HSV hofft vor dem Debüt Slomkas gegen Dortmund auf den Trainereffekt. Mit Recht? In seinem ersten Spiel als Chefcoach der Hamburger sorgt der 46-Jährige gleich für personelle Überraschungen.

Hamburg. An der Nachhaltigkeit des Trainerwechsels wollte HSV-Sportchef Oliver Kreuzer mal so überhaupt keine Zweifel aufkommen lassen. Der neue Trainer wäre genau der Richtige, er lebe nicht ausschließlich von der Motivation, sondern vom ganzen Auftreten. Und auch den Schlendrian würde der Neue den Profis schon austreiben, prognostizierte Kreuzer, der einen echten Stimmungsumschwung voraussagte: „Wir werden uns weiter verbessern, denn wir haben noch Luft nach oben.“

Hoffnungsvolle Worte, die Kreuzer, und hier kommt der Haken, vor ziemlich genau vier Monaten benutzte. Adressat der Lobhudeleien damals war Bert van Marwijk, von dem sich Kreuzer „einen langfristigen Positiveffekt“ versprach. Und tatsächlich gewann der HSV unter dem Niederländer am Wochenende darauf in Freiburg mit 3:0. Doch auch der Rest der Geschichte ist bekannt: Es folgten nur noch ein weiterer Sieg gegen Hannover 96 und ein Remis gegen den VfL Wolfsburg. Nach acht Pflichtspielniederlagen in Folge musste van Marwijk vor knapp einer Woche schließlich gehen. Mirko Slomka, der neue Neue, wurde verpflichtet.

Nun also Slomka. Getreu dem im Fußball weitverbreiteten Motto „Neuer Trainer, neues Glück“ wurde der studierte Pädagoge am Montag als letzter Hoffnungsträger im Abstiegskampf präsentiert. Und Slomka, ein Meister der Inszenierung, legte los wie die Feuerwehr. Trainingsumfang (mehr), Auftreten (positiver) und Bleibe (Wohnung statt Hotel) änderte Slomka im Vergleich zu Vorgänger van Marwijk umgehend. Und auch bei der Startelf plant der ehemalige Hannoveraner Änderungen. Doch die entscheidende Frage, die am Sonnabend ab 15.30 Uhr im Spiel gegen Dortmund (live auf Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) beantwortet wird: Kann Slomka auch die Ergebniskrise des HSV stoppen?

Die Antwort muss nach den Erfahrungen der Vergangenheit ein klares „Jein“ sein. Langfristig, das haben gleich eine ganze Reihe von Studien bewiesen, ist nach einem Trainerwechsel nicht mit anhaltendem Erfolg zu rechnen. Doch zumindest auf einen kurzfristigen Effekt dürfen die HSV-Fans hoffen. Experten geben hierfür vor allem drei Gründe an. Zum einen wirke der Trainerwechsel bei vielen Spielern in einer unterbewussten Ebene.

Durch einen neuen Coach bekomme der Profi gewissermaßen ein reines Gewissen. Zum anderen sprechen Experten wie der Hamburger Mentaltrainer Olaf Kortmann von der „hormonellen Verliebtheit", die Profis kurzfristig zu einer besseren Leistung verhilft. Und als dritter Faktor wird der neu ausgerufene Kampf um die Stammplätze angeführt. So würde jeder Spieler spüren, dass er entweder eine neue Chance bekommt oder sich neu beweisen muss.

Genau darauf setzt Slomka offenbar auch vor dem Spiel gegen Dortmund. Anders als Vorgänger van Marwijk, der bei seinem Debüt (2:2 gegen Eintracht Frankfurt) exakt auf die gleiche Startelf setzte wie im letzten Spiel vor ihm Interimstrainer Rodolfo Cardoso, scheint der 46 Jahre alte Fußballlehrer die halbe Mannschaft austauschen zu wollen. Beim geheimen Abschlusstraining am Freitag im strömenden Regen war die eine oder andere Änderung deutlich sichtbar. So dürften in der Abwehr Slobodan Rajkovic, noch ohne Spielminute, und Johan Djourou, noch ohne Qualitätsnachweis, die Nase vorn haben.

Besonders Ex-Kapitän Heiko Westermann, der bereits auf Schalke unter Slomka einen schweren Stand hatte, könnte dem Trainerwechsel zum Opfer fallen. Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier, der zuletzt seinen Stammplatz verloren hatte, könnte dagegen im Vergleich zu Konkurrent Zhi Gin Lam profitieren – genauso wie die Mittelfeldkämpfer Tomas Rincon und Petr Jiracek. Und auch im offensiven Mittelfeld ist der Kampf um die Stammplätze neu entbrannt. Lediglich Pierre-Michel Lasogga bleibt im Sturm konkurrenzlos glücklich.

Ob aber tatsächlich neue Besen gut kehren, wird sich erst in den 90 Minuten am Sonnabend zeigen. Slomkas Vorgängern ist der sofortige Stimmungswechsel jedenfalls recht gut gelungen. Unter Neu-Trainer van Marwijk blieb der HSV viermal in Folge ungeschlagen, bei Vorgänger Thorsten Fink waren es nach dessen Amtsantritt gar acht Partien ohne Niederlage, Michael Oenning und Armin Veh schafften jeweils vier Spiele in Serie. Einen überragenden Start hatte Bruno Labbadia mit zehn Partien ohne Pleite, Martin Jol schaffte immerhin vier Spiele ohne Enttäuschung. Letzter HSV-Cheftrainer, der tatsächlich mit einer Niederlage startete, war Huub Stevens (siehe Tabelle unten).

Und auch Slomka selbst kann bereits auf gute Debüterfahrungen zurückschauen. Bei seinen ersten beiden Profistationen als Trainer von TeBe Berlin und auf Schalke startete der Fußballlehrer jeweils mit einem 2:0-Sieg. Nur bei Hannover 96 klappte es mit dem Gesetz der Serie nicht – zumindest nicht im positiven Sinne. Slomka verlor die ersten sechs Partien, was im Wiederholungsfall beim HSV nur eines bedeuten würde: den sicheren Abstieg.

Die voraussichtliche Aufstellung

HSV: Adler – Diekmeier, Djourou, Rajkovic, Jansen – Badelj, Rincon – Calhanoglu, Arslan, Jiracek – Lasogga

Schiedsrichter: Felix Brych (München)