Ein offener Brief von Björn Jensen

Liebe HSV-Profis,

darf ich ehrlich zu euch sein? Seit dem Offenbarungseid gegen Schalke geht es mir wie so vielen: Ich kann es nicht mehr ertragen, euch bei der Arbeit zuzuschauen. Euch mit der Aufgabe zu betrauen, unseren glorreichen Verein vor dem erstmaligen Abstieg aus der Fußball-Bundesliga zu bewahren, das ist so, als müsse man seinen besten Freund für eine 16 Etappen umfassende Operation am Herzen in das einst beste Krankenhaus der Stadt einliefern, das nur noch von seinem Ruf lebt. Am Eingang steht der Klinikchef und sagt mit einem Blick auf das Ärzteteam, das gern zu Europas Spitzenkardiologen gehören würde, aber zu oft die Fortbildungen versäumt und im Operationssaal deshalb regelmäßig falsche Schnitte setzt: „Tut mir leid, wir haben keine anderen. Dieses Team muss es richten.“

Man nimmt das hin, weil man es nicht ändern kann. Natürlich hofft man vor jeder Etappe, dass es gut geht, aber hinschauen mag man nicht mehr. Man hört die Zwischenberichte der Operateure und die Beschwichtigungen des Klinikchefs mit zunehmendem Unwohlsein und denkt mit Grausen an das Ergebnis, das man in der bitteren Konsequenz längst zu kennen glaubt.

Und man weiß: Wenn der beste Freund dann nicht mehr ist, ziehen die Ärzte weiter zum nächsten Patienten. Sie haben ja alles gegeben, es hat eben nicht gereicht. Künstlerpech. Und irgendwo ist sicherlich jemand, der ihnen noch mehr Geld zahlt als das, was sie schon jetzt nicht wert waren. Kommt euch das bekannt vor?

Natürlich ist, um im Bild zu bleiben, ein Abstieg nicht gleichbedeutend mit dem Tod eines besten Freundes. Es würde ja weitergehen mit dem Verein und uns, irgendwie. Und wenn ihr nicht mehr da seid, gibt es ja vielleicht Hoffnung. Es kann natürlich auch immer noch schlimmer werden, auch in der Zweiten Liga kann man Derbys verlieren, und in der Dritten …

Ach, Schluss jetzt! Sonnabend wartet Hoffenheim. Die Operation Auswärtssieg gelingt. Ganz bestimmt.

Redakteur Björn Jensen, 37, ist seit den 80er-Jahren leidenschaftlicher HSV-Fan. Beim Abendblatt schreibt er deshalb nicht über Hamburger Fußball.