Der ehemalige HSV-Profi und DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus spricht im Abendblatt über die Initiative HSVPlus und die Entwicklung des Hamburger Fußball-Bundesligisten.

Hamburg. Mit Willi Schulz hat sich am Dienstag ein weiterer prominenter, früherer HSV-Spieler der Initiative HSVPlus angeschlossen, im Verein wird intensiv über die Zukunft debattiert. Das Abendblatt will diese Diskussion bis zur Mitgliederversammlung am 19.Januar in allen Facetten abbilden, spricht mit Befürwortern und Gegnern – in dieser Woche mit dem ehemaligen HSV-Profi, -Vorstand und DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus, 54.

Hamburger Abendblatt: Herr Hieronymus, mit Initiator Otto Rieckhoff sind Sie auf Wahlkampftour in den HSV-Fanclubs unterwegs. Wie sind die Reaktionen?

Holger Hieronymus: Alles in allem überwältigend. Viele Mitglieder wünschen sich eine Veränderung und sind froh, dass endlich etwas passiert.

Rieckhoff ist 2012 als Aufsichtsratsvorsitzender zurückgetreten und hat den längst gescheiterten Frank Arnesen eingestellt. Ist so jemand das richtige Zugpferd?

Hieronymus: Auch das wird bei unseren Besuchen offen angesprochen, ich habe mit ihm ebenfalls über gewisse Dinge sehr offen gesprochen. Aber: Warum soll jemand, der selbst gewisse Fehler einräumt, nicht mehr die Berechtigung haben, sich zu engagieren?

Was war Ihre Motivation, sich der Initiative Rieckhoffs anzuschließen?

Hieronymus: Während meiner Zeit bei der DFL in Frankfurt konnte ich sehr genau beobachten, welche Entwicklungen einige Vereine nahmen. Beim HSV hatte ich den Eindruck, dass sich seit meiner Zeit als Vorstand nicht so wahnsinnig viel entwickelt hat.

Na ja, in der Ära Bernd Hoffmann hat der HSV regelmäßig europäisch gespielt.

Hieronymus: Klar. Die Frage ist bloß, ob der Preis zu hoch war. Ich halte mich da raus, aber einige behaupten, der wirtschaftliche Aufwand sei erheblich zu hoch gewesen. Und Erfolg ist immer relativ. Okay, zwei Halbfinalteilnahmen in der Europa League waren dabei, aber ohne das böse zu meinen: Unterm Strich ist das ein bisschen mehr als nichts. Und das kann doch nicht unser Anspruch für die Zukunft sein, alle Jubeljahre in das Halbfinale eines Wettbewerbs einzuziehen. Da sage ich als Sportler: Ich will das Ding gewinnen!

Ist diese dauerhafte Titellosigkeit in der Struktur des Clubs oder den handelnden Personen begründet? Es wird ja oft behauptet, beim HSV sitzen einfach zu wenig Leute mit Fußballkompetenz.

Hieronymus: Das eine bedingt das andere. Unsere Strukturen sind tatsächlich nicht dadurch gekennzeichnet, dass außerordentliches Fußballfachwissen vorhanden ist. Und ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass sich daran nichts ändern wird, da kann ich übrigens auch für mich sprechen.

Heißt das, Sie würden in dieser Konstellation keinen Posten übernehmen?

Hieronymus: Richtig.

Und in einer womöglich ausgegliederten Gesellschaft des HSV?

Hieronymus: Ich habe keine persönlichen Interessen.

Müssten aber die Mitglieder nicht wissen, welche Personen die neuen Gremien besetzen sollen?

Hieronymus: Stand jetzt ist das nicht notwendig, allein das Thema Felix Magath hat schon genug Staub aufgewirbelt. Grundsätzlich ist es aber schon so, dass man sich im nächsten Schritt Gedanken über die handelnden Personen machen muss. Vielleicht ist das dann am Ende sogar bei einer Abstimmung das Zünglein an der Waage.

Warum sind nicht alle Unterstützer der Initiative HSVPlus bekannt?

Hieronymus: Ich selbst bin vogelfrei, muss keinerlei Rücksicht nehmen. Aber es gibt gewisse Zwänge, offensiver oder eben defensiver zu agieren, zum Beispiel wenn sich ein Arbeitgeber wünscht, dass man sich aus vereinspolitischen Dingen öffentlich bitte heraushalten möge.

Die Initiative strebt eine Organisation nach dem Vorbild des FC Bayern an. Würden Sie es zumindest als Teilerfolg sehen, wenn am Ende der e.V. bleibt, aber der Aufsichtsrat verkleinert wird?

Hieronymus: Abgesehen davon, dass ich davon überzeugt bin, dass etwas passieren wird: Es macht in meinen Augen keinen Sinn, von elf Aufsichtsräten auf fünf zu reduzieren. Damit habe ich das Problem nicht gelöst. Wobei ich nichts gegen das aktuelle Gremium sagen möchte, ich kenne die meisten Aufsichtsräte gar nicht. Und wer sollen dann die fünf sein, die weitermachen?

Worum geht es denn dann?

Hieronymus: Es geht nicht darum, irgendetwas neu oder anders zu machen, sondern die richtigen Leute für die Gremien zu finden. Bis jetzt habe ich kein Alternativmodell gesehen, bei dem ich mir das vorstellen kann.

Das Modell von Aufsichtsrat Jürgen Hunke sehen Sie nicht als Konkurrenz?

Hieronymus: Das ist für uns nicht wirklich relevant, weil sich die Konzepte so grundlegend unterscheiden.

Läuft es bei der Mitgliederversammlung nicht auf eine Abstimmung über eine Investorenbeteiligung hinaus?

Hieronymus: Wir werden die Diskussion nicht in die Richtung lenken, ich könnte mir aber vorstellen, dass dies so kommen wird. Das Thema Investor ist ein Gespenst, das unter den HSV-Mitgliedern Angst verbreiten soll, dabei gibt es noch nicht einmal einen Investor. Die Mitglieder sollen nur darüber entscheiden: Wenn morgen einer kommt, wollen wir das, ja oder nein?

Na ja, mit Klaus-Michael Kühne steht ja bekanntlich schon jemand in den Startlöchern. Könnte er dem HSV nicht einfach als Mäzen helfen?

Hieronymus: Das denkt man sich so schön, aber hier kommt der frühere Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga in mir durch: Da passt die DFL schon auf, dass nicht wahllos Geld an Vereine angedockt und dadurch der Wettbewerb beeinflusst wird. So einfach ist das nicht.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Kühne ähnlich wie Dietmar Hopp in Hoffenheim beim HSV mit 100 Millionen Euro Investorenkapital einsteigt?

Hieronymus: Ein netter Gedanke, aber meine Einschätzung ist das nicht. Nebenbei bemerkt hat Hopp den Hoffenheimern ja nicht einfach viele Millionen Euro geschenkt, das ist alles über Verträge abgesichert. Wenn ich Herrn Kühne richtig verstanden habe, lautet seine Kernaussage: Wenn man es möchte, würde ich gerne helfen, aber nicht unter den aktuellen Umständen.

Ist jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt, sich einem oder mehreren Investoren zu öffnen? Der FC Bayern war äußerst erfolgreich, als er Audi und Adidas als Anteilseigner ins Boot holte.

Hieronymus: Gegenfrage: Wird der HSV noch einmal solch ein Stadium erreichen, um besonders sexy für Investoren zu sein? Mit Blick auf die vergangenen Jahre habe ich da meine Zweifel.

Sollte ein Investor dann mit einer Rendite zum HSV gelockt werden?

Hieronymus: Ich glaube nicht, dass hinter dem Engagement von Adidas bei den Bayern eine Gewinnerzielungsabsicht steckt. Es wäre aber nicht seriös, jetzt darüber zu sinnieren, das hängt auch von den Erwartungen eines Investors ab. Gleiches gilt für den möglichen Wert des ‚Unternehmens HSV‘, wenn das Ihre nächste Frage wäre. Dazu müssten uns testierte Geschäftsabschlüsse vorliegen.

Stimmen Sie zu, dass es die schwerste Hürde sein wird, die Mitglieder zu überzeugen, dass sie im Kernbereich Fußball nichts mehr zu melden haben?

Hieronymus: Ich zweifle, ob der Großteil der Mitglieder damit ein Problem hätte. Einflussnahme ist ja so ein Schlagwort. Sie können ja mal Uli Hoeneß fragen, welche Einflussnahme er sich vorstellt. Hätten sich die Mitglieder des FC Bayern einmischen wollen, wäre Hoeneß schon lange nicht mehr da, wo er jetzt ist. Was er geleistet hat, davor ziehe ich den Hut. Ich sehe in Hamburg nicht einen, der auch nur ansatzweise mit ihm mithalten kann.