HSV-Leihspieler Per Cilian Skjelbred ist in Berlin sofort zum absoluten Leistungsträger geworden. Bei Ex-Trainer Fink war er chancenlos, bei Luhukay ist er derzeit unersetzlich.

Hamburg/Berlin. Mit Volkes Stimme ist das ja immer so eine Sache. Viel Populismus, manchmal Unsinn, aber irgendwie auch oft ein guter Indikator für Stimmungen und Situationen. „Fink muss definitiv blind gewesen sein“, schreibt also in einem Berliner Fanforum ein Mensch namens „MS Herthaner“. Und „Volltreffer“ meint: „Skjelbred, du bist ‘ne geile Sau“.

Die Euphorie bei Hertha BSC steigt mit jedem Spiel, das HSV-Leihgabe Per Cilian Skjelbred im Mittelfeld des Aufsteigers absolviert. Der Norweger hat voll eingeschlagen. „Es ist unglaublich positiv, dass er sich so schnell eingewöhnt und ins Team eingebracht hat“, lobt Trainer Jos Luhukay. Im rechten Mittelfeld offensiv und defensiv hat er bei den Berlinern bereits gespielt und auch zentral, ebenfalls sowohl offensiv als auch defensiv. Sechs Partien bisher, immer Startelf, immer großartig. „Wir wussten, dass er mehrere Positionen spielen kann“, sagt Luhukay, „er ist ein multifunktionaler Spieler“.

Die Leistungsexplosion in Berlin ist rational kaum zu erklären. Möglicherweise hat sie mit Vertrauen zu tun. Als Skjelbred Ende August 2011 von Rosenborg Trondheim zum HSV kam, war Michael Oenning noch Trainer. Vier Partien machte er bis zum sechsten Spieltag in der Startelf, dann wurde Oenning entlassen. Nur zwei Einsätze über 90 Minuten gab es unter Thorsten Fink. Kein Wunder, dass Skjelbred dem Wechsel zur Hertha schnell zustimmte: „Ich bin nach Berlin gegangen, weil ich wieder Fußball spielen wollte.“

Das gelingt ihm auf herausragende Weise. Endlich, endlich scheint der ehemalige Casting-Star sein Talent auch im Spiel umzusetzen. „Mich wundert das gar nicht“, sagt Marcell Jansen über seinen ehemaligen HSV-Kollegen, „er ist ein Super-Typ. Er hat auch bei uns im Training immer überzeugt, aber nur wenige Chancen bekommen.“

Skjelbred ist in Trondheim geboren. Da liegt an 70 bis 100 Tagen im Jahr Schnee, und es wird auch im Sommer selten wärmer als 14 Grad. Sonst ist es ganz schön. Und sportlich. Jedenfalls kommen dort auch viele talentierte Fußballer her, wie Rune Bratseth beispielsweise. Und Per Cilian Skjelbred. Der war ein umjubelter Teenie-Star, als er eine Castingshow des norwegischen Fernsehens gewann und zur Belohnung drei Wochen in der Akademie des FC Liverpool trainieren durfte. Ein Angebot, dauerhaft dorthin zu wechseln, hat er dennoch abgelehnt: „Keine Chance, ich war erst 15.“ Schon mit 16 Jahren aber spielte er für Rosenborg Trondheim in der Ersten Liga, mit 18 in der Champions League.

Wechsel zum HSV als Karriereknick

Der Wechsel zum HSV für 500.000 Euro Ablöse bedeutete tatsächlich so etwas wie einen Karriereknick. Öffentlich beschwert hat sich der Blondschopf über seine Lage nie, die Anfrage aus Berlin aber gerne wahrgenommen. Dort suchte man einen kurzfristigen Ersatz für Alexander Baumjohann, der mit einem Kreuzbandriss noch mindestens die komplette Hinrunde ausfällt. Ein Tor und drei Torvorlagen schaffte Skjelbred schon in sechs Spielen in Berlin. Null und nichts dergleichen in zwei Jahren Hamburg. Vor allem aber staunen die Berliner über die Laufleistung des Norwegers, der im Schnitt herausragende 12,6 Kilometer pro Spiel zurücklegt. „Er bringt mit seinem Laufvermögen etwas mit, was uns guttut“, sagt Luhukay, der von seiner Mannschaft intensives Verschieben und Pressen zum Ball hin erwartet. Skjelbred sieht das Ableisten der vielen Kilometer ganz pragmatisch: „Der Trainer hat eine Idee, und ich muss sie umsetzen, das ist meine Arbeit.“

Dass sein Erfolg in der Hauptstadt nun Fragen nach der Zukunft provoziert, dass über Tauschoptionen mit dem im Gegenzug von der Hertha ebenfalls ohne Kaufoption zum HSV verliehenen Pierre-Michel Lasogga spekuliert wird, ist normal. Schon lässt sich ein Berater mit angeblich gestiegenem Interesse großer Clubs zitieren.

Bis 2015 „gehört“ Skjelbred dem HSV, das ist das Einzige, was feststeht. Sportchef Oliver Kreuzer freut sich natürlich über dessen Erfolg in Berlin. „Im Winter“ will er mit seinem Hertha-Kollegen Michael Preetz sprechen. Bis dahin müssen Skjelbred und Lasogga, der ebenfalls bis 2015 in Berlin gebunden ist, weiter Leistung bringen. „Ich mache mir noch keinen Kopf, was wird“, sagt der Norweger. Seine Frau Kristina und die kleinen Kinder Jonathan und Elina Sofie sind mit nach Berlin gezogen, die Familie hat ein Haus bezogen. Das sieht sehr nach dauerhaftem Einrichten in der Hauptstadt aus. „Ich brauche Zeit für meine Familie. Das ist meine erste Aufgabe im Leben. Dann kommt Fußball“, sagt der 26-Jährige. „Meiner Familie und mir gefällt es in Berlin sehr gut. Ich habe zwar noch einen Vertrag in Hamburg, aber ich kann mir vorstellen, hierzubleiben.“