Der neue HSV-Trainer van Marwijk sorgte für einen Umschwung. Doch wichtig ist nicht der kurzfristige Trainereffekt, sondern die Nachhaltigkeit - sagen Psychologen.

Hamburg. Was Bert van Marwijk von dem routinemäßigen Frage-und-Antwort-Spiel auf der wöchentlichen Pressekonferenz vor dem Spieltag hält, ließ der Niederländer die Medienvertreter bereits nach der ersten Frage am Donnerstagmittag ziemlich unverblümt wissen. „Das sind ja jede Woche die gleichen Fragen“, blaffte der HSV-Trainer, der auch auf die Frage, warum seine zuvor chronisch erfolglose Mannschaft plötzlich von Erfolg zu Erfolg eilt, nicht viel zu sagen hatte: „Das ist schwierig zu erklären“, antwortete van Marwijk ein wenig gelangweilt, „und eigentlich will ich das auch gar nicht erklären.“

Zumindest bei seinen Spielern scheint der introvertierte Fußballlehrer aber genau die richtigen Worte bislang gefunden zu haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass der HSV bei drei Spielen unter van Marwijk noch immer nicht verloren hat, zudem dreimal durchaus attraktiven Fußball zu bieten hatte? So schaffte der 61-Jährige auch ohne großes Tamtam einen Stimmungsumschwung, mit dem vor vier Wochen noch niemand in Hamburg gerechnet hatte. Unter den Fans genießt van Marwijk schon jetzt ähnliche Beliebtheitswerte wie vor sechs Jahren sein ebenso erfolgreicher und ebenso wortkarger Landsmann Huub Stevens.

Der Hamburger Sportpsychologe und Mentaltrainer Olaf Kortmann ist jedenfalls wenig überrascht vom schnellen Stimmungsumschwung, für den van Marwijk nach der Beurlaubung Thorsten Finks gesorgt hat. „Die Euphorie wundert mich nicht. Eigentlich wurde doch jeder Trainer außer vielleicht Michael Oenning in den vergangenen Jahren immer euphorisch empfangen. Und außer Oenning hat auch jeder Trainer einen kurzen Moment für Aufbruchsstimmung gesorgt“, sagt Kortmann, der allerdings ein ernüchterndes Fazit zieht: „Am Ende hat dann aber leider kaum einer die hohen Erwartungen erfüllen können.“

Trainerwechsel wirkt unbewusst

Doch warum war das eigentlich so? Der kurzfristige Effekt nach einem Trainerwechsel nutze sich, so Kortmann, vor allem aus drei Gründen oft schnell wieder ab. „Bei vielen Spielern wirkt ein Trainerwechsel auf einer unbewussten Ebene. Durch einen neuen Coach bekommt man gewissermaßen ein reines Gewissen, da durch den Trainerwechsel der mutmaßlich Schuldige an der aktuellen Misere feststeht“, beschreibt der frühere Volleyballtrainer, der sich vor knapp drei Jahren beim HSV als Aufsichtsrat beworben hatte, das erste Phänomen: „Der alte Trainer ist das Bauernopfer. Und mit einem guten Gewissen kann man anschließend als Spieler befreiter aufspielen als vorher, als man noch selbst für den Misserfolg verantwortlich war.“

Hinzu komme die sogenannte „hormonelle Verliebtheit“. Dies sei fast wie bei einer neuen Partnerschaft: „Alles ist neu, aufregend, anders, spannend. Man hat wissenschaftlich erwiesen, dass mit einer neuen Freundin im Schnitt 18 Monate lang die Hormone verrückt spielen. Im Fußball geht das leider etwas schneller vorbei. Irgendwann sind auch hier mal die Flittertrainingswochen vorbei.“ Als letzter Faktor beim kurzfristigen Trainereffekt komme noch hinzu, dass natürlich jeder Spieler spüre, dass er entweder eine neue Chance bekommt, wenn er hintendran war, oder, dass er sich neu beweisen muss, wenn er zuvor einen Stammplatz hatte: „Beides ist ja zunächst mal positiv.“

Anhaltenden Erfolg könne man, sagt Kortmann, durch einen einfachen Trainerwechsel allerdings nicht erzwingen: „Es gibt Untersuchungen, dass statistisch gesehen Trainerwechsel mittelfristig nicht so häufig für den erhofften Erfolg sorgen, wie manch einer denken mag.“ Kortmanns Lösung: „Einen kurzfristigen Trainereffekt kann man nur durch einen einzigen Faktor langfristig am Leben erhalten: durch Fach-, Sozial- und Führungskompetenz. Nur ein kompetenter Trainer, der Ziele vermittelt, Vorbild und Leader ist, wird auch langfristig Erfolg haben.“

Genau darauf setzt Oliver Kreuzer. „Anders als beispielsweise Peter Neururer ist van Marwijk kein Trainer, der ausschließlich von der Motivation lebt, sondern vom ganzen Auftreten“, sagt der HSV-Sportchef, der auf einen nachhaltigen Effekt hofft. „Ich habe keine Bedenken, dass sich bei uns der Schlendrian einschleicht. Van Marwijk wird schon dafür sorgen, dass bei niemanden nach der Anfangseuphorie nun eine Gleichgültigkeit einsetzt.“ Kreuzer hofft sogar, dass der Stimmungsumschwung ausgebaut werden kann: „Wir werden uns weiter verbessern, denn wir haben noch Luft nach oben.“

Genau das müssen die HSV-Profis aber zunächst noch am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) beim SC Freiburg unter Beweis stellen. Nur darüber reden wollte van Marwijk vor der Partie lieber nicht.