Der junge Trainer Markus Weinzierl hat es geschafft, aus vielen Namenlosen eine schlagfertige Einheit zu formen. Augsburg gab im DFB-Pokal gegen Bayern München Anschauungsunterricht in Sachen laufen, kämpfen, kratzen und beißen.

Der FC Bayern München gilt in Fußball-Deutschland als die Nummer eins, die alles richtig macht. In Hamburg blicken sie neidvoll gen Süden und sagen oft: „So wie die Bayern, so müssten wir es machen, wenn wir es eines Tages einmal wieder zu etwas bringen wollen.“ Und wer als HSV-Anhänger nicht ganz so weit blicken möchte, der nimmt sich dann Borussia Dortmund als Paradebeispiel, wie man aus einem fast schon „mausetoten“ Club einen europäischen Spitzenverein formt.

Und nun kommt morgen ein ganz anderes Vorzeigemodell in den Volkspark. Der FC Augsburg. Einige werden sich nun spontan fragen: „Wer?“ Mit Augsburg kann so recht keiner etwas anfangen, schon gar nicht als Vorbildverein für den Bundesliga-Dino. Wer aber am Mittwoch zur besten Fernsehzeit das Pokalspiel Augsburg gegen Bayern München gesehen hat, könnte durchaus auf den Gedanken kommen: „Da hat der kleine FC Augsburg den Millionären aus München ja mal ganz schön kräftig die Zähne gezeigt.“

Böse Zungen könnten dann auch noch einen Schritt weitergehen und behaupten: „Die Augsburger Underdogs haben den Millionären aus Bayern nach allen Regeln der (Treter-)Kunst die Schienbeine und sonstige Körperteile poliert.“ Augsburg ging zur Sache, schonte weder sich noch den Gegner – und der Schiedsrichter pfiff „international“, also großzügiger als sonst.

Hoffentlich saßen die HSV-Profis vor dem Bildschirm und haben den Anschauungsunterricht von der ersten bis zur letzten Minute verfolgt. So, wie es der kleine FC Augsburg gemacht hat, geht es nämlich auch. Laufen, kämpfen, kratzen, beißen – und „polieren“. Wenn eine Truppe das beherzigt, dann verliert sie, wie gesehen, auch nicht mal eben 2:9. Nur mal ein Beispiel.

Wie aber hat der FC Augsburg, der 2011, als er in die Erste Liga aufgestiegen war, vielfach als „Kanonenfutter“ belächelt wurde, es geschafft, zweimal in Folge die Klasse zu halten? Hinter dieser Frage verbirgt sich eine nicht nur spannende Geschichte, sondern auch eine, die zur Nachahmung empfohlen ist. Sogar in Hamburg. Denn in Augsburg haben sie nicht nur vielleicht, sondern ganz bestimmt noch weniger Geld als beim HSV. Augsburg kaufte mit Auge ein, nicht mit Kohle. Es wurden Spieler verpflichtet, die beim HSV niemals auf der Agenda stehen würden.

Paradebeispiel ist Stürmer Sascha Mölders. Ein Bär wie HSV-Torjäger Pierre-Michel Lasogga, aber mit einer etwas kleiner gehaltenen Vergangenheit. Mölders kam 2010 vom FSV Frankfurt in die Fuggerstadt, spielte zuvor bei Rot-Weiß Essen und in Duisburg. Mit mehr oder weniger Erfolg. Oder das Beispiel Tobias Werner. Der kam aus Jena, und in Hamburg wäre wahrscheinlich niemand auf die Idee gekommen, ihn jemals zum HSV holen zu wollen. Nun mischt dieser Werner nicht nur mit, er mischt gelegentlich auch auf – und wird in Augsburg dafür auf Händen getragen.

Beim FC Augsburg spielen etliche „Werners“ und „Mölders“, und sie spielen nicht nur, sie kämpfen vor allem. 90 Minuten Einsatz, das ist vorbildlich. Und nachahmenswert. Weil es zudem der junge Trainer verstanden hat, eine tatkräftige Einheit zu formen. Markus Weinzierl, 38, kam im Mai 2012 nicht etwa von Real Madrid, nicht vom FC Chelsea oder von Ajax Amsterdam, sondern vom SSV Jahn Regensburg. Und beweist seit dem ersten Tag in Augsburg seine Klasse. Weinzierl vermittelt seinen Mannen die richtige Einstellung zum Job und dem Gegner, und er hat es geschafft, aus vielen mittelmäßigen und gar nicht mal so teuren Spielern eine verschworene Gemeinschaft zu formen.

Deswegen wird dieser FC Augsburg längst völlig ernst genommen in der Liga, und er ist so auch ein Vorbild für jeden Club, der ohne große Reichtümer versuchen muss, in diesem Haifischbecken nicht nur zu überleben, sondern zu gewissen Erfolgen zu kommen.

Weil das so ist, wird es morgen für den HSV ein so schweres Spiel, wie es das im Pokal auch für die Bayern gewesen ist. Wer als HSV-Anhänger in den Volkspark fährt, um einen klaren oder gar einen Kantersieg über den kleinen FC Augsburg zu erleben, der ist falsch gewickelt. Zweimal hat der HSV in der Bundesliga bislang versucht, in Hamburg gegen den FCA zu gewinnen – vergeblich. Das sollte Warnung genug sein.

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab