Der Kroate schießt den HSV gegen Köln ins Pokal-Viertelfinale und krönt sein Comeback nach vielen Verletzungspausen. Nun will er endlich beim Bundesliga-Dino durchstarten.

Hamburg. Wie er da immer so steht. Nach einem Tor. Die Arme verschränkt, den Oberkörper leicht zurückgelegt, den Kopf seitlich, die Miene ernst. Mit einer Ausstrahlung zwischen „Seht her, ich bin’s“ und „Was wollt ihr eigentlich?“ Manche sagen auch: arrogant. Am Dienstag stand Ivo Ilicevic wieder so da, nach seinem 2:1-Siegtor im Achtelfinale des DFB-Pokals für den HSV gegen den 1. FC Köln. Zum allerersten Mal in dieser Saison und gar nicht lange. Dann kamen die Kollegen zum Feiern. Und am Ende saß er neben Dino Hermann auf dem Rasen. So wirklich passend ist Ilicevics eigenwillige Jubelgeste nach seiner bisherigen HSV-Geschichte in der Tat nicht.

„Hinter mir liegt eine schwere Zeit“, sagt der Kroate, „ich bin froh, dass ich mich jetzt so fit fühle.“ Seit August 2011 steht der inzwischen 27-Jährige in Hamburg unter Vertrag, und nicht wenige hatten ihn bereits abgeschrieben. Wieder so ein Fehleinkauf? Nur 31 Bundesligaspiele konnte er in fast zweieinhalb Jahren machen, die Zahl der Arztbesuche dürfte kaum niedriger sein. „Bisher war es beim HSV aufgrund der vielen Verletzungen schwierig, aber jetzt geht es mir gut“, sagt er, „auch wenn ich noch nicht bei 100 Prozent bin.“

Muskuläre Probleme, immer wieder. Wochenlange Pausen. Komplett durchgecheckt haben sie ihn, Zähne, Rücken, Ernährung, alles. Befund gleich null. Kaum war er wieder bereit, kam der nächste Rückschlag. Der Tiefpunkt war erreicht, als er kurz vor der Europameisterschaft 2012 wegen einer im Training erlittenen Wadenverletzung auf das Turnier verzichten musste. „Was ich in den zwei Jahren beim HSV erlebt habe, war schon extrem.“ Umso größer war andererseits nun die Freude, dass ihn Kroatiens neuer Nationaltrainer Niko Kovac ganz offenbar auf dem Zettel für die WM in Brasilien hat. Trotz geringer Spielpraxis hatte der ehemalige HSV-Profi Ilicevic für die entscheidenden Qualifikationsspiele gegen Island nominiert. „Dass wir es geschafft haben, macht schon stolz und hat mir weiter Auftrieb gegeben“, erklärte er.

„Ich klopfe jeden Tag auf Holz, dass Ivo gesund bleibt“, sagt HSV-Sportchef Oliver Kreuzer. Denn was sie an Ilicevic haben können, das wissen die Verantwortlichen beim HSV natürlich. „Er ist einfach ein guter Fußballer und trainiert überragend“, urteilt Kreuzer. Am Dienstag haben es auch die Fans im Stadion mal wieder gesehen. Endlich.

Aus der Luft mit links gegen den Lauf von Torwart Timo Horn nutzte Ilicevic in der 85. Minute einen abgefälschten Schuss von Milan Badelj eiskalt, überlegt und technisch anspruchsvoll. Pikanterweise war es die gleiche Spielminute, in der er vier Tage zuvor in Wolfsburg noch den möglichen HSV-Sieg vergeben hatte, als er freistehend nur an die Latte schoss. Umso glücklicher war er, dass es nun geklappt hatte: „Ich hätte natürlich schon in Wolfsburg treffen müssen. Aber man kann es Woche für Woche besser machen. Es war mein wichtigstes Tor für den HSV.“

Als er sich in der 75. Minute zur Einwechslung für Tolgay Arslan bereit machte, kam noch an der Seitenlinie Bert van Marwijk. Der Trainer nahm seinen Spieler noch einmal in den Arm und redete auf ihn ein. „Ich habe ihm Glück gewünscht vor der Einwechslung“, sagte der Niederländer, „letzte Woche konnte er das Siegtor schießen, diesmal hat er es getan. Das war ein unglaublich wichtiges Spiel für uns.“

Erstmals seit 2009 steht der HSV damit wieder unter den letzten Acht im DFB-Pokal. Das bringt eine zuvor nicht einkalkulierte Einnahme in Höhe von rund zwei Millionen Euro. Je nachdem, wen Bundestrainerin Silvia Neid am Sonntag bei der Auslosung in der Sportschau für den HSV aus der Lostrommel zieht, variieren Ticketpreise und Erlöse durch ein Livespiel. Viertelfinale muss ja auch nicht Endstation bedeuten. „Klar würde ich gerne in der nächsten Runde gegen den 1. FC Kaiserslautern spielen“, sagt Ivo Ilicevic. Mit Zweitligisten hat der HSV im Pokal nach Fürth und Köln bisher schließlich gute Erfahrungen gemacht – und mit den Pfälzern verbindet er gute Erinnerungen, „auch wenn ich nicht mehr so viele Spieler aus der aktuellen Mannschaft kenne.“

Vier Millionen Euro kostete der Kroate 2011, sein Vertrag läuft bis 2015

Von 2009 an war er auf dem Betzenberg aktiv und spielte dort so überzeugend auf, dass sogar Bayern München zwischenzeitlich mal aufmerksam wurde. 60 Spiele, elf Tore, zwölf Torvorlagen trieben seinen Marktwert in die Höhe. Vier Millionen gab der HSV für Ilicevic aus, gab dem gebürtigen Aschaffenburger einen Vertrag bis 2015. Die erste Rate zahlte er am Dienstag endlich zurück. „Helfen“ möchte er der Mannschaft, noch besser und noch konstanter. In seinen sechs Saisonspielen wurde er fünfmal eingewechselt, nur gegen Hannover spielte er durch. „Klar bin ich enttäuscht, wenn ich nicht von Anfang an spiele“, sagt Ilicevic, „aber ich habe nach meiner Einwechslung gezeigt, was der Trainer sehen wollte.“

Und eines hat er ganz sicher gelernt in den letzten zwei Jahren. Geduld und ein wenig Demut. Auch wenn das beim Torjubel nicht so aussieht.