Der Kapitän meldet sich beim HSV fit – und im Training fliegen die Fetzen. Beister und Arslan geraten aneinander. Lasogga will von van-der-Vaart-Rückkehr profitieren.

Hamburg. Die dunkle Mütze tief über die Stirn gezogen, den Kragen hochgeschlagen, eingemummelt in die schwarze Stepp-Sportjacke: Rafael van der Vaart war am Dienstag bei seinem Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining beim HSV kaum zu erkennen. Für einige Fans gar nicht, da machte sich sogar schon Empörung breit: „Schicksal, hin und her, der soll wieder arbeiten“, moserte ein Beobachter am Zaun, „andere haben auch ein hartes Schicksal.“

Um 13.35 Uhr war der Kapitän an der Arena vorgefahren und betrat die Mannschaftsräume durch den Hintereingang. Nicht ohne einem einzelnen Fan ein Autogramm zu geben allerdings. Rafael van der Vaart suchte nach dem Schicksalsschlag der vergangenen Woche den Weg zurück in die Normalität. Ruhig, schweigsam nach außen, geschützt vom Pulk seiner Mitspieler, die ihn in die Mitte nahmen, als das Team um kurz nach 15 Uhr den Trainingsplatz betrat. Vier Kamerateams warteten, aber äußern wollte sich der Niederländer nicht.

„Es ist schön, mit den Jungs wieder auf dem Platz zu stehen“, sagte er nach der rund anderthalbstündigen Einheit, „das ist eine gute Ablenkung für mich.“ Warmlaufen, Fitnessübungen. Dann Ballstafetten und Direktpässe mit lauten Ansagen, es war Tempo drin. Ein Spielchen fünf gegen fünf, anschließend mit vollem Team. Es ging zur Sache. So sehr, dass Maximilian Beister, der am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky, Liveticker bei abendblatt.de) gegen Bayern München gesperrt ist, und Tolgay Arslan um ein Haar körperlich aneinandergeraten wären. Böse Worte flogen hin und her, Mitspieler zerrten die Heißsporne schließlich auseinander. Schichtende.

„Es ist wichtig für ihn und für die Mannschaft, dass Rafa wieder dabei ist“, sagte Mittelfeldspieler Tomas Rincon, „es war nicht einfach für ihn und für uns auch nicht.“ Dementsprechend groß ist die Freude, dass der Kapitän bei den Bayern wieder spielen kann. Es gab ohne ihn zuletzt zwar die Siege gegen Hannover und im Pokal gegen Köln sowie das Unentschieden in Wolfsburg, das 0:1 vom vergangenen Wochenende gegen den FC Augsburg war aber wieder ein schwerer Rückschlag.

Zwei Tage vor der Partie hatte Trainer Bert van Marwijk der Mannschaft in der Kabine die Nachricht von der tragischen Fehlgeburt bei van der Vaarts Lebensgefährtin Sabia mitgeteilt. „Es war unglaublich still in der Kabine“, beschrieb van Marwijk den Moment.

Wie wichtig der Kapitän für den Erfolg seiner Mannschaft ist, zeigt ein Blick in die Statistik. Sechs Tore und sechs Torvorlagen stehen schon für ihn zu Buche. Zwölf Punkte holte der HSV vor seiner Zwangspause. Dabei war van der Vaart lediglich beim 2:2 bei Eintracht Frankfurt nicht direkt oder indirekt an einem Torerfolg beteiligt. „Er hilft uns sehr mit seiner Ruhe und Spielübersicht“, sagt Hakan Calhanoglu, der zuletzt als „Ersatzspielmacher“ aufgelaufen war. Mittelstürmer Pierre-Michel Lasogga hat in vier Spielen ohne van der Vaart kein Tor mehr geschossen. „Wenn man solche Zuspiele wie von Rafa bekommt, hat man es leicht auf dem Platz“, sagte der Torjäger.

Als Rafael van der Vaart am 24. September 2005 erstmals im HSV-Trikot gegen Bayern München auflief, ging eine „schwarze Serie“ für die Hamburger zu Ende. Der 2:0-Heimsieg durch sein Tor und eines von Piotr Trochowski bedeutete das Ende einer neunjährigen Sieglosigkeit gegen den Rekordmeister. In van der Vaarts ersten drei HSV-Jahren verloren die Hamburger nur einmal gegen München. Seit seiner Rückkehr im Sommer 2012 ist die Bilanz nicht annähernd so gut. Das Heimspiel in der vergangenen Saison ging am 3. November glatt 0:3 verloren, in der Rückrunde setzte es dann am 30. März dieses Jahres die 2:9-Pleite, die höchste Auswärtsniederlage in der Bundesligageschichte des HSV. Rincon stand dabei als einer von nur noch vier Spielern auf dem Platz, die auch an diesem Sonnabend ihr Glück versuchen sollen. „Es war bitter, so zu verlieren, das darf nicht wieder passieren“, sagte der Venezolaner. „Bayern ist wahrscheinlich die stärkste Mannschaft der Welt, trotzdem müssen wir daran glauben, dass wir etwas holen können.“