Nur ein Sieg in sieben Ligaspielen steht auf dem Konto der Hamburger – dafür betätigt sich der nächste Gegner Hannover 96 auswärts als Punktelieferant.

Hamburg . Ausverkauft! Das meldete der HSV vor den letzten vier Nordderbys gegen Hannover 96. Dass die Ränge an diesem Sonntag (15.30 Uhr/Sky live) auch wieder komplett gefüllt sind, ist dagegen unwahrscheinlich. Am Freitag waren noch 5000 Tickets zu haben. Diese schleppende Nachfrage hat Gründe: Zum einen ist der Sonntag nicht so zuschauerträchtig, zum anderen wurden die HSV-Fans bisher auch nicht unbedingt verwöhnt. Die Hamburger konnten zu Hause erst vier Zähler einsammeln, haben saisonübergreifend nur eines der vergangenen sieben Heimspiele gewonnen. Hannover hingegen, in der Gesamttabelle auf Platz elf nur zwei Punkte vor dem HSV platziert, konnte schon 14 Punkte vor eigenem Publikum einfahren.

Eine Momentaufnahme? Mitnichten. Denn in der jüngeren Vergangenheit war es nicht anders. Vor allem im Vergleich zum kommenden Kontrahenten gibt es eine ganz klare Rangordnung: So holten die Niedersachsen in der Saison 2012/13 vor eigenem Publikum sechs Punkte mehr als der HSV. Und auch 2011/12 war die Bilanz mit nur 16 Punkten daheim (Hannover 37) verheerend.

Gründe dafür sind schwer auszumachen. Spielerisch gute Profis hat und hatte der HSV in großer Zahl. Doch defensiv stehende Gegner bereiten dem Bundesliga-Dino immer wieder Probleme. In dieser Saison sind es vor allem die vielen leichten Ballverluste in der Vorwärtsbewegung, die zu Gegentoren führten. Marcell Jansen, seit 2008 in Hamburg, ist ratlos: „Eigentlich sollten uns unsere eigenen Fans ja beflügeln, aber Fakt ist, dass die Anfeuerung sich nicht positiv auswirkt. Allerdings waren die vergangenen Heimspiele ja nicht schlecht und hätten auch anders laufen können“, sagte der Ersatzkapitän, der für den verletzten Rafael van der Vaart die Binde tragen wird.

Sportpsychologe Werner Mickler, der die psychologische Ausbildung im Fußballlehrer-Lehrgang leitet, sieht die Ursachen für einen solchen Heimkomplex im mentalen Bereich: „Gerade Hamburg hat ja eine erfolgreiche Historie, die eine höhere Erwartungshaltung mit sich bringt als in Hannover. Dadurch ist der Druck immens hoch, vor allem die Heimspiele gewinnen zu müssen. Passieren Fehler, beschäftigen sich die Spieler oft viel zu lange damit und malen sich die Konsequenzen einer Niederlage aus, anstatt sich auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren. So besteht die Gefahr der Entwicklung einer Negativspirale.“

Doch auch die Gäste-Fans kamen in vergangenen Zeiten schon zahlreicher die A7 hochgefahren, nur etwa 3500 96-Anhänger werden erwartet. Kein Wunder, denn die Fans der Slomka-Elf erwartete in dieser Saison bei Auswärtsspielen immer das gleiche Bild: Die Spieler kamen mit hängenden Köpfen vor den Gästeblock geschlichen, dankten betreten für die Unterstützung – und reisten genauso frustriert wie ihre Fans wieder nach Hause.

Fünf Spiele in der Fremde, fünf Niederlagen. Und auch diese Statistik ist offenbar kein Zufall: In der vergangenen Saison holten sie auswärts neun Punkte weniger als der HSV, und sogar in der katastrophalen Spielzeit 2011/12 konnten die Hamburger auswärts neun Punkte mehr entführen als der kommende Gegner. Für Jansen jedoch keine Sieggarantie: „Wir sollten die Gedanken an Hannovers Bilanz beiseiteschieben und uns auf unsere Leistung konzentrieren.“

Das sieht HSV-Trainer Bert van Marwijk ähnlich. Er ermahnte die Mannschaft, nicht zu offensiv zu denken und auf Organisation und Disziplin zu achten. Ob Heiko Westermann dabei mithelfen kann, ist fraglich. Sein Knie war am Freitag immer noch dick, er brach das Training vorzeitig ab. „Die Schwellung ist noch nicht raus, aber bis Sonntag sollte es reichen“, sagte der Verteidiger. Weitere Erkenntnisse der Einheit: Johan Djourou wird Lasse Sobiech im Abwehrzentrum verdrängen, Tomas Rincon den gelbgesperrten Tolgay Arslan ersetzen. Ivo Ilicevic fängt wohl links an, Hakan Calhanoglu wird dafür in die Mitte rücken und van der Vaarts Ausfall kompensieren.

Hannover hat dagegen kaum personelle Probleme. Neben den Langzeitverletzten Didier Ya Konan, Felipe und Christian Pander fehlt vom Stammpersonal nur Marcelo (gesperrt). „Sie müssen merken, dass wir zu Hause spielen“, fordert Rincon. Vielleicht wäre es aus seiner Sicht jedoch besser, Hannover merkt es nicht und wähnt sich dem auswärtsstarken HSV gegenüber.