsfall. Ansonsten gibt es zu dieser Thematik zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr viel zu sagen.“

Letzteres soll der Finanzausschuss des Rats am Abend allerdings ein wenig anders gesehen haben. Die nächste turnusmäßige Sitzung der Kontrolleure ist für den kommenden Dienstag terminiert. Und Gesprächsbedarf gibt es mehr als genug.