Beim 1:1 gegen Frankfurt verliert der HSV zwei wichtige Punkte, gewinnt aber den Glauben der eigenen Fans zurück

Hamburg. Am Sonntagvormittag fielen dann auch die letzten Hemmungen. Nachdem zunächst nur zwei Kinder das „Nicht betreten!“-Schild vor dem Parkplatz der HSV-Profis direkt am Stadion ignoriert hatten und den abfahrbereiten Lasse Sobiech um ein Autogramm baten, nahmen sich umgehend rund 40 Fans ein Beispiel an den Nachwuchs-Anhängern. Jeder Spieler, der die Kabine in den folgenden Minuten verließ, wurde umkreist, Fotos wurden gemacht, Autogramme geschrieben und Nettigkeiten ausgetauscht. „Wir können wieder lachen. Die Sonne scheint, wir haben gut gespielt, das ist ein schönes Gefühl“, sagte Hakan Calhanoglu, der – im Gegensatz zum eilig davonbrausenden Kapitän Rafael van der Vaart – keine einzige Unterschrift verweigerte. „Es ist ein herrlicher Sonntag. Man hat das Gefühl, dass wir enger zusammenrücken“, ergänzte Tolgay Arslan, ehe er den Parkplatz, auf dem noch vor einem Monat die Spieler von den erbosten Fans nach dem 0:3 gegen Hertha zum Teufel gewünscht wurden, unter Applaus verließ.

Glaube, Liebe, Hoffnung. Die Zuversicht ist zurück – und das, obwohl der HSV am Vortag das Heimspiel gegen einen Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt nicht mal gewinnen konnte. 1:1 spielte das Team von Mirko Slomka gegen Eintracht Frankfurt, freute sich aber dennoch über die lange vermisste Gewissheit, dass doch nicht alles schlecht ist. „Wir sind berechtigt belohnt worden“, sagte Slomka, „ich habe gute Dinge gesehen, die wir in die nächsten Spiele mitnehmen sollten.“

Besonders freuen durfte sich der Trainer, dass seine arg dezimierte Mannschaft, die gleich auf zehn (!) verletzte Profis verzichten musste, offenbar die Zeichen der Zeit erkannt hat. „Wir wissen ja, dass wir eigentlich eine spielerisch gute Mannschaft haben. Aber wir wissen auch, dass wir zunächst vor allem kämpferisch überzeugen müssen“, sagte Arslan, der den freien Sonntag in seiner Heimat in Paderborn genoss. Gemeinsam mit Calhanoglu, Milan Badelj und vor allem dem zuvor lange verletzten Ivo Ilicevic hatte der Deutschtürke gegen Frankfurt im Mittelfeld die Verantwortung in der Rumpfmannschaft übernommen. Der grippegeschwächte van der Vaart, der am Sonntag immerhin schon joggen konnte, wurde nur bedingt vermisst.

Dass es nach einem vor allem in der zweiten Halbzeit sehr ordentlichen Spiel am Ende doch nur zu einem Punkt reichte, lag weniger am ausgefallenen Niederländer, als viel mehr am schmerzlich vermissten Pierre-Michel Lasogga. Dessen Vertreter Jacques Zoua bemühte sich zwar redlich, konnte den Torjäger aber in keinem Moment ersetzen. „Wir haben tatsächlich mit dem letzten Aufgebot gespielt“, gab Sportchef Oliver Kreuzer dann auch unumwunden zu: „Die Jungs haben ja fast auf ein Tor gespielt, obwohl wir uns keine klare Chancen herausgespielt haben.“ Es gehört zu den vielen Irrationalitäten des Fußballs, dass es am Ende ausgerechnet der Kameruner war, der maßgeblich am Ausgleichstreffer beteiligt war. Nachdem Zouas Stolperer über Carlos Zambranos Beine hart, aber regelkonform mit einem Strafstoß geahndet wurde, verwandelte Calhanoglu diesen cool ins obere rechte Eck (72.). „Natürlich war das eine Drucksituation, aber in Karlsruhe habe ich ja auch alle Strafstöße geschossen“, kommentierte der Badener ebenso cool seinen so wichtigen Schuss ins Glück: „Ich wusste, dass der Torwart keine Chance hat.“

Sehr realistische Chancen auf den Klassenerhalt hat dagegen noch immer der HSV, der sich diese Erkenntnis aber hart erarbeiten musste. „In der zweiten Halbzeit sind wir jedem Ball hinterhergejagt“, sagte Arslan, der nun darauf setzt, dass schon beim Spiel gegen Nürnberg am kommenden Sonntag der eine oder andere angeschlagene Jäger wieder dazustoßen wird. „Wir setzen unsere ganze Hoffnung in unsere medizinische Abteilung, die schon in dieser Woche einen fantastischen Job gemacht hat“, sagte auch Slomka, der mit Lasogga, van der Vaart und Petr Jiracek gleich drei potenzielle Stammkräfte im Lauf dieser Woche zurückerwartet.

Somit war es auch nicht wirklich verwunderlich, dass Hamburgs Trainer nach den 90 Minuten die deutlich bessere Laune als Ex-HSV-Trainer Armin Veh zur Show stellte. „Du wolltest doch noch sagen, wohin du gehst“, sagte Slomka grinsend auf der offiziellen Pressekonferenz und brachte damit seinen Vorvorvorvorgänger in arge Bedrängnis. Veh, der vergangene Woche bekannt gegeben hatte, dass er seinen im Sommer auslaufenden Vertrag in Frankfurt nicht verlängert, wurde kalt erwischt, schmunzelte dann aber doch: „Ich weiß ja net, was ich mache.“

In Hamburg darf wieder gescherzt werden – und das ist langfristig vielleicht sogar mehr als drei Punkte wert.