Das Team stellt sich im Heimspiel gegen Frankfurt fast von alleine auf. Lasogga, van der Vaart und Jansen fallen aus.

Hamburg. Es kommt eher selten vor, dass sich ein Trainer einen Merkzettel zur Pressekonferenz mitnimmt. Doch HSV-Trainer Mirko Slomka griff am Donnerstag zu dieser Maßnahme, um irgendwie den Überblick über die Verletztenmisere seines Clubs zu behalten. Die schlechten Nachrichten zuerst: Marcell Jansen wurde nach seiner Verletzung aus dem Länderspiel gegen Chile in Tübingen am Kapselbandapparat operiert. Ein Band im Sprunggelenk ist gerissen, ein zweites unter Umständen auch. Sechs Wochen Pause lautet die erste Prognose. Da die Genesung des am Oberschenkel gezerrten Petr Jiracek schlechter als erwartet verläuft und auch Zhi Gin Lam (Adduktorenprobleme) weiter ausfällt, steht als halbwegs geeigneter Linksverteidiger nur noch Heiko Westermann zur Verfügung. Nicht nur bitter für den HSV, auch für Jansen persönlich, dessen WM-Teilnahme nun in Gefahr gerät. Zudem fällt in der Abwehr auch Lasse Sobiech mit einer Gehirnerschütterung aus einem Trainingsspiel definitiv aus.

Im Sturm hakt es ebenfalls. Torjäger Pierre-Michel Lasogga kann zu 99 Prozent nicht spielen. „Er hat keine schlimme Verletzung, nur eine Muskelverhärtung, doch die ärztliche Empfehlung lautet, ihn nicht spielen zu lassen. Und daran wollen wir uns halten“, erklärte Slomka. So wird Jaques Zoua, den sein Coach in einem System mit zwei Angreifern allerdings besser aufgehoben sieht, im Spiel gegen Eintracht Frankfurt am Sonnabend (15.30 Uhr) eine weitere Chance erhalten. Doch Slomka glaubt weiter an den Kameruner. „Er ist sehr lauffreudig und kopfballstark. Ich traue ihm alles zu“, sagt der 46-Jährige. Die dritte Hiobsbotschaft: Auch Kapitän Rafael van Vaart wird wohl nicht zur Verfügung stehen. Am Mittwoch klagte der Niederländer über mehr als 40 Grad Fieber, am Donnerstag ging es ihm kaum besser. Jeder kann sich ausmalen, dass ein Einsatz gegen die Eintracht so kaum möglich ist. Ersatztorhüter Jaroslav Drobny und Mittelfeldspieler Kerem Demirbay sind nach ausgeheilten Muskelfaserrissen ebenfalls noch nicht fit. Für die gesamte verbleibende Saison fallen Maximilian Beister und Slobodan Rajkovic (jeweils Kreuzbandriss) aus.

Immerhin konnte Slomka seinem Zettel auch Positives entnehmen: So sind Hakan Calhanoglu, Ivo Ilicevic (beide Oberschenkelzerrung) und Milan Badelj (Handbruch) wieder im Mannschaftstraining und können am Sonnabend wohl mitwirken – doch hundertprozentige Fitness kann keiner der drei Akteure nachweisen.

So wird Slomka nach jetzigem Stand immerhin 16 halbwegs gesunde Profis in seinen Kader berufen können – die ehemals aussortierten Robert Tesche und Michael Mancienne eingerechnet. Da werden Erinnerungen an die Saison 2006/07 wach, als der HSV unter Trainer Thomas Doll eine rekordverdächtige Verletzungsmisere durchstehen musste. 13 Profis fielen während der Hinrunde länger aus, kleinere Blessuren nicht mitgerechnet. Der Club lief teils mit nur drei der angedachten Stammspieler auf, Amateure standen des Öfteren im Kader. Zur Winterpause hatte der HSV vier Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz.

Ganz so dramatisch stellt sich die Lage noch nicht dar, aber hier zeigt sich ein weiteres Problem: Aus dem älteren Nachwuchs drängt sich momentan nicht ein Spieler auf, der diese personelle Notlage für sich nutzen könnte. Immerhin hat Slomka U23-Akteur Ashton Götz einen Kaderplatz in Aussicht gestellt, der auf beiden Außenverteidiger-Positionen agieren kann. Zeitweise trainierten auch andere Talente bei den Profis mit. Doch die U23 kämpft trotz dauerhafter Profi-Unterstützung in der Regionalliga um den Klassenerhalt, die A-Junioren drohen aus der Bundesliga abzusteigen. Erst in der U17 sieht die Bilanz wieder besser aus, doch bis diese Talente ernsthafte Alternativen sein können, spielt der HSV vielleicht schon in Liga zwei.

Wehklagen ist aber nicht Slomkas Sache. „Wir wollen uns nicht hinter den Verletzungen verstecken und auch nicht rumjammern“, sagte der Fußballlehrer, der vielmehr die positiven Entwicklungen seit seiner Amtszeit in den Vordergrund stellte. „Gucken wir uns René Adler an, er ist wieder auf dem Weg zu alter Stärke. Oder Johan Djourou, der zuletzt super Zweikampfwerte hatte und eine gute Passquote. Auch Tolgay Arslans Tendenz zeigt klar nach oben, er wird immer präsenter und hat mehr Ballkontakte als zuvor.“ Und zu guter Letzt appellierte der Coach noch an den „zwölften Mann“ auf den Rängen. „Wir brauchen unsere Zuschauer so wie gegen Dortmund, als auch ein gewonnenes Kopfballduell oder ein Befreiungsschlag frenetisch bejubelt wurden. Das gibt dem Team Sicherheit.“

Dieser Aufforderung werden die Fans sicher nachkommen, wenn sie spüren, dass die Mannschaft sich nicht hängen lässt. Und bedingungslosen Einsatz dürfen sie auch von einem Rumpfteam erwarten.